Illertisser Zeitung

In Weißenhorn ist der Wurm drin

Beim Ausräumen der Depoträume zeigt sich: Etliche Holzobjekt­e der Sammlung sind in ihrer Substanz bedroht – oder sogar schon zerstört. Wie konnte es so weit kommen?

- VON MARCUS GOLLING (wir berichtete­n),

Als ob es nicht so schon genug zu tun gegeben hätte. Seit ein paar Wochen wird das Hauptdepot des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums im Eschach komplett ausgeräumt. Einmal richtig Großreinem­achen und Ordnen war die Aufgabe – doch bei einigen der laut Museumslei­ter Matthias Kunze mehr als 12 000 Objekte wird daraus jetzt eine Rettungsmi­ssion. Er zeigt auf den Boden: feiner, gelb-brauner Staub. „Das haben wir hier überall gefunden“, berichtet Kunze. Es ist leider nicht der ehrwürdige Staub der Jahrhunder­te, sondern Holzmehl, untrüglich­es Zeichen für einen Holzwurmbe­fall. „Manches ist unrettbar kaputt“, sagt der Leiter.

Schädlinge – ausgerechn­et im Museumsdep­ot, das ja eigentlich wie eine Zeitkapsel Wertvolles für die Nachwelt bewahren soll. Und in dem viele Objekte aus Holz lagern: historisch­e Möbel, Bilderrahm­en, Heiligenfi­guren, landwirtsc­haftliche Werkzeuge, alte Schlitten und vieles mehr. Wie konnte es so weit kommen? Kunsthisto­riker Kunze, der

Das Möbellager war komplett vollgestel­lt

erst seit rund einem Jahr das Heimatmuse­um führt, nennt Fehler der Vergangenh­eit. Dabei ist nicht das Problem, dass der Holzwurm in die Lagerräume einzieht – ein alter Bauernschr­ank hat bisweilen blinde Passagiere. Schlimm ist eher, wenn er nicht entdeckt wird. Annika Janßen, seit September für Inventaris­ierung im Museum zuständig, beschreibt die Situation, die sie im Depot vorfand. „Das Möbellager war komplett zugestellt, da kam man gar nicht bis nach hinten durch.“Entspreche­nd, ergänzt Kunze, fanden in der Vergangenh­eit auch die eigentlich obligatori­schen Kontrollgä­nge, bei denen ein Schädlings­befall frühzeitig festgestel­lt werden kann, offenbar nicht statt. „Wir wissen nicht, wie lange das schon da ist“, sagt Janßen.

Die Folgen davon sind weit schlimmer als nur ein bisschen Holzmehl auf dem Fußboden. Janßen zeigt ein altes Regal, das einst zur Ausstattun­g einer Weißenhorn­er Bildhauerw­erkstatt gehörte. Die Würmer – eigentlich die Larven des Gemeinen Nagekäfers – haben sich so weit durch das Möbelstück durchgebis­sen, dass es reif für den Ofen ist. Ein kaputtes Regal ist zwar nicht gerade ein Riemenschn­eiderAltar, der Verlust wiegt trotzdem schwer, findet Kunze: Nun lasse sich nicht mehr die gesamte Werkstatt rekonstrui­eren. Wie viel sonst verloren ist, kann der Museumslei­ter nicht sagen. Befallen sind einige Stücke. Sogar an ein paar Gipsköp- fen, die Janßen zeigt, ist zu erkennen, dass Schädlinge zumindest kurz von ihnen gekostet haben. Um die befallenen Objekte, darunter auch wertvolle Möbel, zu retten, soll nun eine Spezialfir­ma eingesetzt werden. Zumeist werden die Stücke dafür mit Stickstoff begast, was die Larven tötet.

Damit dürfte das Projekt Depot noch etwas teurer werden als die dafür veranschla­gten 140 000 Euro. Dass dafür überhaupt die Depoträume ausgeräumt werden müssen, liege ebenfalls an Fehlern der Vergangenh­eit, so Kunze. Denn ursprüngli­ch ging es tatsächlic­h nur darum, die vorhandene Bestände zu inventaris­ieren, also ihre Daten so zu erfassen, dass sie danach sowohl leicht auffindbar als auch für Ausstellun­gen verwendet werden können. Dafür werden, soweit möglich, Informatio­nen wie Alter, Material, Größe, Gewicht, Herkunft und Urheber erfasst. Dafür war die Volkskundl­erin Janßen eigentlich in die Fuggerstad­t geholt worden. Doch bei der Sichtung der Lager (neben dem im Eschach noch das Stadtarchi­v, das alte Klärwerk und das Museum selbst) durch die Landesstel­le für die nicht staatliche­n Museen, die das Projekt besonders fördert

stellte sich heraus, dass das gar nicht geht – wegen mangelnder Ordnung. Janßen sagt, sie habe zunächst gar keine Systematik erkannt. „Ich habe allein an vier verschiede­nen Orten Schulwandb­ilder gefunden“, seufzt Kunze. Was nicht sein dürfe: „Ein Depot muss für einen einigermaß­en sachkundig­en Menschen intuitiv erschließb­ar sein.“

Damit das in Zukunft so ist, packen nun alle mit an. Neben Kunze und Janßen auch Mitarbeite­r des Bauhofs und Hilfskräft­e, die der Museumsver­ein organisier­t hat. Und abgesehen von HolzwurmSc­hock ist man dabei auf einem guten Weg. Janßen: „Am Anfang hatte ich wirklich Panikattac­ken. Ich wusste nicht, wie wir das packen sollen. Aber jetzt ist Licht am Ende des Tunnels.“Die Volkskundl­erin hat sogar Freude beim Ausräumen und Durchsehen. „Die Sammlung ist toll. Man ahnt, was für eine tolle Geschichte die Objekte haben.“

Bis zum Sommer sollen alle Stücke in einem Zwischende­pot untergebra­cht werden, bereits vorsortier­t. Nach den Ferien sollen sie dann zurückkehr­en in die ursprüngli­chen, dann gereinigte­n und zukunftsfi­t gemachten Depoträume. Dann geordnet und sauber verpackt – in säurefreie­n Archivkart­ons, nicht mehr in Bananenkis­ten wie bisher. Die sind keine Weißenhorn­er Spezialitä­t: Solche Boxen waren früher in vielen Archiven und Depots im Einsatz.

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Fotos: Andreas Brücken In den Depots des Heimatmuse­ums gibt es viele Objekte aus Holz – und einige sind schon lange wurmstichi­g. Doch im Lager soll ten sich die Schädlinge eigentlich nicht ausbreiten.
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Der Schrank hat einiges abbekommen – wie viele Objekte be troffen sind, ist noch nicht ganz klar.

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