Ein Offizier und Fremdenfeind
Ein deutscher Soldat führt ein bizarres Doppelleben. Er registriert sich als syrischer Flüchtling und platziert eine Pistole auf einem Flughafenklo. Was hatte der Mann vor?
Als der Soldat in die Erstaufnahmeeinrichtung im mittelfränkischen Zirndorf spaziert, legt er seine Identität ab. Aus dem Oberleutnant aus dem hessischen Offenbach wird ein Obstverkäufer aus Damaskus. Er stellt unter falschem Namen einen Antrag auf Asyl. Er ist deutsch, spricht kein Wort Arabisch. Die Behörden schöpfen trotzdem keinen Verdacht. Sie nehmen seine Fingerabdrücke. Sein Asylantrag wird akzeptiert.
Der vermeintliche Obstverkäufer ist fortan als Asylbewerber registriert. „Eine Art Doppelleben“, sagt die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Nadja Niesen, selbst völlig verblüfft. Das Verwirrspiel wird mit der Festnahme des Mannes im unterfränkischen Hammelburg beendet. Dort ließ sich der Soldat gerade zum Einzelkämpfer ausbilden. Der 28-Jährige hat offenbar dunkle Pläne.
Eigentlich leistet er seinen Dienst im Jägerbataillon 291 einer deutschfranzösischen Einheit in Illkirch im Elsass. Doch er ist von Fremdenhass getrieben, vermuten die Ermittler. Der Oberleutnant soll gemeinsam mit einem 24-jährigen Komplizen einen Anschlag geplant haben, eine „schwere staatsgefährdende Straftat“. Wollte er als falscher Flüchtling eine furchtbare Gewalttat begehen und sie Asylbewerbern in die Schuhe schieben?
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wirft dem Oberleutnant die Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, einen Verstoß gegen das Waffengesetz und Betrug vor, sagte Sprecherin Niesen. Am Mittwochmittag griff die Polizei im Ausbildungszentrum der Infanterie in Hammelburg zu. Es seien auch Räumlichkeiten in der Kaserne durchsucht worden, um Hinweise auf mögliche Straftaten zu finden. Die Bundeswehr vor Ort wollte sich zu Details nicht äußern.
Laut Staatsanwaltschaft hat der Beschuldigte sich zuerst am 30. Dezember 2015 in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen als syrischer Flüchtling ausgegeben und später im fränkischen Zirndorf (Landkreis Fürth) einen Asylantrag gestellt. Daraufhin habe er einen Platz in einer Asylunterkunft erhalten und – neben seinem Sold – monatliche finanzielle Leistungen bezogen. Verdacht schöpfte offenbar niemand.
Den Sicherheitsbehörden fiel der 28-Jährige erstmals vor drei Monaten in Wien auf. Auf einer Toilette am Flughafen Schwechat habe er Ende Januar in einem Putzschacht eine geladene Pistole, Kaliber 7,65 Millimeter, versteckt. Als er die Waffe am 3. Februar dort abholen wollte, hatten ihn österreichische Polizisten vorläufig festgenommen. Für die Waffe besaß der Soldat keine Erlaubnis, sie stammt dem Vernehmen nach nicht von der Bundeswehr. Der Mann kam wieder frei. Die Ermittler ließen ihn aber nicht mehr aus den Augen.
Die folgenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des BKA führten nun zu der Festnahme. Demnach ergaben sich im Zuge der Auswertung von Handydaten Anhaltspunkte für einen „fremdenfeindlichen Hintergrund des Soldaten“. Was der Beschuldigte konkret äußerte, wollte Oberstaatsanwältin Niesen aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Sprach- und Textnachrichten hätten jedenfalls den Verdacht nahegelegt, dass der 28-Jährige „eine schwere staatsgefährdende Straftat im Sinne eines Anschlags“vorhatte. Wie konkret der hätte aussehen können, sagte die Sprecherin nicht.
In die mutmaßlichen Anschlagsplanungen soll ein 24-jähriger Student einbezogen gewesen sein. Er wurde ebenfalls festgenommen. Auch bei ihm ergaben sich für die Ermittler Hinweise auf Fremdenfeindlichkeit. In seiner Bleibe im mittelhessischen Friedberg fanden sie Leuchtraketen und andere Gegenstände, die unter das Sprengstoff-, das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen.
Steckt ein rechtsextremes Netzwerk dahinter? Bundeswehr und Ermittlungsbehörden geben sich bislang bedeckt. Neben der Staatsanwaltschaft arbeiten das Bundeskriminalamt und der Militärische Abschirmdienst an dem Fall. Heute soll er nach Informationen der
Thema im Parlamentarischen Kontrollgremium sein.
Noch sind längst nicht alle Details bekannt, doch schon jetzt ist offenkundig: Der Fall des Bundeswehrsoldaten, der sich als Syrer ausgegeben und einen Anschlag geplant haben soll, ist ein weiteres eklatantes Beispiel dafür, wie überfordert und hilflos deutsche Behörden im Umgang mit der Ankunft tausender Flüchtlinge waren und es möglicherweise immer noch sind.
Der Attentäter von Berlin hatte bundesweit unter 14 verschiedenen Identitäten Asyl beantragt. Der tunesische Vergewaltiger von Mering hatte sich ebenfalls mit falschen Personalien registrieren lassen. Und nun zeigt sich, dass es selbst einem deutschen Staatsangestellten ohne jegliche Arabischkenntnisse gelungen ist, sich vor den Behörden erfolgreich als syrischer Asylbewerber auszugeben. Wie kann das sein? Möglicherweise war es ein Versehen, der Fehler eines Einzelnen im zuständigen Amt. Es wäre kein Wunder – und die logische Konsequenz aus überlasteten und personell zu schlecht ausgestatteten Behörden sowie einem undurchsichtigen und bürokratischen Asylsystem, das vor Lücken offenbar nur so strotzt.
Er machte eine Ausbildung zum Einzelkämpfer