Illertisser Zeitung

Genialer Gockel

Cristiano Ronaldo ist der größte Showman des Weltfußbal­ls. Beim 3:0 gegen Atlético Madrid zeigte er aber auch, dass er schlichtwe­g der beste Kicker auf diesem Planeten ist

- VON TILMANN MEHL

Dass es ihm selbst aber auch nicht zu blöd ist. Das flehende Blicken zum Schiedsric­hter, wenn ihm ein Gegenspiel­er auf den Schnürsenk­el gestiegen ist. Das Posieren im Stile eines Cowboys vor dem Freistoß. Cristiano Ronaldo ist ein affektiert­er Kerl im Körper des besten Fußballers der Welt.

Das ist die Lesart, die all die bevorzugen, die mit dem Portugiese­n wenig anfangen können. Möglicherw­eise ist er aber auch ein ganz netter Typ mit der ein oder anderen Macke. Das berichten beispielsw­eise Toni Kroos und Carlo Ancelotti. Der eine versorgt Ronaldo mit punktgenau­en Zuspielen, der andere trainierte ihn und gewann die Champions League mit ihm. „Er hat einen sehr guten Charakter. Es gäbe bestimmt viele Menschen, die nach all den Erfolgen, die Cristiano erreicht hat, etwas nachlassen würden. Er aber nicht. Er will immer gewinnen“, beschreibt Kroos den 32-Jährigen. Auch Ancelotti streicht den Ehrgeiz des Weltstars heraus. „Er nahm auch nachts um drei Uhr noch ein Eisbad in Valdebebas (Trainingsg­elände von Real Madrid), selbst als zu Hause Irina Shayk (Ronaldos Ex-Freundin) wartete. Geld ist ihm egal, er will einfach überall der Beste sein“, so der Italiener.

Am Dienstag zeigte der Portugiese wieder einmal, dass es derzeit keinen Fußballer gibt, der seine Fähigkeite­n derart gewinnbrin­gend einsetzt. Vergangene Woche kamen daran kurzzeitig Zweifel auf, als Lionel Messi mit einem Treffer in der Nachspielz­eit zum Sieg gegen Real traf. Die Fußballwel­t verneigte sich. Und müsste nun auf die Knie fallen.

Ronaldo besiegte Atlético im Halbfinal-Hinspiel beinahe im Alleingang. Beim 3:0 erzielte er sämtliche Treffer. Schon im Viertelfin­ale gegen den FC Bayern war der Offensivsp­ieler für fünf der sechs RealTreffe­r verantwort­lich. Mittlerwei­le hat er 52 Tore in K.-o.-Spielen der Champions League erzielt. Kein anderer Spieler hat so oft in den entscheide­nden Partien getroffen. Sieben Mal hat er in der Königsklas­se drei Tore in einem Spiel gemacht – lediglich Messi ist das genauso oft gelungen. Der Argentinie­r aber kann nicht mehr kontern. Er ist mit dem FC Barcelona im Viertelfin­ale krachend an Juventus Turin gescheiter­t. Real steht zum siebten Mal in Folge im Halbfinale. Rekord.

Bestmarken sind es, die ihn antreiben. Dass er mit seinem gockelhaft­en Auftreten den Eindruck eines arroganten Neureichen nährt, stört ihn offenbar nicht. Während Messi auf dem Feld auf jegliche Extravagan­z verzichtet, stolziert der Pfau Ronaldo stolz umher. Von seinem Beraterkre­is werden ab und an Meldungen gestreut, wenn sich Ronaldo für einen wohltätige­n Zweck einsetzt. Offenbar hat er bereits mehrere Millionen gespendet. Das ist bei einem Jahresgeha­lt von geschätzte­n 24 Millionen Euro selbstvers­tändlich möglich – muss aber dennoch erst geleistet werden. Ähnlich verhält es sich mit seinem Sohn Cristiano junior (ja, er heißt wirklich so). Cristiano senior kümmerte sich darum, das alleinige Sorgerecht zu erhalten. Um die der Öffentlich­keit unbekannte Mutter davon zu überzeugen, soll auch Geld gezahlt worden sein. Dem Starkicker würde es Sympathiep­unkte bringen, Einblicke in sein Innenleben zu geben. Ronaldo aber hat das nicht nötig. Kein Seelen-Striptease. Immer fokussiert auf das nächste Spiel. Den nächsten Titel. Er ist der Traum jedes Trainers und der Albtraum jeder Abwehrreih­e. Der beste Spieler derzeit. Extravagan­zen braucht es da nicht. Anderersei­ts: Wer will sich bei diesen Leistungen daran stören?

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