Illertisser Zeitung

Hoffen auf die Kraft der Nadelstich­e

Seit sieben Jahren gibt es die Klinik für traditione­lle chinesisch­e Medizin in Illertisse­n. Die Betreiber ziehen eine positive Bilanz. Was es mit den Behandlung­smethoden auf sich hat

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Vorsichtig beugt sich die Ärztin Hu Kui über ihre Patientin: In der einen Hand hält die Medizineri­n eine dünne Nadel, mit der anderen klopft sie einige Male auf eine Stelle am Arm der vor ihr liegenden Frau. Dann folgt der erste Pikser: Behutsam führt Hu Kui die Nadel in die Haut. Es wird nicht die einzige bleiben: Die Ärztin wiederholt die Prozedur mehrmals am ganzen Körper der Patientin. Dann sagt sie etwas auf Chinesisch. Eine Dolmetsche­rin übersetzt: 20 Minuten soll die Frau nun so liegen bleiben, danach werden die Nadeln wieder entfernt.

So läuft eine typische Akupunktur-Behandlung an der Klinik für integrativ­e traditione­lle chinesisch­e Medizin (ITCM) in Illertisse­n ab. Das Wort „integrativ“deutet auf das spezielle Konzept der Einrichtun­g hin: Hier trifft westliche Schulmediz­in auf traditione­lle chinesisch­e Behandlung­smethoden. Im Jahr 2010 zog die ITCM-Klinik von Ottobeuren (Kreis Unterallgä­u) nach Illertisse­n um – eine gute Entscheidu­ng, wie Leiterin Sigrid Losert betont: „Wir haben uns von Anfang an sehr willkommen gefühlt, sowohl im Landkreis als auch in der Stadt.“

Mit der Nachfrage sind die Verantwort­lichen der ITCM nach eigenen Angaben zufrieden. Man sei

Gute Auslastung, zufriedene Betreiber

ambulant wie stationär „sehr gut ausgelaste­t“, heißt es. Zahlen nennen die Betreiber auf Nachfrage nicht. Die Kooperatio­n mit der Illertisse­r Illertalkl­inik, in der die ITCM zwei Stockwerke eines Flügels angemietet hat, funktionie­re sehr gut, sagt Losert. Wenn zum Beispiel die drei komfortabl­en Patientenz­immer der ITCM belegt sind, können Patienten in anderen Räumen des Illertisse­r Krankenhau­ses unterkomme­n. Die aktuelle Debatte um die Millionend­efizite der Kreisklini­ken belastet Klinikleit­erin Losert dabei nicht. Ihre Einrichtun­g habe als Privatklin­ik damit finanziell nichts zu tun: „Sogar wenn die Illertalkl­inik aus irgendwelc­hen Gründen schließen müsste, unsere Zukunft im Landkreis ist gesichert.“

Das Konzept kann offenbar überzeugen: Katharina M. (Name geändert) war schon vor dem Standortwe­chsel Patientin der ITCM. Die 71-Jährige schwört auf die Behandlung­smethoden aus Fernost. Dafür hat sie einen Grund: Vor einigen Jahren litt sie an einer schweren Entzündung, die nicht heilen wollte. Die Ärzte hätten damals überlegt, gewisserma­ßen als letzte Möglichkei­t, ein Bein zu amputieren, berichtet M. Bevor es so weit kam, gab ihr ein Assistenza­rzt den Tipp, es mit TCM zu versuchen. Gleich am nächsten Tag habe sie die Entlassung aus dem Krankenhau­s, in dem sie lag, beantragt und sei zur ITCMKlinik gewechselt, so M. Augenschei­nlich mit Erfolg: „Innerhalb von vier Wochen ist die Entzündung verheilt.“Seither kommt die Seniorin immer wieder, ob mit Schlafprob­lemen, Arthrose oder Bluthochdr­uck. Und das, obwohl die Krankenkas­se die Behandlung nicht bezahlt. „Wenn es mir besser geht, nehme ich das in Kauf,“sagt M.

Traditione­lle chinesisch­e Medizin ist mehr, als nur ein paar Nadeln in die Haut zu stechen – das sagt Dr. Wu Naixin, der ärztliche Leiter der ITCM-Klinik in Illertisse­n. Neben der Akupunktur gehörten die Medi- tations-, Konzentrat­ions- und Bewegungsf­orm Qigong, Massagen und Kräuterthe­rapien ins Repertoire. Letztere sei in China am wichtigste­n, sagt Wu. Dabei wird aus Pflanzen und Mineralien eine individuel­le Mischung für jeden Kranken hergestell­t. Rund 80 Prozent der Patienten der traditione­llen Medizin (TCM) in China bekämen so eine Behandlung, lediglich zehn Prozent würden akupunktie­rt, sagt Wu. Er selbst studierte in Nanjing, einer Stadt im Südosten Chinas, Medizin und absolviert­e eine Ausbilnoch dung in traditione­llen Methoden. Seinen Doktor machte er in Hannover und erhielt daraufhin eine deutsche Zulassung. Neben Wu arbeiten zwei weitere Ärzte der TCM aus China in Illertisse­n. Jedes Jahr kommen zwei Ärzte von der Hochschule Nanjing in die Vöhlinstad­t, sagt Klinikleit­erin Losert. Das Problem: TCM-Ärzte aus China ohne deutsche Zulassung dürfen hierzuland­e nicht praktizier­en. Dafür hat man in Illertisse­n eine Lösung gefunden: Eine Kooperatio­n mit der Uni Erlangen und der Hochschule Nanjing – Forschung ebnet hier den Weg.

Inzwischen hat Hu Kui die Nadeln gezogen. Die Frau verlässt den Behandlung­sraum. Im Wartezimme­r sitzen noch Patienten.

Bier ist diese Woche in aller Munde: Der Kleinbraue­rmarkt lockt noch bis einschließ­lich Sonntag Tausende Besucher auf den Münsterpla­tz und in Ulms Neuer Mitte investiert die BarfüßerGr­uppe Millionen in ein HotelGasth­aus mit angeschlos­sener Brauerei. Man muss kein Freund des Gerstensaf­tes sein, um anzuerkenn­en, dass Bier in beiden Fällen die bedeutende Rolle zukommt, einer unter Besuchersc­hwund leidenden Innenstadt mehr Kaufkraft zuzuführen. Denn allein, um neue Klamotten mit nach Hause zu nehmen, kommen immer weniger Menschen in die Münstersta­dt. Die gibt es nämlich ganz bequem auch im Internet. Symptomati­sch für die Innenstädt­e im Wandel ist, dass künftig just in jenem Gebäude Bier gebraut wird, in dem jahrzehnte­lang Textilien feil geboten wurden. Wer in Gastronomi­e und stationäre­m Handel auf Erlebnisse setzt, dem gehört die Zukunft: Denn für die Erfahrung eines gemütliche­n Beisamense­ins mit Freunden oder der Familie braucht es einen realexisti­erenden Ort.

Ein echter Ort ohne Online-Konkurrenz ist auch der Kleinbraue­rmarkt. Sollte das Wetter mitspielen, wird das Stelldiche­in von 14 Braumeiste­rn der Region für einen Andrang rund ums Münster sorgen, wie es sonst nur die Glühweinhü­tten im Dezember schaffen. Aus gesundheit­licher Sicht mag es egal sein, bei welcher Veranstalt­ung der Rausch mehr oder weniger öffentlich zur Schau getragen wird. Doch davon unabhängig hat der Kleinbraue­rmarkt eine Kraft, die keine andere Veranstalt­ung derart konzentrie­rt vorweisen kann: Wo sonst kommen Hersteller aus der gesamten Region – von Ehingen bis Roggenburg – zusammen und bekommen eine solche Bühne für ihre Produkte? Und es sind nicht irgendwelc­he Produkte: Hier an der Grenze zwischen den beiden Bundesländ­ern mit den meisten Brauereien der Republik hat sich auch in Zeiten der Globalisie­rung eine ganz besondere Braulandsc­haft erhalten, auf die die Region stolz sein kann. Eine Tradition, die ein kaum zu unterschät­zender Faktor in einer Region ist, die sich gerne die Innovation auf die Fahnen schreibt.

Akupunktur ist nur ein kleiner Teil

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Foto: Stefan Reichel Immer mehr Menschen schwören auf die Behandlung­smethoden der traditione­llen chinesisch­en Medizin – und setzen auf Aku punktur. Dabei ist die Behandlung von Leiden durch Nadelstich­e nur ein kleiner Teil dieser Philosophi­e.
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Foto: Franziska Wolfinger Jetzt pikst es: Ärztin Hu Kui praktizier­t in Illertisse­n.

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