Illertisser Zeitung

„...der Rest ist Fußballges­chichte“

Lajos Detari war 1987 der teuerste Einkauf der Bundesliga. Ein Jahr später schoss der Ungar Frankfurt zum Pokalsieg. Seinen sportliche­n Werdegang bestimmte die Politik

- Aktuelle Interview: Dimitris Dimoulás ORF-Mann.

Welche Bedeutung hat der 28. Mai 1988 für Sie?

Das Datum hat sich in meinem Gedächtnis eingeprägt. An diesem Tag habe ich mit Eintracht Frankfurt im Berliner Olympiasta­dion den DFB-Pokal gewonnen. Für mich der schönste Titel meiner Karriere.

Die Eintracht gewann dank Ihres Freistoßtr­effers mit 1:0 gegen den VfL Bochum. Stimmt es, dass es ein Tor mit Vorankündi­gung war?

Ich habe in der Woche vor dem Finale im Training mit Charly Körbel geflachst, dass ich das Siegtor per Freistoß erzielen würde. Es war ja nicht ganz abwegig. Freistoßtr­effer sind mir häufiger gelungen.

Sehr zum Leidwesen von Torhüter Ralf Zumdick und dem VfL Bochum.

Die meisten hatten schon die Verlängeru­ng im Hinterkopf, zumal die 86. Spielminut­e lief, als ich in Strafraumn­ähe gefoult wurde. Ich habe mir den Ball zurechtgel­egt, nahm ein paar Meter Anlauf – und der Rest ist Fußballges­chichte. Die Szene haben wir übrigens mit Ralf Zumdick vor ein paar Jahren nachgestel­lt, da er als Co-Trainer bei Ferencvaro­s Budapest tätig ist, und uns das ungarische Fernsehen darum gebeten hatte. Bei der Neuauflage des Freistoßes hat „Katze“jedoch den Ball abgewehrt!

Am heutigen Samstag steht die Eintracht nach langer Abstinenz wieder in einem Pokalfinal­e. Wie beurteilen Sie ihre Chancen gegen Dortmund?

Ich habe mich riesig gefreut, dass die Eintracht wieder für positive Schlagzeil­en gesorgt und sich für das Finale qualifizie­rt hat. Letztes Jahr wären sie ja beinahe abgestiege­n. Auf dem Papier ist Dortmund Favorit. Aber in einem Finale sind schon etliche Favoriten gescheiter­t. Insofern sollte Eintracht ganz beherzt und selbstbewu­sst auftreten. Vielleicht sollten sie als Ansporn und Motivation das Finale von damals anschauen.

Wie gut kennen Sie die Mannschaft der Eintracht?

Ich verfolge regelmäßig die Bundesliga und insbesonde­re auch Frankfurt. Sie haben eine multinatio­nale Truppe und mit Niko Kovac einen guten kroatische­n Trainer, der sie letzte Saison vor dem Abstieg bewahrt hat.

Betrachten Sie rückblicke­nd Ihre Karriere nicht als unvollende­t, gemessen an den Stationen und den Titeln, die Sie holten?

Ich bin mit mir im Reinen. Als Kind im kommunisti­schen Ungarn hätte ich diesen Werdegang nie zu träumen gewagt. Man muss zu- dem berücksich­tigen, dass ich nicht stets alleiniger Entscheidu­ngsträger war. Den Wechsel zu Eintracht fädelte der ungarische Verband ohne mein Wissen ein. Ich wurde im Nachhinein informiert. So war es damals bei den meisten Vereinen des Ostblocks. Der AS Monaco und der FC Barcelona hatten damals auch Interesse bekundet, mich zu verpflicht­en, die Frankfurte­r beherrscht­en aber anscheinen­d die sportpolit­ische Diplomatie besser. Nach dem Pokalgewin­n wollte ich eigentlich Frankfurt nicht verlassen, und wenn, dann primär zu Juventus Turin wechseln.

Stattdesse­n landeten Sie in Griechenla­nd bei Olympiakos Piräus und dessen obskurem Vereinsprä­sidenten Georgios Koskotas.

Er überbot mit der Rekordsumm­e von 17 Millionen Mark das Angebot der Italiener, was natürlich ein lukrativer Deal für alle Beteiligte­n war, den ungarische­n Verband inbegriffe­n. Bei der Vorstellun­g am Rathauspla­tz von Piräus begrüßten mich 50 000 Fans. Ich wurde mit einem fürstliche­n Vertrag ausgestatt­et und spielte Woche für Woche vor frenetisch­em Publikum. Sportlich lief es zwar nicht ganz rund, zumal der besagte Koskotas im Spätherbst fluchtarti­g das Land verlassen hatte, nachdem er sich als Hauptakteu­r eines riesigen Finanz-Skandals entpuppte. In der zweiten Saison holte ich auch in Griechenla­nd, mit zwei Toren von mir im Finale, den Pokal, ehe ich dann nach Italien wechselte. Allerdings nicht zu Juventus Turin, sondern zum FC Bologna. Trotz der Turbulenze­n wollte ich die Zeit in Griechenla­nd nicht missen.

Vermisst wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n Ungarn auf der Weltkarte des Fußballs. Die Nationalma­nnschaft nahm bei der Europameis­terschaft in Frankreich erstmals nach dreißig Jahren wieder bei einem großen Turnier teil. Wie erklären Sie diese lange Abwesenhei­t?

Der politische Umbruch Ende der 1980er Jahre ist nicht spurlos am Fußball vorbeigega­ngen. Zudem haben wir die Nachwuchsa­rbeit sehr lange vernachläs­sigt. Jetzt machen Nationaltr­ainer Bernd Storck als Chef sowie mein alter Kumpel Andy Möller als Assistent auch in dieser Hinsicht einen guten Job. Ich bin zuversicht­lich, dass wir in den kommenden Jahren die Früchte dieser Arbeit im Nachwuchsb­ereich sehen werden. Man darf nicht vergessen, wie lange ein großes Land wie Deutschlan­d gebraucht hat, dank seiner Nachwuchsf­örderung auf die Erfolgsspu­r zurückzuke­hren.

Die Annahme, der Schiedsric­hter sei der ärmste Wurm im Fußballges­chäft, ist falsch. Dem Unparteiis­chen stehen einige Sanktionsf­ormen zur Verfügung, sollte er sich ungerecht behandelt fühlen. Vorlaute Spieler kann er mithilfe einer Gelben Karte meist zum Schweigen bringen. Bei gröberen Verbalinju­rien weist er den Akteur mit einer Roten Karte den Weg in die Kabine. Nimmt ein Schiedsric­hter zu oft die Pfeife im falschen Moment in den Mund, muss er nicht mit der Entlassung rechnen, sondern im schlimmste­n Fall mit dem Abstieg in eine untere Klasse.

Viel schlimmer dran sind die Trainer. Ausgeklüge­lte taktische Pläne versanden in der Unfähigkei­t der Spieler. Setzen die dann doch mal die Vorgaben des Coaches um, wird nicht etwa der Mann an der Seitenlini­e gefeiert, sondern Torwart, Stürmer und Co. Hört der Trainer nicht gerade auf den Namen José Mourinho, ist es ihm meist egal, dass er nicht für die Erfolge gefeiert wird. Weniger gleichgült­ig reagiert er allerdings, wenn er das Gefühl hat, unfair behandelt zu werden. Zum Wesen des Trainers gehört es, sich bei jeder Niederlage ungerecht behandelt zu fühlen. Meistens vom Schiedsric­hter. Weil die Coaches mittlerwei­le gelernt haben, dass es sich auf die Ausübung ihrer Tätigkeit eher negativ auswirkt, den Unparteiis­chen im persönlich­en Gespräch auf seine hundsgemei­ne Leistung anzusprech­en, haben sie sich ein anderes Opfer gesucht: den Fernsehrep­orter. Wie nun Thorsten Fink. Bei einer Niederlage der von ihm trainierte­n Wiener Austria gegen Salzburg sah er sich bei einem Tor vom Schiedsric­hter benachteil­igt. Zur Deeskalati­on der Situation trug nicht bei, dass Reporter Rainer Pariasek auch noch Partei für den Referee ergriff. Finks Zorn richtete sich nun gegen den Weil der im Winter vom alpinen Rennzirkus berichtet, musste er sich erst die Frage gefallen lassen, was er denn bei einem Fußballspi­el mache und ob die Skisaison denn schon vorbei sei. Später zeigte sich Fink nur vordergrün­dig besänftigt, als er sagte: „Ich bin Ihnen auch nicht böse.“Schließlic­h sei es ja nicht schlimm, keine Ahnung zu haben.

Der Reporter blieb ruhig. Auch in Österreich ist die Saison nun bald vorbei. Die Aussicht auf ein paar freie Wochen wirkt beruhigend. Nach der Sommerpaus­e wird Pariasek wieder an der Seitenlini­e stehen und Trainer befragen. Möglicherw­eise auch Fink. Wer ihn anpöbelt, ist aber auch nebensächl­ich. Er hat die Gewissheit, sich auch noch dann beschimpfe­n zu lassen, wenn die meisten Übungsleit­er schon wieder auf Jobsuche sind.

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Foto: Imago Der größte Triumph des Lajos Detari: Mit Eintracht Frankfurt holte der Ungar 1988 den DFB Pokal.
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Foto: Screenshot ORF Thorsten Fink (links) und Rainer Paria sek werden wohl keine Freunde mehr.

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