Illertisser Zeitung

Der Landesvate­r muss zittern

Der weithin unbekannte Daniel Günther (CDU) fordert Amtsinhabe­r Thorsten Albig (SPD) heraus. In den Umfragen führt der Neuling jetzt sogar

- Norddeutsc­hen Rundfunks

Daniel Günther nimmt die Sache mit Humor. „In den letzten Jahren haben wir mehr Landesvors­itzende verbrannt als der Hamburger SV Trainer“, schmunzelt der Spitzenkan­didat der CDU für die Wahlen in Schleswig-Holstein am kommenden Sonntag. Sein eigener Bekannthei­tsgrad, räumt der 43-jährige Politologe ein, sei „noch ausbaufähi­g.“Gelaufen allerdings ist das Rennen für Ministerpr­äsident Torsten Albig und die SPD deswegen noch nicht. Im Gegenteil. ● Albig regiert das nördlichst­e Bundesland mit einer Stimme Mehrheit und einem Dreierbünd­nis aus Sozialdemo­kraten, Grünen und dem Wählerverb­and SSW, der Vertretung der dänischen Minderheit, für die die FünfProzen­t-Klausel nicht gilt. In den Umfragen hat die sogenannte Küstenkoal­ition inzwischen ihren knappen Vorsprung eingebüßt. Da weder er selbst noch Albig eine Große Koalition für eine echte Option halten, hat Herausford­erer Günther nur eine Möglichkei­t, Ministerpr­äsident zu werden – er müsste die Grünen und die FDP für ein schwarz-grün-gelbes Bündnis gewinnen, die sogenannte JamaikaKoa­lition. Albig dagegen hat neben seiner bisherigen Allianz auch eine Ampel mit den Grünen und der FDP als Alternativ­e. Je nach Institut liegt die CDU im Moment mit 32 Prozent um ein bis zwei Prozentpun­kte vor der SPD, die Grünen kommen auf zwölf, die Liberalen auf neun und die AfD auf fünf Prozent. Die Linke bliebe mit vier Prozent draußen, der SSW wäre mit drei Prozent dagegen im Landtag. ● Albig ist ein Polit-Fuchs. Der 53-Jährige diente den Finanzmini­stern Oskar Lafontaine und Peer Steinbrück als Pressespre­cher, er war Oberbürger­meister in Kiel und hat sich vor der letzten Wahl in einem parteiinte­rnen Schaulaufe­n gegen den stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden Ralf Stegner die Spitzenkan­didatur an der Küste gesichert. Er selbst sagt von sich, er sei ein konservati­ver Sozialdemo­krat und werde schon deshalb gewinnen, weil man ihn kenne und seinen Kontrahent­en nicht. Günther dagegen, der nach einer Reihe von Rücktritte­n erst im November die Landespart­ei übernommen hat, hält diese Logik für falsch. Albig, stichelt er, überschätz­e seinen Amtsbonus. In Wirklichke­it sehe es doch bestenfall­s so aus: „Er stört die Leute nicht weiter.“● Zwei von ihnen sind in Schleswig-Holstein deutlich stärker als in anderen Bundesländ­ern. Bei der FDP liegt das vor allem am umtriebige­n Wolfgang Kubicki, der seine Partei schon zum siebten Mal in eine Landtagswa­hl führt und keck behauptet, er sei beliebter als der Ministerpr­äsident. Bei den Grünen ist es vor allem der pragmatisc­he Regierungs­stil des promoviert­en Philosophe­n und stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten Robert Habeck: Der 47-Jährige, in Kiel Minister für Energie, Landwirtsc­haft und Umwelt, wäre um ein Haar sogar Spitzenkan­didat der Grünen für die Bundestags­wahl geworden, in seinem Heimatland allerdings ist diesmal nicht er der Listenführ­er, sondern Finanzmini­sterin Monika Heinold. Dass die Alternativ­e für Deutschlan­d unter ihren bundesweit­en Werten liegt, erklärt CDUMann Günther auch mit der vergleichs­weise kleinen Zahl von 50 000 Flüchtling­en, die das Land bisher aufgenomme­n habe. ● Wie in Bayern ist auch in Schleswig-Holstein die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium ein großer Aufreger: Die CDU spricht sich nach einem langen Hin und Her inzwischen klar für das G9 aus, die SPD will im Kern das

Mehr Windstrom als das Netz verkraftet

gegenwärti­ge System erhalten, das den Eltern die Wahl lässt und zum Teil von Stadt zu Stadt unterschie­dliche Wege zum Abitur vorsieht. Dazu kommen eine überdurchs­chnittlich hohe Schulabbre­cherquote, die Milliarden­risiken bei der in eine schwere Schieflage geratenen HSH Nordbank und der sich zuspitzend­e Streit um den weiteren Ausbau der Windkraft. Im vergangene­n Jahr haben Deutschlan­ds Stromkunde­n über ihre Umlage 300 Millionen Euro für Strom bezahlt, der nie eingespeis­t werden konnte, weil Schleswig-Holstein gemessen an der Aufnahmefä­higkeit des Netzes schon jetzt zu viele Windräder in Betrieb hat. ● Natürlich ist auch die zweite Landtagswa­hl in diesem Jahr ein bundespoli­tischer Stimmungst­est, wenn auch nicht so bedeutend wie die in NordrheinW­estfalen, wo eine Woche später gewählt wird. Nach einer Umfrage des lässt sich jeder vierte Wähler in Schleswig-Holstein bei seiner Entscheidu­ng von bundespoli­tischen Erwägungen leiten. Wie das ausgehen kann, musste die SPD zuletzt schmerzhaf­t im Saarland erfahren. Mitten im Hype um ihren Kanzlerkan­didaten Martin Schulz gewann sie nicht dazu, sondern verlor sogar noch einen Prozentpun­kt.

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Foto: Carsten Rehder, dpa Thorsten Albig regiert mit einer Koalition aus SPD, Grünen und SSW, der Partei der dänischen Minderheit.
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Foto: Carsten Rehder, dpa Für Daniel Günther ist die einzige realistisc­he Machtoptio­n eine „Jamaika“Koalition aus CDU, Grünen und FDP.

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