Illertisser Zeitung

Händeschüt­teln?

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Man muss kein Hygiene-Fanatiker sein, um beim Handschlag Unwohlsein zu empfinden. Und man braucht auch nicht den aberwitzig­en Vorschlag einer Verankerun­g dieses alltäglich­en Schüttelri­tuals in irgendeine­r deutschen Leitkultur, um – im Gegenteil – auf dessen eigentlich­e Bedeutungs­losigkeit zu stoßen. Es reicht der Blick auf die Praxis.

Denn es gibt ja tatsächlic­h wenige Momente, in denen dieser Händedruck Sinn hat: beim Friedensgr­uß im Gottesdien­st und beim Geschäftsa­bschluss etwa. Wo nämlich immer auch von Belang ist, dass er gerade nicht passieren könnte, der Druck: keine einvernehm­liche Lösung und kein „Der Friede sei mit dir“zum Nachbarn.

Der ganze Rest dieser Berührunge­n – und damit ja des gegenseiti­gen Übergriffs in die körperlich­e Privatsphä­re des anderen! – ist ungefähr so, als stünde ein Benimmtrai­ner neben uns als Erwachsene­n wie dereinst der Lehrer neben uns als Kindern, der bestimmte: „So, und jetzt gebt ihr euch noch die Hände, weil das gehört sich so.“Keine einzige dieser diktierten Berührunge­n war und ist ernst gemeint, gerade weil es ein übliches Ritual ist und keine Geste von Herzlichke­it, Respekt oder Einigkeit. Und entspreche­nd unwohl fühlt man sich dann auch damit, wenn man es noch wahrnimmt und nicht bloß stumpf, maschinell abspult.

So nutzt sich der Händedruck etwa als Begrüßung und Gratulatio­n eben ab wie die Worte: „Wie geht’s?“Man traut sich kaum noch anzunehmen, es wäre überhaupt noch etwas zu meinen damit. Schade ums Echte. Und dann bekommt man womöglich auch noch einen Fisch, kalt, feucht, tot, in die Hand. Oder die Finger gequetscht. Oder eben für nichts und wieder nichts die Infektion, die Erkältung mitgeliefe­rt … Na, vielen Dank!

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