Bayerische Steilvorlage für Schulz
Die Sozialdemokraten haben mit Natascha Kohnen jetzt auch offiziell eine neue Vorsitzende, die sich ganz auf einer Linie mit dem Kanzlerkandidaten der SPD präsentiert
Was wird einer gefragt, der als Chef der Bayern-SPD aufhört? Florian Pronold weiß es. Die meistgestellte Frage an ihn in jüngster Zeit lautete: „Florian, bist du jetzt erleichtert?“
Was wird eine gefragt, die sich als Chefin der Bayern-SPD zur Wahl stellt? Natascha Kohnen weiß es. Die Frage, die ihr in den letzten Wochen und Monaten am öftesten gestellt wurde, lautete: „Warum machst du das eigentlich?“
Was sagt das aus über die Situation der bayerischen SPD, die sich am Wochenende in Schweinfurt zu ihrem 68. Landesparteitag traf? Dass sogar SPD-Sympathisanten sich nicht so recht vorstellen können, was an diesem Job sexy sein soll. Der frische Schwung in der Bundespartei ist nach drei verlorenen Landtagswahlen in Serie dahin. Die Aussichten, kommendes Jahr in Bayern auch nur in die Nähe einer Regierungsbeteiligung zu kommen, sind denkbar gering.
Da tut es offenbar gut, wenn einer kommt, der sich zwar auch dauernd seltsame Fragen nach seinen inneren Motiven stellen lassen muss, der aber zumindest eine reelle Chance hat, eine Wahl zu gewinnen. Mit stehenden Ovationen und „Martin, Martin“-Rufen haben die knapp 300 Delegierten gestern Mittag im Kongresszentrum auf der Maininsel in Schweinfurt den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz empfangen. Ab jetzt gelte nur ein einziger Grundsatz, sagte die frisch gewählte Chefin der Bayern-SPD zur Begrüßung des Hoffnungsträgers: „Einer für alle, alle für einen.“
Schulz hatte keine Mühe, den Ball aufzunehmen. Fast eineinhalb Stunden breitete er in einer immer wieder von Beifall unterbrochenen Rede seine Pläne und sein Programm aus. Er sagte ganz offensichtlich das, was die Delegierten der Bayern-SPD hören wollten. Statt der Steuersenkungen, die von der Union propagiert werden, forderte Schulz Investitionen auf breiter Front: in kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Universität, in die Verkehrsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung, in den sozialen Wohnungsbau, in den ländlichen Raum und in eine Familienpolitik, die denen helfe, die es nötig haben, statt die zu entlasten, die es nicht nötig haben. Seit Jahren schon, so Schulz, lebe Deutschland von der Substanz. Der Investitionsrückstand betrage rund 140 Milliarden Euro. Der Wertverlust in Deutschland seit dem Jahr 2000 werde von Ökonomen sogar auf 500 Milliarden Euro geschätzt. Wer jetzt nicht investiere, verspiele die Zukunft des Landes. „Wenn wir das nicht machen, sind wir in zehn Jahren nicht mehr erfolgreich.“
Gleichzeitig warb Schulz für ein starkes, demokratisches Europa und für die SPD als eine Partei, die sich den autoritären Entwicklungen in der westlichen Welt entgegenstelle. In diesem Zusammenhang gab er auch eine Devise aus, wie er sich vorstellt, den Wahlkampf zu gestalten – nicht taktisch oder mit den Tricks des neuen US-Präsidenten
88 Prozent stimmen für die neue Chefin