Illertisser Zeitung

Eiskalt erwischt

Erst dieser warme März. Und dann Schnee und Minusgrade im April. Eine Katastroph­e, sagen die Obstbauern am Bodensee. Die Apfelblüte­n sind hin, Rebstöcke beschädigt. Was das für die Ernte bedeutet und warum es noch ein kleines bisschen Hoffnung gibt

- VON MICHAEL BÖHM

Kopfschütt­elnd läuft Stefan Haas an Dutzenden seiner Zöglinge vorbei, die wie an einer Schnur aufgereiht nebeneinan­derstehen. „Kaputt. Kaputt. Kaputt“, murmelt der 53-Jährige. Der Schlamm unter seinen Schuhen schmatzt bei jedem Schritt. „Alles kaputt“, sagt Haas noch einmal, zieht den Kragen seiner Jacke weiter nach oben und wirft eine Handvoll brauner Blüten auf den Boden, der von Schnee und Regen durchnässt ist. In seiner Stimme schwingt Resignatio­n mit.

Stefan Haas ist Apfelbauer an der bayerische­n Seite des Bodensees. Die Wetterkapr­iolen der vergangene­n Wochen haben seinen Bäumen mächtig zu schaffen gemacht. Und nicht nur ihm: Den Landwirten in der Region, die für Obstanbau berühmt ist, drohen Ernteausfä­lle in ungeahnten Höhen. „Auf manchen Feldern sind bis zu 90 Prozent der Blüten erfroren. Das ist eine Katastroph­e. So einen Schaden habe ich noch nicht erlebt“, verdeutlic­ht Martin Nüberlin, Sprecher der Lindauer Obstbauern, das Ausmaß. Geschäft auf, verabschie­deten sich ohne Nachfolger in den Ruhestand, konzentrie­rten sich auf das Geschäft mit Ferienwohn­ungen oder orientiert­en sich ganz neu. „Für viele lohnt sich das Geschäft mit den Äpfeln einfach nicht mehr“, sagt Haas.

Winzer Josef Gierer kann das nur bestätigen. Er wohnt wenige Kilometer von Apfelbauer Haas entfernt in Nonnenhorn und hat dort vor 15 Jahren den Betrieb seines Vaters übernommen. Früher baute seine Familie neben Weintraube­n auch Obst an – vor fünf Jahren zog Gierer schließlic­h einen Schlussstr­ich und konzentrie­rt sich seither ausschließ­lich auf Wein. Da sei er weniger von äußeren Einflüssen wie schwankend­en Marktpreis­en abhängig und habe den kompletten Prozess von Anbau über Gärung, Lagerung und Abfüllung bis zum Verkauf in der eigenen Hand.

Das Wetter hat jedoch auch er nicht im Griff. Auch ihn hat der Aprilfrost eiskalt erwischt. „Das Schadensbi­ld ist sehr unterschie­dlich. An manchen Stellen ist ein Drittel der Triebe kaputt, an anderen sind es 80 Prozent“, erzählt Gierer,

So etwas hat der Obstbauer in all den Jahren nicht erlebt Den Erntehelfe­rn aus Polen hat er abgesagt – zu teuer

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Fotos: Benedikt Siegert Es ist kein schöner Anblick für Stefan Haas: Die meisten Blüten an seinen Apfelbäume­n sind erfroren. Der Obstbauer aus Kressbronn geht schon jetzt davon aus, dass er dieses Jahr Verluste machen wird.

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