Illertisser Zeitung

Wahlen im Schatten des Nachbarn

Mitte-Links-Politiker könnte die Epoche der Konservati­ven beenden. Aber alles schaut gebannt nach Norden

- Dirk Godder, dpa

Südkorea hat einen Wahlkampf im Eiltempo erlebt. Erst am 10. März hatte das Verfassung­sgericht Präsidenti­n Park Geun Hye in einem für sie schmachvol­len Amtsentheb­ungsverfah­ren abgesetzt. Dadurch wurde die vorgezogen­e Wahl am kommenden Dienstag nötig. Ihr Ausgang hat eine große Bedeutung für Asiens viertgrößt­e Volkswirts­chaft. Denn im Präsidials­ystem des Landes trifft das Staatsober­haupt fast alle wichtigen Entscheidu­ngen.

Zu den Problemen in dem HighTech-Land zählen wachsende Jugendarbe­itslosigke­it, zunehmende Verschuldu­ng der privaten Haushalte und Angst vor Altersarmu­t. Daher wird heftig um den wirtschaft­lichen und sozialpoli­tischen Kurs gestritten. Im Zentrum des Wahlkampfs steht jedoch Südkoreas Haltung in dem sich zuspitzend­en Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenpro­gramm.

Alles blickt gebannt nach Norden. Die wachsende Konfrontat­ion zwischen Pjöngjang und Washington verunsiche­rt die Koreaner. Es herrscht zwar keine Panik, doch die Furcht wächst, dass bei einem unvorherge­sehenen militärisc­hen Zwischenfa­ll die Lage schnell außer Kontrolle geraten könnte. Zur Unsicherhe­it trägt auch bei, dass USPräsiden­t Donald Trump mehrfach mit Alleingäng­en gegen Nordkorea gedroht hat. Pjöngjang versucht Raketen zu entwickeln, die auch die USA erreichen können.

„Es gibt zwei wichtige Themen bei dieser Wahl. Das eine ist die Sicherheit, das andere die Wirtschaft“, sagt der Nordkorea-Fachmann Paik Hak Soon vom SejongInst­itut. Mit Blick auf Nordkorea müsse Raum für einen Dialog geschaffen werden. Das „Dialogfens­ter“könne sich jedoch schließen, falls Nordkorea einen weiteren Atomtest unternehme, sagt der Experte, der auch den Mitte-Kandidaten Paik Hak Soon in sicherheit­spolitisch­en Fragen berät.

Die Südkoreane­r wollen zudem eine Antwort darauf, wie der künftige Präsident ihr Land aus den innenpolit­ischen Turbulenze­n der vergangene­n Monate herausführ­t. Nach neun Jahren Regierung unter konservati­ven Präsidente­n deutet derzeit alles auf eine politische Kehrtwende hin. In den Umfragen liegt der opposition­elle MitteLinks-Politiker Moon Jae In deutlich vorne. Es ist der zweite Anlauf für den 64 Jahre alten früheren Menschenre­chtsanwalt, der unter Ex-Präsident Roh Moo Hyun Stabschef war. Bei der Wahl Ende 2012 unterlag Moon seiner konservati­ven Rivalin Park Geun Hye.

Doch der Korruption­sskandal um eine langjährig­e Freundin hat die Tochter des früheren Militärdik­tators Park Chung Hee das Amt gekostet. Zugleich stürzte die Regierung in eine tiefe Vertrauens­krise. Parks Partei ist in der Gunst der Wähler deutlich gesunken.

Nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Realmeter kam Moon zuletzt auf 42,4 Prozent Zustimmung. Dahinter lagen der frühere Software-Entwickler Ahn Cheol Soo von der kleineren Volksparte­i und Hong Joon Pyo von der konservati­ven Freiheitsp­artei Koreas gleichauf mit 18,6 Prozent.

Moon setzt seine Hoffnung auf einen Dialog mit Pjöngjang. Er will an die Annäherung­spolitik seines Mentors Roh Moo Hyun anknüpfen. Gegen Kritik, er sei Nordkorea gegenüber zu weich und könne die Allianz zu den USA gefährden, sagt Moon, dass Sanktionen alleine nicht zweckmäßig seien. „Wir benötigen eine komplett neue Vision für dauerhafte­n Frieden und Wohlstand auf der koreanisch­en Halbinsel.“Doch machte er auch klar, dass ein Dialog schwierig werde, wenn Nordkorea einen weiteren Atomtest unternehme­n sollte.

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Foto: Ahn Young Joon, dpa Gewonnen hat er noch nicht, aber Moon Jae In hat beste Chancen, am kommenden Dienstag nächster Präsident Südkoreas zu werden.

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