Watschn für den Wiesn Chef
Bürgermeister Josef Schmid (CSU) scheitert in München mit seinem Vorstoß, den Bierpreis auf dem Oktoberfest für drei Jahre bei 10,70 Euro einzufrieren. Im Stadtrat hagelt es Spott und Vorwürfe
Eine Bierpreisbremse auf dem Oktoberfest? Das Thema ist von höchster Brisanz, der Fallstricke sind viele und der Andrang im Sitzungssaal des Münchner Rathauses ist gewaltig. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) versucht es mit Humor. „Ja, is den schon wieder Wiesn“, sagt er zum Auftakt der Stadtratssitzung und tappt gleich darauf in die erste Falle. Ob denn ein Vortrag des Bürgermeisters und Wiesn-Chefs Josef Schmid (CSU) gewünscht werde, will Reiter wissen. Von links, wo SPD, Grüne und Linke sitzen, wird ihm signalisiert, dass kein Interesse besteht. Schweigen auch in der Mitte bei der FDP und der Bayernpartei. Rechts aber, bei der CSU, gibt es prompt Aufruhr. Braucht es eine Sitzungsunterbrechung? Muss die Rechtsabteilung bemüht werden? „Das fängt ja schon gut an“, sagt der OB. Und, als hätte er Ärger erwartet, empört Schmid sich umgehend: „Es ist schon ein einmaliger Vorgang, dass man einem Referenten sein Rederecht nehmen will.“
Wer die Gereiztheit unter den Münchner Stadträten verstehen will, muss die Vorgeschichte kennen: Bürgermeister Josef Schmid, der nach allgemeiner Meinung ganz von dem Wunsch erfüllt ist, im nächsten Anlauf endlich Oberbürgermeister zu werden, hat mit seinem öffentlichen Vorpreschen für eine Deckelung des Bierpreises auf 10,70 Euro für die kommenden drei Jahre, die Mehrheit des Stadtrats gegen sich aufgebracht. Seine Gegner sehen in der Ankündigung ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver. Sie werfen ihm Populismus vor. Schmid will sich das nicht bieten lassen. Und den Mund verbieten lassen will er sich gleich gar nicht (obwohl das, genau genommen, eh niemand wollte).
Also trägt Schmid seine Argumente noch einmal vor – drei Vorschläge, „sachlich begründet und ausgewogen“, wie er sagt. Die Kurzfassung: Die Kosten für die Sicherheit der Wiesn steigen um einige Millionen. Die Stadt will das nicht alleine zahlen. Deshalb sollen die Wirte über eine Umsatzpacht künftig stärker an den Kosten beteiligt werden. Damit aber diese Kosten nicht einfach an den Verbraucher weitergegeben werden können, soll der Bierpreis gedeckelt werden. Und als Ausgleich soll die Wiesn um einen Montag verlängert werden. Wenn es Populismus sei, so Schmid, sich für die Interessen der WiesnBesucher einzusetzen, dann lasse er sich gerne einen Populisten nennen.
Schmids schärfster Gegner an diesem Tag heißt auch Schmid, Helmut Schmid, ein wortgewaltiger Senior der SPD. Er kontert erst mit Humor: Ein glückliches München müsse das sein, das solche Probleme habe. Dann kommt scharfe Kritik: Es sei stillos, dass die Stadträte zuerst über die Presse hätten erfahren müssen, „was wir zu beschließen haben“. Schließlich rechnet Helmut Schmid vor, dass Josef Schmid mit seiner Behauptung falschliege, dass der Bierpreis auf der Wiesn schneller steige als alle anderen Preise. Im Jahr 1950, als die Maß 1,70 Mark kostete, habe der Durchschnittsverdiener 82,3 Minuten für eine WiesnMaß arbeiten müssen, im Jahr 2015 aber nur noch 26,14 Minuten. Und überhaupt, wem nutze denn der Bierpreisdeckel? Einer Familie mit Kindern und kleinem Budget, wo der Vater eine oder vielleicht zwei Maß trinkt, jedenfalls nicht. „Dass ein Kampftrinker, der zehn Maß sauft, einen Preisnachteil von fünf Euro hat – da hält sich mein Mitleid in Grenzen“, sagt Schmid.
Die anderen Schmid-Gegner hauen auch noch drauf. Lydia Dietrich (Grüne) spottet über die „sozialistische Marktwirtschaft“, die die CSU auf der Wiesn wolle. Gabriele Neff (FDP) stöhnt: „Wenn´s nicht so traurig wäre, könnte man drüber lachen.“Und Brigitte Wolf (Linke) sieht „im Dauerwahlkampf um das Oberbürgermeisteramt“die eigentliche Ursache des Streits.
Nach drei Stunden wird abgestimmt. Das Ergebnis: Keine Bierpreisbremse. Kein Zusatztag. Nur die Umsatzpacht wird kommen.
Im Streit um eine Bierpreisbremse auf der Wiesn waren einige saubere Schaumschläger am Werk. Die Sitzung des Münchner Stadtrats jedenfalls hatte mehr Ähnlichkeit mit einer – durchaus gelungenen – Aufführung des Komödienstadels denn mit einer ernsthaften kommunalpolitischen Debatte.
Der Hintergrund ist offenkundig: Der ehrgeizige Bürgermeister und Wirtschaftsreferent Josef „Seppi“Schmid (CSU) hatte sich das populäre Thema „Bierpreisdeckelung für drei Jahre“so aufreizend groß auf die Fahnen geschrieben, dass seine politischen Gegner zum großen Gegenschlag ausholten und ihn auf offener Bühne als „Populisten“demontierten.
Eine Niederlage für die Verbraucher, wie die Münchner CSU glauben machen will, ist die Entscheidung allerdings nicht. Der Bierpreis mag zwar Jahr für Jahr am Oktoberfest das größte Politikum sein. Aber nur den Preis für die Maß zu begrenzen, nutzt bestenfalls den Kampftrinkern unter den Gästen. Wenn gleichzeitig andere Getränke und Essen teurer werden, dann sind genau wieder diejenigen die Gelackmeierten, denen angeblich geholfen werden sollte: Familien mit Kindern und kleinem Geldbeutel.