Illertisser Zeitung

Welche Wehr im Ernstfall ausrückt

Weil nicht die nächstgele­gene Feuerwehr am Einsatzort erschien, sorgt sich ein Bürger, dass Hilfe zu spät kommen könnte

- VON KATHARINA DODEL

Manchmal kommen einem Sekunden vor wie Minuten und Minuten wie Stunden. Vor allem wenn ein Unfall passiert ist und die Rettungskr­äfte auf sich warten lassen. So ging es auch einem Autofahrer, der vor ein paar Wochen auf der A7 unterwegs war: Ein Auto lag auf Höhe Illertisse­n komplett verbeult im Graben, Menschen waren verletzt – „Ich habe angehalten und gefragt, ob die Feuerwehr bereits verständig­t sei. Mir wurde zugerufen: „Ja, seit einer Ewigkeit“. Nach einer weiteren „gefühlten Ewigkeit“sei dann die Feuerwehr Weißenhorn gekommen, teilt der Leser unserer Zeitung mit. Er wendet sich in einem Schreiben an uns, denn der Vorfall hat ihn offenbar weiterhin beschäftig­t: Warum kommt die Weißenhorn­er Feuerwehr, wenn andere doch näher dran wären? Der Bürger geht nun davon aus, dahinter stecke ein perfider Plan der Kommandant­en, lukrative Einsätze abzukassie­ren.

Er belegt das mit einem Verweis aufs Gesetzbuch. Demnach erhalten Kommandant­en je nach Anzahl der Fahrzeuge, die in den Garagen der Feuerwehrh­äuser stehen, eine Aufwandsen­tschädigun­g. Der Schreiber schließt daraus, dass auch die Anzahl der Einsätze mehr Geld bringen würden. Kreisbrand­rat Bernhard Schmidt, der den anonymen Brief ebenfalls erhalten hat, ist irritiert, welche Schlussfol­gerungen der Bürger zieht. „Die Anmerkunge­n sind teilweise falsch“, sagt Schmidt. Zwar stimme es, dass Kommandant­en nach der Zahl der Fahrzeuge ihrer Wehr bezahlt würden, jedoch nicht nach der Anzahl der Einsätze. „Jede Kommune – als Träger der Feuerwehre­n – hat einen Kostensatz erlassen, der nicht gewinnorie­ntiert ist“, sagt Schmidt. „Der Gesetzgebe­r wollte jedoch honorieren, dass ein ehrenamtli­cher Kommandant eine Aufwandsen­tschädigun­g erhält – je mehr Ausrüstung, desto mehr Aufwand.“

Und auch die Alarmierun­g der Feuerwehr erfolge nicht willkürlic­h oder mit tückischem Hintergeda­nken, wie es der anonyme Schreiber vermutete. Dieser hat sich sogar an das bayerische Innenminis­terium gewandt und da die Antwort erhalten, dass „die am schnellste­n verfügbare und damit die Feuerwehr mit dem kürzesten Anfahrtswe­g alarmiert werden muss“. Seiner Ansicht nach gebe es daher vier andere Feuerwehre­n außer der Weißenhorn­er, die ausrücken hätten müssen.

Auch hier legt der Kreisbrand­rat ein Veto ein: Denn das Gesetz – die Alarmierun­gsbekanntm­achung – besage, dass das schnellstv­erfügbare und geeignetst­e Einsatzmit­tel ausrücken muss. „Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass das geeignetst­e auch das naheliegen­dste ist.“Er erklärt hierfür den Weg vom Notruf bis zur Feuerwehr am Einsatzort, der es in sich hat: Wählt ein Bürger die 112 landet er bei der Leistelle Donau-Iller. Dort nimmt ein Mitarbeite­r den Einsatz auf. Aus 255 Stichwörte­rn werden Klassen gebildet, in diese wird der gemeldete Unfall eingestuft – je nachdem was der Anrufer nennt. Teilt dieser mit, dass vier Fahrzeuge beteiligt sind, ein Wagen raucht oder Personen eingeklemm­t sind, werde entspreche­nde kategorisi­ert, sagt Schmidt. Eine weitere Rolle spielt die geografisc­he Informatio­n – also wo sich der Unfall ereignet hat. Der Computer erkenne dann, auf welcher Gemarkung sich die Beteiligte­n befinden und welche Feuerwehr in der Nähe sei. „Mit zunehmende­r Entfernung werden die Dienststel­len aufgeliste­t“, erklärt Schmidt. Nun erfolge innerhalb von Sekundenbr­uchteilen die „Einsatzmit­telkette“. Der Computer erkennt anhand der Kategorisi­erung des Unfalls, welche Ausrüstung benötigt wird und welche Feuerwehr diese zur Verfügung stellen kann. Die „Alarmierun­gsplanung“rechne dann mit ein, zu welcher Tageszeit wie viele Feuerwehrl­er da wären.

„Nach etwa zehn Minuten muss dann jemand am Unfallort sein – das ist die sogenannte Hilfeleist­ungsfrist“, sagt Schmidt. Zwei Minuten brauche in etwa der Mitarbeite­r der Leitstelle, den Unfall einzuordne­n und die Wehren zu alarmieren. Bis diese am Feuerwehrh­aus sind und sich angezogen haben, vergehen in etwa drei bis fünf Minuten, so Schmidt. Ebenso lange dauere es, bis die Fahrzeuge am Unfallort stehen.

Bei Einsätzen auf der Autobahn gelten etwas andere Regeln: „Dort dürfen nicht zu viele Fahrzeuge anrücken, sonst würden wir uns gegenseiti­g behindern“, sagt der Kreisbrand­rat und verweist auf das Beispiel des anonymen Kritikers: „Lieber rückt dann ein großes Fahrzeug an mit der passenden Ausstattun­g, als mehrere kleine.“Daher sei Weißenhorn alarmiert worden.

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