Wie soll man ihn jetzt entlassen?
Thomas Tuchel hat mit Dortmund den Cup gewonnen. Das macht die Aufgabe für die BVB-Spitze nicht einfacher, die beabsichtigte Trennung zu vollziehen
Wo ist Tuchel? Was macht Watzke? Der Tuchel wird umarmt – von Rauball. Watzke umarmt den Trainer – der heißt aber Kovac. Es ist ein bizarres Schauspiel, das da in Gang kommt nach Ende des Pokalfinales. Borussia Dortmund hat Eintracht Frankfurt 2:1 besiegt und im vierten Endspiel in Serie endlich einmal den Pott geholt. Das Ergebnis, die Dortmunder Freude – alles wird so nebenbei registriert, denn augenblicklich geht es nur noch um die Fragen, wo ist Tuchel und was macht Watzke? Das bleischwere Thema, der Zwist bei der Borussia zwischen Trainer und Geschäftsführer, überlagert auch die positiven Emotionen, die ein Pokalsieg normalerweise auslöst.
Die Momentaufnahmen also: Abpfiff, Dortmunds Kicker bilden einen Menschenknäuel, Thomas Tuchel steht ein paar Meter daneben und lässt Fäuste auf und ab sausen. Nach und nach geht er die Spieler ab, bedankt sich, wird dann eben vom Präsidenten Rauball umarmt und ganz zum Schluss halten sich tatsächlich auch die Streithähne Tuchel und Watzke fest. Zuvor hatte der BVB-Geschäftsführer schon Frankfurts Coach Niko Kovac eine Umarmung zuteilwerden lassen. Jetzt also Lächeln mit Tuchel und Watzke? „Nachdem das das letzte Mal handgestoppt wurde, haben wir uns diesmal Mühe gegeben, es besser zu machen“, wird Tuchel später sagen. Später, das ist so gut eine Stunde nach Ende des Finales. Am liebsten würde Tuchel auf die Gespräche mit den Medienvertretern verzichten, nicht aus Groll, sondern weil er sich zwar „tief glücklich“, aber eben auch fix und fertig fühlt. Ein hartes Stück Arbeit sei es gewesen, sagt er, „weil Frankfurt wirklich gut gespielt und uns alles abverlangt hat“. Der Fußballlehrer weiß natürlich, „dass wir jetzt nicht unser bestes Spiel gemacht haben“, aber eigentlich ist das doch wurscht, wenn man am Ende den Pokal in Händen hält, was ihn persönlich angeht, zum ersten Mal überhaupt im Berufsleben. „Es ist einer der besten Tage meiner Karriere“, bejaht Tuchel eine entsprechende Frage, doch schon geht es um anderes, um Entscheidendes. „Es hat sich über die letzten zwei oder drei Wochen aufgebauscht. Natürlich hängt da jetzt ein riesengroßes Thema drüber“, sagt der BVB-Trainer. Was soll, was kann er Neues einbringen? „Ja“, erklärt Tuchel und schiebt sofort ein, „ich will jetzt niemanden unter Druck setzen, aber, ja, ich würde auf jeden Fall gerne meinen Vertrag erfüllen, wenn das geht.“In dieser Woche soll die wegweisende Zusammenkunft stattfinden, „es wird ein Gespräch geben, oder Gespräche, und ich will ja nicht naiv sein, ich weiß, sie sind ergebnisoffen.“Tuchel ahnt, dass das Ergebnis der Gespräche so sein wird, dass Borussia Dortmund sich von ihm trennen wird. Da will er sich wenigstens den eigenen Triumph nicht nehmen lassen. „Wissen Sie“, sagt der 43-Jährige, „ich glaube ganz fest daran, dass du besondere Leistungen nur dann erbringst, wenn du eine Verbindung hast. Wir haben eine ganz besondere Saison noch mal gekrönt. Ich glaube, das geht nur, wenn die Mannschaft dem Trainer vertraut und wenn der Trainer der Mannschaft vertraut.“
Die Botschaft: Der Geschäftsführer und vielleicht auch andere Personen mögen gegen mich sein, aber Mannschaft und Trainer sind eine Einheit. Sind sie das wirklich? Während Tuchel betont, man habe den Pokal auch für den verletzten Julian Weigl gewonnen, und für Marco Reus, der zur Halbzeit mit „ein bisschen Kreuzband“(Reus) passen musste, und für Marcel Schmelzer, der ebenfalls zur Halbzeit „mit mindestens einem Faserriss“(Schmelzer) rausmusste, während also Tuchel Herz-Schmerz-Pathos zum Ausdruck bringt, liefert Schmelzer Kritik am Trainer. Tuchel hatte Nuri Sahin aus dem Kader gestrichen und dafür den – wie sich zeigen sollte, überforderten – Matthias Ginter aufgestellt, eine Maßnahme, die offenbar viele BVB-Akteure nicht verstanden hatten. O-Ton Schmelzer: „Mich hat es sehr geschockt. Ich verstehe es einfach nicht. Wenn ein Spieler wie Julian Weigl ausfällt, dann ist er der Einzige, der das mindestens genauso gut kann. Deshalb war ich sehr überrascht, dass er nicht gespielt hat und nicht mal im Kader war. Wir stehen komplett hinter Nuri.“Eine Einzelmeinung? Marcel Schmelzer, der „Schmelle“, ist der Kapitän. Und als solcher kein Mann der lauten Töne.
Diese Woche also Gespräche – und voraussichtlich das Ende der Zusammenarbeit von Borussia Dortmund und Thomas Tuchel. Und dazu noch der vermutliche Abschied von Pierre-Emerick Aubameyang. Der Torjäger habe um seine Freigabe gebeten, hieß es schon vor dem Finale. Zahlt ein Verein, was die Dortmunder wollen – im Gespräch sind 80 Millionen Euro –, kann Aubameyang gehen, und die Wahrscheinlichkeit, dass dies im finanziell völlig absurd aufgeblähten Fußballgeschäft passiert, liegt bei geschätzten einhundert Prozent.
Nein, nichts gegen Helene Fischer. In dieser Spalte geht es um Sport, oft auch in weiterem Sinne. Das aber ist bereits das Problem. Mag man den Sport noch so weit fassen, Helene Fischer passt nicht unter sein Dach.
Sie singt Schlager. So inbrünstig, dass ihr Millionen zu Füßen liegen. Sie ist Deutschlands Königin in diesem Reich. Was lag also näher, dachten sich die Marketing-Experten des Fußballs, die nichts anderes im Kopf haben, als ihr Produkt aufzublasen, als die Schlagerkönigin mit dem König Fußball zusammenzuführen. Wenn das nicht zündet. Hat es auch. Nur ist der Schuss in etwa so mächtig nach hinten losgegangen, wie man sich das anlässlich eines Metallica-Auftritts beim Katholikentag vorstellt. Ein unüberhörbarer Teil der 75 000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion hat Fischers HalbzeitShow minutenlang ausgepfiffen. Das war nicht schön für Helene. Genauso wenig wie für die Millionen Zeugen des quälenden Konzerts vor dem Fernseher.
Dabei hatten sich die Schlagerkönigin und ihre Tanz-Crew richtig viel Mühe gegeben. Fielen weder technisch noch konditionell ab. Das Publikum aber war mehrheitlich gekommen, um Fußball zu sehen. Nur Fußball. Nicht dessen Inszenierung. Attraktiven, leidenschaftlichen, mitreißenden Fußball. Dazu ein Kaltgetränk und eine Bockwurst. Wenn es dann etwas anderes gibt, etwas, das der FußballAnhänger nicht bestellt hat, wird er sauer. Er ist, moderne FußballTempel hin oder her, im Innersten Traditionalist, lässt sich nicht alles andrehen und zieht den Inhalt der Verpackung vor. Man kann dieses