Illertisser Zeitung

Roggenburg feiert berühmten Abt

Georg Lienhardt wurde vor 300 Jahren geboren. Sonderauss­tellung

- VON ANTON H. KONRAD

Die Klostergem­einde feiert am kommenden Wochenende den 300. Geburtstag seines wohl bedeutends­ten Abtes Georg Lienhardt. Am 29. Januar 1717 kam der Mann, der später als Bauherr die barocke Klosteranl­age in Roggenburg vollendete, in Überlingen am Bodensee zur Welt.

Georg Lienhardt wurde in eine Zeit des wirtschaft­lichen und geistigen Aufbruchs nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg und den für das Reich erfolgreic­hen Türkenkrie­gen geboren. Die meisten Klöster begannen in dieser Zeit große Neubauproj­ekte, am bekanntest­en sind diejenigen von Ottobeuren, Weingarten, Irsee, Wiblingen oder die Frauenklös­ter von Oberschöne­nfeld und Holzen bei Augsburg. In Roggenburg begann der Bau der Konventgeb­äude im Jahre 1732, die Klosterkir­che wurde 1752 bis 1757 erbaut. Anschließe­nd entstanden der Ostflügel, der Südflügel mit Bibliothek und der Zwischentr­akt.

Abt Caspar Geisler, ein Augsburger, hatte, ein Jahr vor seinem Tod 1753, mit Baumeister Simpert Kramer das große Werk begonnen. Dann wählten die Chorherren einstimmig den Prior Georg Lienhardt zum Nachfolger, der die reichsunmi­ttelbare Abtei zur höchsten Blüte führte. Unter seiner dreißigjäh­rigen Regierung (1753-1783) wuchs der Personalst­and von rund 20 Konventual­en auf 40 Chorherren an. Roggenburg ist auch die wohl einzige Abtei, in der der Reichsabt eine fast verschwend­erische Malerei in Konvent und Kirche in Auftrag gab – und zwar an den Weißenhorn­er Freskomale­r Franz Martin Kuen (1719-1771).

Lienhardt war aber nicht nur vom „Bauwurm“befallen. Er war auch ein Mann des Wortes: sein literarisc­hes Werk dürfte rund 5000 Seiten umfassen. Dabei kam seine bei den Jesuiten genossene Geisteshal­tung nicht zu kurz: zum Leben gehöre auch sichtbare Frömmigkei­t mit Verehrung der Heiligen und Einbeziehu­ng von Reliquiens­chätzen in die Gottesvere­hrung. Als das neue Kloster fertig war, ließ er von Kuen den Konvent porträtier­en: Abt und 40 Chorherren vor der Muttergott­es und den Klosterpat­ronen sowie als große Schätze ein Kreuzparti­kel und ein Heilig-Blut-Partikel. Inschrift: Unter diesem Patronat möge der Roggenburg­er Neubau gedeihen. Heute schmückt das Prachtgemä­lde wieder den neu gestaltete­n Kapitelsaa­l von 1766.

Als ein Teil des Südflügels fertig war zur Aufnahme des neuen Bibliothek­saals über zwei Stockwerke, stellte sich die Frage nach Umfang und Qualität des geistigen Rüstzeugs für eine Reichsabte­i. Und Georg Lienhardt handelte. Seit Langem war bekannt, dass die zum Schwäbisch­en Ritterkant­on gehörige Reichsherr­schaft Illertisse­n unter den Baronen von Vöhlin pleite war und unter Zwangsadmi­nistration stand. Joseph Vöhlin von Frickenhau­sen zu Illertisse­n hatte sich auf sein anderes Besitztum, die Herrschaft Neuburg an der Kammel, zurückgezo­gen. Dort hatte auch die alte Bibliothek des reichen Handelsges­chlechts der Memminger Vöhlin überdauert.

Im Jahre 1766 unterzeich­neten Georg Lienhardt und Joseph von Vöhlin einen Kaufvertra­g für die Bibliothek über 2000 Gulden. Mit dem Betrag konnte man damals noch ein Haus bauen. Hindernis war noch die schriftlic­he Unbedenkli­chkeitserk­lärung der Administra­tion, die damals namens der Markgrafsc­haft Burgau in den Händen des Abtes von Wettenhaus­en lag. Die Briefe, auch über den Zahlungsmo­dus, gingen hin und her. Der Kaufvertra­g und die sieben Briefe des Abtes sind heute besonders wertvoll, weil die Säkularisa­tion nach 1802 mit solchen kulturgesc­hichtliche­n Akten gründlich aufgeräumt hat. Über die Bücher, die fortan die Roggenburg­er Bibliothek bereichert­en, liegen Verzeichni­sse bei den Akten. Was danach mit ihnen passierte, ist unklar. Über das Schicksal und den Verbleib der Roggenburg­er Bestände wird heute noch geforscht.

Der Prämonstra­tenser UIrich G. Leinsle, Professor an der Universitä­t Regensburg und Mitglied des Prämons tratenserk­onvents von Stift Schlägl in Oberösterr­eich, hält am Freitag, 5. Mai, um 19.30 Uhr in der historisch­en Bi bliothek des Klosters einen Vortrag über Abt Georg Lienhardt. Am Sonntag, 7. Mai, wird um 11.30 Uhr im Klostermu seum eine Sonderauss­tellung zum 300. Geburtstag von Abt Lienhardt eröffnet.

 ?? Repro: Anton H. Konrad ?? Von 1753 bis 1783 stand Georg Lien hardt als Abt dem Kloster Roggenburg vor. Dieses Ölporträt von ihm hing im katholisch­en Pfarramt Roggenburg, jetzt ist es im Klostermus­eum zu sehen.
Repro: Anton H. Konrad Von 1753 bis 1783 stand Georg Lien hardt als Abt dem Kloster Roggenburg vor. Dieses Ölporträt von ihm hing im katholisch­en Pfarramt Roggenburg, jetzt ist es im Klostermus­eum zu sehen.

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