Kirche ist mehr als nur ein Haus aus Stein
Wie sich die Illerberger mit der Pfarreiengemeinschaft arrangiert haben
„Die da droben“: Da musste niemand im Tal lange überlegen, wer damit gemeint war – es sind die „Bergemer.“Sie waren schon immer etwas Besonderes und auch stolz darauf. Das bezog sich nicht allein auf die Lage hoch über dem Illertal, von der nachts die beleuchtete Martinskirche strahlt. Es lag auch daran, dass sich die Illerberger lange ihre Eigenständigkeit bewahrt haben.
Allein schon die Geschichte des Ortes ist bemerkenswert: Illerberg besitzt eine der ältesten Pfarreien in der Umgebung. Bereits im 7. Jahrhundert gab es eine Holzkirche und Illerberg galt als „Kirchdorf“. Auch lässt der Name „Martinskirche“auf hohes Alter schließen: Wenn ein Gotteshaus nach dem heiligen Martinus benannt wird, ist das ein Beleg für ein altes Patrozinium. Außerdem besitzen die Fugger-Kirchberg das Patronatsrecht
Inhaberin ist zurzeit Gräfin Maria Elisabeth Thun-Fugger. Wenn jemand Pfarrer von Illerberg werden wollte, hatte das Adelshaus ein Wort mitzureden. Heute ist das wohl mehr eine Formsache.
Die Selbstständigkeit von Illerberg bekam den ersten Knick vor der Gebietsreform, bei der die beiden Gemeinden Illerberg und Thal zu einer Gemeinde zusammenschmolzen. 1975 wurde Illerberg/ Thal dann zu einem Ortsteil von Vöhringen. Man sah die Notwendigkeit zwar ein, aber die Bergemer führten ihr eigenes Dorfleben weiter. Doch dann kam die Pfarreiengemeinschaft: Viele wussten, dass dies aufgrund des Priestermangels unausweichlich war. Und dennoch – die Umgewöhnung fiel nicht leicht. Jetzt war man nicht mehr so selbstständig – dafür war ein Miteinander gefragt.
Der Kirchenpfleger Martin Lieble und die stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Angelika Böck, stehen beispielgebend für viele andere Menschen in anderen Pfarreien, die sich für die Gemeinschaft einsetzen. Beide sagen, dass man Kompromisse eingehen müsse, aber auch neue Perspektiven entdecken könne.
Lieble wollte die Herausforderung der Pfarreiengemeinschaft annehmen und „unsere Kirche aus Stein wieder in neuem Licht erstrahlen lassen“. Das ist wörtlich zu nehmen: Die Illerberger Pfarrkirche befindet sich in einem Renovierungsund Sanierungsprozess. Lieble gesteht: „Ich bin gern Mitglied dieser Kirche mit all ihrem Segen, aber auch mit ihren Schwächen, an denen ich manchmal verzweifele.“Im Prinzip sieht Lieble Pfarreiengemeinschaften kritisch und empfindet sie fast als „Zumutung“. Er sieht eine zunehmende Anonymisierung in der Gesellschaft, die durch die Kirche gefördert werde, anstatt entgegenzuwirken. Lieble spricht Klartext: „Außerdem besteht die Gefahr, dass die noch verbliebenen Priester verheizt werden.“Er wünsche sich „mutige Schritte“, etwa in der Zulassung zu den Weiheämtern. Es mache keinen Sinn, den Heiligen Geist um Berufungen zu bitten und gleichzeitig Frauen von diesen Ämtern auszuschließen.
Angelika Böck glaubt, dass ein Stück Leben in den einzelnen Pfarreien verloren geht. Als Beispiel nennt sie den Gründonnerstag. „Die Liturgie können wir jetzt nur noch in einer Kirche feiern.“Manche wollten das nicht und blieben weg. Aber es gebe auch positive Aspekte. „Wir haben in Illerberg einmal im Monat Exerzitien, die haben eine Ausstrahlungskraft bis weit über die Grenzen von Vöhringen hinaus.“Zudem gebe es durch die Pfarreiengemeinschaft eine Vielfalt, weil es immer andere Priester sind, die die Messe feiern. Für Böck sind die verschiedenen theologischen Sichtweisen interessant. Veränderungen eröffneten eben auch Chancen.
Das Patronatsrecht