Welche Wehr im Ernstfall ausrückt
Weil nicht die nächstgelegene Feuerwehr am Einsatzort erschien, sorgt sich ein Bürger, dass Hilfe zu spät kommen könnte
Manchmal kommen einem Sekunden vor wie Minuten und Minuten wie Stunden. Vor allem wenn ein Unfall passiert ist und die Rettungskräfte auf sich warten lassen. So ging es auch einem Autofahrer, der vor ein paar Wochen auf der A7 unterwegs war: Ein Auto lag auf Höhe Illertissen komplett verbeult im Graben, Menschen waren verletzt – „Ich habe angehalten und gefragt, ob die Feuerwehr bereits verständigt sei. Mir wurde zugerufen: „Ja, seit einer Ewigkeit“. Nach einer weiteren „gefühlten Ewigkeit“sei dann die Feuerwehr Weißenhorn gekommen, teilt der Leser unserer Zeitung mit. Er wendet sich in einem Schreiben an uns, denn der Vorfall hat ihn offenbar weiterhin beschäftigt: Warum kommt die Weißenhorner Feuerwehr, wenn andere doch näher dran wären? Der Bürger geht nun davon aus, dahinter stecke ein perfider Plan der Kommandanten, lukrative Einsätze abzukassieren.
Er belegt das mit einem Verweis aufs Gesetzbuch. Demnach erhalten Kommandanten je nach Anzahl der Fahrzeuge, die in den Garagen der Feuerwehrhäuser stehen, eine Aufwandsentschädigung. Der Schreiber schließt daraus, dass auch die Anzahl der Einsätze mehr Geld bringen würden. Kreisbrandrat Bernhard Schmidt, der den anonymen Brief ebenfalls erhalten hat, ist irritiert, welche Schlussfolgerungen der Bürger zieht. „Die Anmerkungen sind teilweise falsch“, sagt Schmidt. Zwar stimme es, dass Kommandanten nach der Zahl der Fahrzeuge ihrer Wehr bezahlt würden, jedoch nicht nach der Anzahl der Einsätze. „Jede Kommune – als Träger der Feuerwehren – hat einen Kostensatz erlassen, der nicht gewinnorientiert ist“, sagt Schmidt. „Der Gesetzgeber wollte jedoch honorieren, dass ein ehrenamtlicher Kommandant eine Aufwandsentschädigung erhält – je mehr Ausrüstung, desto mehr Aufwand.“
Und auch die Alarmierung der Feuerwehr erfolge nicht willkürlich oder mit tückischem Hintergedanken, wie es der anonyme Schreiber vermutete. Dieser hat sich sogar an das bayerische Innenministerium gewandt und da die Antwort erhalten, dass „die am schnellsten verfügbare und damit die Feuerwehr mit dem kürzesten Anfahrtsweg alarmiert werden muss“. Seiner Ansicht nach gebe es daher vier andere Feuerwehren außer der Weißenhorner, die ausrücken hätten müssen.
Auch hier legt der Kreisbrandrat ein Veto ein: Denn das Gesetz – die Alarmierungsbekanntmachung – besage, dass das schnellstverfügbare und geeignetste Einsatzmittel ausrücken muss. „Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass das geeignetste auch das naheliegendste ist.“Er erklärt hierfür den Weg vom Notruf bis zur Feuerwehr am Einsatzort, der es in sich hat: Wählt ein Bürger die 112 landet er bei der Leistelle Donau-Iller. Dort nimmt ein Mitarbeiter den Einsatz auf. Aus 255 Stichwörtern werden Klassen gebildet, in diese wird der gemeldete Unfall eingestuft – je nachdem was der Anrufer nennt. Teilt dieser mit, dass vier Fahrzeuge beteiligt sind, ein Wagen raucht oder Personen eingeklemmt sind, werde entsprechende kategorisiert, sagt Schmidt. Eine weitere Rolle spielt die geografische Information – also wo sich der Unfall ereignet hat. Der Computer erkenne dann, auf welcher Gemarkung sich die Beteiligten befinden und welche Feuerwehr in der Nähe sei. „Mit zunehmender Entfernung werden die Dienststellen aufgelistet“, erklärt Schmidt. Nun erfolge innerhalb von Sekundenbruchteilen die „Einsatzmittelkette“. Der Computer erkennt anhand der Kategorisierung des Unfalls, welche Ausrüstung benötigt wird und welche Feuerwehr diese zur Verfügung stellen kann. Die „Alarmierungsplanung“rechne dann mit ein, zu welcher Tageszeit wie viele Feuerwehrler da wären.
„Nach etwa zehn Minuten muss dann jemand am Unfallort sein – das ist die sogenannte Hilfeleistungsfrist“, sagt Schmidt. Zwei Minuten brauche in etwa der Mitarbeiter der Leitstelle, den Unfall einzuordnen und die Wehren zu alarmieren. Bis diese am Feuerwehrhaus sind und sich angezogen haben, vergehen in etwa drei bis fünf Minuten, so Schmidt. Ebenso lange dauere es, bis die Fahrzeuge am Unfallort stehen.
Bei Einsätzen auf der Autobahn gelten etwas andere Regeln: „Dort dürfen nicht zu viele Fahrzeuge anrücken, sonst würden wir uns gegenseitig behindern“, sagt der Kreisbrandrat und verweist auf das Beispiel des anonymen Kritikers: „Lieber rückt dann ein großes Fahrzeug an mit der passenden Ausstattung, als mehrere kleine.“Daher sei Weißenhorn alarmiert worden.