Illertisser Zeitung

Wunder geschehen!

- VON DEKAN JÖRG DITTMAR, KEMPTEN

„Gott hat mir einen Parkplatz geschickt, als ich darum gebetet hab!“– „Dass ich meinen Haustürsch­lüssel wiedergefu­nden habe, das war eine Gebetserhö­rung!“– „Wie ich meine Frau kennengele­rnt hab, da hatte Gott seine Finger im Spiel!“Das sind Bekenntnis­se gläubiger Christen. Spinnen die oder gibt es wirklich mehr als den Zufall? „Wunder geschehen – wir dürfen nicht nur an das glauben, was wir sehen“, singt Nena und würde sich einreihen bei denen, die an mehr als den Zufall glauben. Und doch stellt sich schnell eine Beklemmung ein: Schön, die kleinen Wunder – aber ich kenne genug gläubige Menschen, die auf ihr großes Wunder noch vergeblich warten. Kann ich Gott wirklich mit meinen Kleinigkei­ten belästigen, wenn anderswo das Schicksal blind zuschlägt?

In der Qual dieser Frage bleibt mit als Christ nur der Blick auf das Schicksal des Jesus von Nazareth: Sein Leben endet so schrecklic­h, dass einem der Glauben an den „Lieben Gott“vergehen kann. Das Hinrichtun­gsgerät bleibt aber das Symbol für jene tiefe Einsicht: Wir dürfen nicht nur glauben, was wir sehen! Denn sogar im Sterben verliert Jesus sein Vertrauen in einen liebenden Vater im Himmel nicht. Im Gegenteil: Alles, was mir widerfahre­n ist, hatte seinen Sinn und war Teil meines Weges mit Gott und zu Gott! – so könnte man zusammenfa­ssen, wie Jesus nach Ostern seinen Freunden sein Schicksal erklärt.

Ermutigend und solidarisc­h möchte ich denen zur Seite stehen, die noch sehnsüchti­g und flehentlic­h auf ihr Wunder warten. Trotzdem will ich es für mich wagen: Wie ein neugierige­r, frischgesc­hlüpfter Vogel jeden Morgen neu aus dem Nest lugen und umherblinz­eln – neugierig, welche Zeichen und Wunder mir Gott heute in mein alltäglich­es Leben hineingewo­ben hat. Vielleicht wird es ein ganz besonderer Sonnenstra­hl sein, ein Windhauch im Rücken, ein Gesicht, ein Zublinzeln oder irgendetwa­s, das sich als reiner Zufall verkleidet hat … und plötzlich weiß ich wieder: Wunder geschehen. Darum bitte ich dich, lieber Gott!

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