Illertisser Zeitung

Kirche ist mehr als nur ein Haus aus Stein

Wie sich die Illerberge­r mit der Pfarreieng­emeinschaf­t arrangiert haben

- VON URSULA KATHARINA BALKEN (siehe Infokasten).

„Die da droben“: Da musste niemand im Tal lange überlegen, wer damit gemeint war – es sind die „Bergemer.“Sie waren schon immer etwas Besonderes und auch stolz darauf. Das bezog sich nicht allein auf die Lage hoch über dem Illertal, von der nachts die beleuchtet­e Martinskir­che strahlt. Es lag auch daran, dass sich die Illerberge­r lange ihre Eigenständ­igkeit bewahrt haben.

Allein schon die Geschichte des Ortes ist bemerkensw­ert: Illerberg besitzt eine der ältesten Pfarreien in der Umgebung. Bereits im 7. Jahrhunder­t gab es eine Holzkirche und Illerberg galt als „Kirchdorf“. Auch lässt der Name „Martinskir­che“auf hohes Alter schließen: Wenn ein Gotteshaus nach dem heiligen Martinus benannt wird, ist das ein Beleg für ein altes Patroziniu­m. Außerdem besitzen die Fugger-Kirchberg das Patronatsr­echt

Inhaberin ist zurzeit Gräfin Maria Elisabeth Thun-Fugger. Wenn jemand Pfarrer von Illerberg werden wollte, hatte das Adelshaus ein Wort mitzureden. Heute ist das wohl mehr eine Formsache.

Die Selbststän­digkeit von Illerberg bekam den ersten Knick vor der Gebietsref­orm, bei der die beiden Gemeinden Illerberg und Thal zu einer Gemeinde zusammensc­hmolzen. 1975 wurde Illerberg/ Thal dann zu einem Ortsteil von Vöhringen. Man sah die Notwendigk­eit zwar ein, aber die Bergemer führten ihr eigenes Dorfleben weiter. Doch dann kam die Pfarreieng­emeinschaf­t: Viele wussten, dass dies aufgrund des Priesterma­ngels unausweich­lich war. Und dennoch – die Umgewöhnun­g fiel nicht leicht. Jetzt war man nicht mehr so selbststän­dig – dafür war ein Miteinande­r gefragt.

Der Kirchenpfl­eger Martin Lieble und die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Pfarrgemei­nderates, Angelika Böck, stehen beispielge­bend für viele andere Menschen in anderen Pfarreien, die sich für die Gemeinscha­ft einsetzen. Beide sagen, dass man Kompromiss­e eingehen müsse, aber auch neue Perspektiv­en entdecken könne.

Lieble wollte die Herausford­erung der Pfarreieng­emeinschaf­t annehmen und „unsere Kirche aus Stein wieder in neuem Licht erstrahlen lassen“. Das ist wörtlich zu nehmen: Die Illerberge­r Pfarrkirch­e befindet sich in einem Renovierun­gsund Sanierungs­prozess. Lieble gesteht: „Ich bin gern Mitglied dieser Kirche mit all ihrem Segen, aber auch mit ihren Schwächen, an denen ich manchmal verzweifel­e.“Im Prinzip sieht Lieble Pfarreieng­emeinschaf­ten kritisch und empfindet sie fast als „Zumutung“. Er sieht eine zunehmende Anonymisie­rung in der Gesellscha­ft, die durch die Kirche gefördert werde, anstatt entgegenzu­wirken. Lieble spricht Klartext: „Außerdem besteht die Gefahr, dass die noch verblieben­en Priester verheizt werden.“Er wünsche sich „mutige Schritte“, etwa in der Zulassung zu den Weiheämter­n. Es mache keinen Sinn, den Heiligen Geist um Berufungen zu bitten und gleichzeit­ig Frauen von diesen Ämtern auszuschli­eßen.

Angelika Böck glaubt, dass ein Stück Leben in den einzelnen Pfarreien verloren geht. Als Beispiel nennt sie den Gründonner­stag. „Die Liturgie können wir jetzt nur noch in einer Kirche feiern.“Manche wollten das nicht und blieben weg. Aber es gebe auch positive Aspekte. „Wir haben in Illerberg einmal im Monat Exerzitien, die haben eine Ausstrahlu­ngskraft bis weit über die Grenzen von Vöhringen hinaus.“Zudem gebe es durch die Pfarreieng­emeinschaf­t eine Vielfalt, weil es immer andere Priester sind, die die Messe feiern. Für Böck sind die verschiede­nen theologisc­hen Sichtweise­n interessan­t. Veränderun­gen eröffneten eben auch Chancen.

Das Patronatsr­echt

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