Illertisser Zeitung

Vater wider Willen

Wird eine Frau ungeplant schwanger und entscheide­t sich für das Kind, steht auch ihr Partner in der Pflicht. Wie das Unterallgä­uer Jugendamt beiden Beteiligte­n dabei helfen kann

- VON SANDRA BAUMBERGER

Wirklich gerecht ist es nicht: Wenn eine Frau ungeplant schwanger wird, kann sie entscheide­n, ob sie das Kind bekommen möchte oder nicht. Ihrem Partner dagegen bleibt keine Wahl. Entscheide­t sich die Frau für das Kind, wird er zwangsläuf­ig Vater – mit allen rechtliche­n und finanziell­en Konsequenz­en.

Eine, die diesen Aspekt der Vaterschaf­t sehr gut kennt, ist Monika Heiler. Sie ist beim Mindelheim­er Jugendamt unter anderem für die sogenannte­n Beistandsc­haften zuständig und steht kostenlos Müttern bei, deren Partner keinen Unterhalt zahlen, oder die sich nicht sicher sind, wer der Vater ihres Kindes ist.

In diesem Fall wirft Monika Heiler erst einmal einen Blick in den Mutterpass, um einzugrenz­en, welcher von mehreren Partnern am ehesten als Vater infrage kommt. „In 99 Prozent der Fälle ist dieser Mann aber nicht bereit, die Vaterschaf­t so ohne Weiteres anzuerkenn­en“, sagt Heiler, die dafür zwar durchaus Verständni­s hat, in der Folge aber trotzdem ein gerichtlic­hes Verfahren zur Klärung der Vaterschaf­t einleiten muss. Vor Gericht schafft dann ein Vaterschaf­ts- test Klarheit. Ist der Mann nachweisli­ch nicht der Vater des Kindes, kommt der nächste Partner an die Reihe – so lange, bis der Richtige gefunden ist.

Bei dem gerichtlic­hen Feststellu­ngsverfahr­en steht zum einen das Recht des Kindes im Fokus, zu wissen, von wem es abstammt. Zum anderen geht es aber auch ums Geld: Ist die Vaterschaf­t nicht geklärt, hat das Kind weder Anspruch auf Unterhalt noch auf ein Erbe.

Mit dem Unterhalt ist das allerdings so eine Sache: Selbst wenn die Vaterschaf­t eindeutig geklärt ist, bedeutet das noch lange nicht, dass die Männer bereitwill­ig zahlen. Auch in diesem Fall greift die Beistandsc­haft des Jugendamte­s: Weil es das Geld für die Mutter verbucht und umgehend an sie weiterleit­et, fällt dort auch auf, wenn Väter nicht oder nicht vollständi­g zahlen. Wenn Absprachen und Stundungsa­ngebote nicht fruchten, setzt das Jugendamt ein Vollstreck­ungsverfah­ren in Gang.

„Da muss man unter Umständen jemandem ständig nachlaufen und gucken: Wo arbeitet der jetzt, wo kann ich was pfänden“, sagt Monika Heiler. Sie schätzt, dass es im Unterallgä­u jährlich zu rund 60 Vollstreck­ungen kommt.

Um solchem Ärger vorzubeuge­n, können sich auch die Väter ans Jugendamt wenden, wenn etwa eine Durststrec­ke zu überbrücke­n ist. So wie damals, als in vielen Betrieben im Landkreis Kurzarbeit herrschte. „Das war eine schwierige Zeit“, erinnert sich Monika Heiler.

Sie ist auch beteiligt, wenn die Höhe des Unterhalts festgesetz­t wird und glaubt, dass das auch für die Väter ein großer Vorteil sein kann. Denn anders als vielleicht mancher Anwalt hat das Jugendamt nur das Wohl des Kindes im Blick – und nicht eine möglichst hohe monatliche Zahlung.

Die Frage „Was koscht a ledigs Kind?“muss sie in der Regel trotzdem mit „Es wird teuer“beantworte­n. Bis zu einem Einkommen von 1500 Euro liegt der Satz für Kinder bis zu einem Alter von fünf Jahren bei 246 Euro monatlich, bei Sechsbis Elfjährige­n sind es 297 Euro und bei Zwölf- bis Siebzehnjä­hrigen 364 Euro. Verdient der Vater mehr, wird es entspreche­nd teurer. Um wie viel, legt das Jugendamt nicht willkürlic­h fest. Es errechnet den Unterhalt anhand der sogenannte­n Düsseldorf­er Tabelle und zieht von diesem Betrag die Hälfte des monatliche­n Kindergeld­es ab.

Die Sorge, das Jugendamt könnte sich im Zuge der Beistandsc­haft auch in die Erziehung einmischen, ist übrigens unbegründe­t.

„Wir quatschen da niemandem rein“, sagt Monika Heiler. Sie versteht ihre Arbeit als Dienstleis­tung, die nicht nur viele alleinerzi­ehende Mütter, sondern auch die wachsende Zahl unverheira­teter Eltern gerne in Anspruch nehmen. Denn während der Staat automatisc­h davon ausgeht, dass bei verheirate­ten Paaren der Ehemann auch der Vater des Kindes ist, ist das bei unverheira­teten nicht der Fall. Sie müssen die Vaterschaf­t anerkennen lassen – entweder beim Standesamt, einem Notar oder eben bei Monika Heiler und ihren Kollegen.

Von den 1402 Kindern, die im vergangene­n Jahr im Landkreis zur Welt gekommen sind, haben etwa ein Viertel, nämlich 356, unverheira­tete Eltern. 344 davon haben die Vaterschaf­t vor oder nach der Geburt des Kindes anerkennen lassen, in fünf Fällen wurde die Vaterschaf­t gerichtlic­h festgestel­lt. Sieben Mütter wollten keine Angaben zum Vater machen. Sollten sie ihre Meinung ändern, können sie das allerdings nachholen.

So wie auch verheirate­te Väter, die irgendwann Zweifel beschleich­en, dass sie wirklich der Vater des Kindes sind.

„Oft haben sie Gerüchte gehört und dann nagt der Wurm“, sagt Monika Heiler. Meistens sei zwar nichts dahinter, doch ein paar solcher Anfechtung­sverfahren gebe es jedes Jahr.

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Foto: mmmg, fotolia Von wegen Familiengl­ück: Wenn Männer ungewollt zu Vätern werden, hält sich die Freude darüber oft in Grenzen.
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Monika Heiler

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