Ein TV Duell wie ein Wrestling Kampf
Macron geht gestärkt aus der Debatte mit Le Pen hervor. Doch es überwiegt die Erschütterung über das Niveau
Man kannte Marine Le Pen schon als aggressive Wahlkämpferin, die ihre Gegner mit Verachtung zu überziehen pflegt und ein ähnliches Verhältnis zur Wahrheit hat wie US-Präsident Donald Trump – den sie bewundert. Doch was sich am Mittwochabend vor 16,5 Millionen Fernsehzuschauern abspielte, zeigte, in welche Untiefen dadurch das Niveau der politischen Diskussion in Frankreich gesunken ist. Das TV-Duell zwischen ihr und ihrem Rivalen bei der französischen Präsidentschaftswahl, Emmanuel Macron, geriet zu einem chaotischen Austausch von Gehässigkeiten.
„Ihre Argumente sind doppelt so alt wie Sie“, griff die Rechtspopulistin Macron persönlich an, den sie wahlweise als „Schätzchen des Systems und der Eliten“, „eiskalten Geschäftsbanker“und „Kandidaten der ungezügelten Globalisierung“, der sich Deutschland unterwerfe, bezeichnete. „Frankreich wird so oder so von einer Frau gelenkt werden: von mir oder Frau Merkel“, so Le Pen. Systematisch machte sie den 39-Jährigen für das Handeln der sozialistischen Regierung verantwortlich, der er zwei Jahre als Wirtschaftsminister angehörte, und brachte dabei, hektisch in ihren Akten blätternd, den Verkauf zweier Unternehmen durcheinander. „Sprechen wir jetzt von SFR oder von Alstom?“, erwiderte er. „Die einen machen Telefone, die anderen Turbinen. Sie verwechseln die beiden Dossiers, das ist traurig für Sie, weil es zeigt, wie unvorbereitet Sie sind.“Zwar konterte Macron zumeist schlagfertig, ließ sich aber auch provozieren.
Wortreich ging er auf Le Pens Angriffe ein, anstatt gelassen über ihren pauschalen Anschuldigungen zu stehen. Sie gebe permanent „Dummheiten“und „Lügen“von sich, klagte er, spiele „auf abstoßende Weise“mit den Ängsten und der Wut der Menschen, stehe für Spaltung statt Einheit: „Madame Le Pen, Frankreich verdient Besseres.“Die beiden Journalisten, die die Debatte eigentlich moderieren sollten, zeigten sich völlig überfordert.
Der unabhängige Kandidat versuchte, seine Pläne von der Förderung von Schülern in sozialen Brennpunkten bis zum Umbau der Arbeitslosenversicherung zu erläutern; Le Pen hingegen vermochte ihre zuletzt widersprüchlichen Aussagen über den Zeitplan eines möglichen Ausstiegs aus der Eurozone oder einer Rückkehr zur Rente mit 60 im Falle ihrer Wahl nicht zu erklären. Etwa zwei Drittel der Zuschauer hielten Macron nach der Debatte für den überzeugenderen Kandidaten.
Man müsse mit dem Front National debattieren, „auch wenn man sich ein wenig beschmutzt“, sagte Macron hinterher. Er habe oft an Jacques Chirac gedacht: Der konservative Ex-Präsident hatte 2002, als er neben Marine Le Pens Vater Jean-Marie in die Stichwahl einzog, ein Rededuell mit dem Rechtsextremen verweigert. Seiner Tochter wird nachgesagt, den Front National aus der extrem rechten Ecke geholt zu haben. Doch nun zeigte ihr Auftritt, dass Marine Le Pen vom selben Hass auf die Eliten und die Minderheiten des Landes angetrieben wird wie ihr Vater. Wie er lehnte sie die Verantwortung an der Kollaboration mit den Nazis durch das Vichy-Regime ab: „Frankreich war in London“, sagte sie, also in der Résistance.
Nach den Universitätspräsidenten riefen am Tag nach der Sendung Vertreter der protestantischen, der muslimischen und der jüdischen Glaubensgemeinden zur Wahl Macrons auf.