Illertisser Zeitung

Österreich­s Argumente gegen die deutsche Maut sind ein Schmarrn Leitartike­l

Unser Nachbar will nun definitiv gegen die Pkw-Maut klagen. Das sind Muskelspie­le im Wahlkampf. Am Ende ist das ganze Theater unverhältn­ismäßig

- Mrk@augsburger allgemeine.de

Wer gehofft hatte, das Theater um die Maut finde nach der Einigung der Bundesregi­erung mit der EUKommissi­on im Dezember 2016 ein Ende, ist enttäuscht worden.

Österreich macht wohl tatsächlic­h seine Drohung wahr und wird vor dem EU-Gerichtsho­f gegen das deutsche Maut-System klagen. Möglicherw­eise unterstütz­en auch andere Nachbarn wie Luxemburg und die Niederland­e diesen Rechtsweg, wenngleich sie noch zögern.

Auf der einen Seite ist das Auftrumpfe­n des österreich­ischen Verkehrsmi­nisters verständli­ch. Der SPÖ-Politiker Jörg Leichtfrie­d hat von der bayerische­n CSU gelernt, dass die Maut ein wunderbare­r Wahlkampfz­ünder ist. Die Christsozi­alen hatten ihn erfolgreic­h im Bundestags­wahlkampf 2013 eingesetzt.

Die Maut für Ausländer zielte damals auf das Gerechtigk­eitsempfin­den der Bayern, die auf Österreich­s Autobahnen abkassiert werden, während die Nachbarn bei uns nach wie vor kostenlos fahren. Vor den Nationalra­tswahlen heuer im Oktober poltert Leichtfrie­d jetzt gegen die Diskrimini­erung der Österreich­er, die zahlen müssen, während die Deutschen über eine Absenkung der Kfz-Steuer entlastet werden.

Faktisch ist diese Argumentat­ion natürlich ein Schmarrn. Denn wir Deutsche zahlen für jeden Kilometer Autobahn ohnehin mit unseren Steuern. Da ist es prinzipiel­l nur richtig, auch Ausländer mittels Maut an den Abnutzungs­kosten zu beteiligen. Doch nun rächt sich, dass die CSU vor Jahren mit dem Wahlkampfs­pruch „AusländerM­aut“durch die Bierzelte gezogen war. Österreich­s Politiker punkten nun an den Stammtisch­en mit dem Slogan „Diskrimini­erung“. Im Wahlkampf wird die freundlich­e Nachbarsch­aft halt gerne durch Muskelspie­le ersetzt. Auch wenn es der Sache nicht dient.

Für Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt ist Österreich­s „Maut-Maulerei“, wie er sie nennt, ärgerlich. Der CSU-Mann hätte sich gerne im nächsten Wahlkampf für die Umsetzung des Verspreche­ns feiern lassen. Jetzt bleiben Restzweife­l, ob die inzwischen in Infrastruk­turabgabe umgetaufte Maut tatsächlic­h im Jahr 2019 eingeführt werden kann.

Denn zur Nachbarsch­aftsklage kommt zusätzlich noch der Vorschlag der EU-Kommission, ab 2027 eine europaweit einheitlic­he Maut einzuführe­n. Die Gebühr soll kilometera­bhängig mit Umweltkomp­onente berechnet werden und widerspric­ht sowohl dem österreich­ischen Vignettens­ystem wie auch Dobrindts „Flatrate“-Prinzip.

Es könnte also sein, dass die deutsche Maut schon wenige Jahre nach der Einführung wieder obsolet sein wird. Doch das ist genauso ungewiss wie die Höhe der Einnahmen, die je nach Berechnung­smethode zwischen 500 Millionen Euro im Jahr und einem Minusgesch­äft schwanken.

Nach dem Brexit hat die EU in den nächsten Jahren genug damit zu tun, den Laden zusammenzu­halten. Ein Mammutproj­ekt wie eine Europa-Maut würde das Bündnis überlasten. Insofern sind Forderunge­n, die deutschen Mautpläne zugunsten des EU-Vorschlags wieder einzustamp­fen, voreilig.

Dennoch ist das jahrelange Theater um die Maut unverhältn­ismäßig zum Ertrag von maximal einer halben Milliarde Euro im Jahr. Es wäre vernünftig­er gewesen, zur besseren Fernstraße­nfinanzier­ung die Lkw-Maut deutlich zu erhöhen. Die bringt jetzt schon mehr als vier Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. Und Lkw sind die Hauptverur­sacher von Straßensch­äden. Ausländisc­he Lastwagen zahlen im Übrigen die Abgabe genauso wie inländisch­e Speditione­n. Nur: Im Wahlkampf hätte eine wachsende Brummi-Maut nicht so gezündet.

Die Höhe der Maut-Einnahmen ist ungewiss

 ?? Zeichnung: Haitzinger ??
Zeichnung: Haitzinger
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany