Die Welt zu Gast im Wohnzimmer
Die Illertal Cowboys holen seit 25 Jahren den Sound Amerikas nach Illerberg. Bands und Fans lieben den ganz besonderen Charme des alten Sportheims
Charlie lässt sich heute nicht hetzen. Er muss jetzt erst die zwei Leberkässemmeln fertig machen, die anderen Bestellungen sollen warten. „Ich mach das hier ja ehrenamtlich“, brummt er und schneidet in seiner kleinen offenen Küche im alten Illerberger Sportheim erst mal zwei Scheiben vom selbst gebackenen Fleischkäse runter. Er hat die Ruhe weg, aber kompliziert ist seine Arbeit nun auch nicht, denn es gibt immer nur Leberkässemmeln und Wiener.
Das muss so sein, denn es gehört zu den Eigenheiten dieses Ortes, der wirklich weit und breit seinesgleichen sucht. Das alte Sportheim in Illerberg ist seit 1998 das Heim der Illertal Cowboys und es verströmt einen Charme, der mit „rustikal“recht gut beschrieben ist: hellbraune Bodenfliesen, ein bisschen Holz an den rau verputzten Wänden und an der Decke, ein Ofen mit aufgemalter Ziegel-Optik und Biertischgarnituren mit karierten Polsterauflagen. In der Luft hängt stets ein Hauch von altem Gemäuer und Bier, kurz: Es ist großartig hier.
Dieser sehr eigene Charme des Unperfekten spricht nicht jeden an. Es sind oft dieselben Leute, die zu den so hübsch titulierten „Wohnzimmerkonzerten“kommen, wie etwa Wolfgang, der immer da ist, und sich mit einem genießerischen „sehr schön!“über ein gelungenes Solo freut oder der Mann mit der Kamera, der stets ganz vorne hockt und Fotos schießt oder der pensionierte Eisenbahner, der jedes Mal aus Frankfurt zu den Konzerten anreist. „Das kost’ den halt bloß 20 Euro“, erklärt Herbert Schildhammer, der Vorsitzende der Illertal Cowboys. „Wir haben jedes Mal so 25 Stammgäste.“ Damit hat er die Klientel auch schon weitgehend umrissen, denn in der Regel kommen zwischen 30 und 40 Leute. Bei 50 müsste wohl schon die Tür wegen Überfüllung geschlossen werden. Und: Illerberger verirren sich eher selten in das flache Gebäude.
Dort trifft sich eine verschworene Gemeinschaft von Kennern, die eben gerne amerikanische Musik hören – Bluegrass, Country, Folk, eher selten Rockabilly und Blues. Eben alles, was sich ohne große technische Hilfsmittel auf die Bühne bringen lässt – wobei das Wort „Bühne“in diesem Fall reichlich hoch gegriffen ist, denn die Künstler stehen einfach vorne links in der immer gleichen Ecke und spielen.
Eigentlich bräuchten sie keine Mi- krofone, denn das Publikum lauscht still und höchst diszipliniert. Wenn nicht, bittet der gewichtige Herbert Schildhammer mit niederbayerischem Nachdruck in der kräftigen Stimme um Ruhe. Das verfehlt seine Wirkung nie. Einmal pro Abend dreht er seine Runde durchs „Wohnzimmer“, mit einem Hut in der Hand. Dort hinein sollten möglichst nur Scheine gelegt werden, denn Münzen seien ja immer so schwer zu tragen, klagt er mit einem Augenzwinkern. Der Eintritt zu den Konzerten ist umsonst, dafür werden die Gäste um eine Spende für die Vereinskasse gebeten. Aus der bekommen die Musiker ihre Gage.
Die fällt nicht sehr üppig aus, doch die Künstler juckt das nicht, denn viele befinden sich gerade auf der Durchreise in die Schweiz und freuen sich über ein kleines Zubrot. Aber das ist es nicht allein: Sie lieben die Atmosphäre im alten Sportheim, so wie der Mandolinenspieler Thomas Murphy, der vergangene Woche mit der John Lowell Band dort gastierte. Die stammt aus Montana, einem der eher abgelegenen US-Bundesstaaten. Ihm gefällt es in Illerberg, weil die Musiker quasi direkt neben ihren Zuschauern spielen, die natürlich hinterher gerne noch ein wenig plaudern wollen. Und dann hängen da an den Wänden ja all die Konzertplakate früherer Jahre, „mit vielen von meinen Freunden drauf“. Und dass der Veranstalter noch eine Flagge des Bundesstaates Montana aufgetrieben hat, findet er „very cool“.
Das gehört zum Service dazu: Jede Band darf vor der Fahne ihrer Heimat auftreten. Der Fundus der Illertal Cowboys ist mittlerweile sehr gut bestückt, denn das alte Sportheim genießt in der internationalen Countryund Bluegrass-Szene einen hervorragenden Ruf. Deshalb muss sich Herbert Schildhammer gar nicht mehr selber um Auftritte bemühen, es reicht, die einlaufenden Angebote zu sortieren.
Seit 25 Jahren gibt es den Verein nun, der einst in Emershofen von Country-Fans gegründet wurde. Damit ist er nach den deutlich größeren Country & Western Friends Kötz, die heuer 35 werden, die zweite wichtige Vereinigung, die diese musikalische Nische pflegt. Dabei ist das Einzige, was tatsächlich an Cowboys erinnert, der Kuhschädel an der Wand und der Sammelhut des Vorsitzenden Schildhammer. Wenn tatsächlich mal jemand mit WesternStiefeln und Stetson ins Sportheim einläuft, der fällt sofort als Exot auf.
Was unterscheidet den Illertisser Wochenmarkt von anderen Märkten?
Da habe ich kaum Vergleiche. In Illertissen hat mir das Angebot gefallen, und so bin ich dabei geblieben.
Gehen Sie regelmäßig auf dem Markt einkaufen?
Den Markt besuche ich häufig und dazu nehme ich oft das Fahrrad. Ich habe es mit seitlich zusammenklappbaren stabilen Fahrradkörben ausgestattet, sodass auf dem Gepäckträger nochmals ein Korb Platz hat.
Die „Bühne“ist nur eine Ecke im Raum