Illertisser Zeitung

Ein guter Tag für Atomkonzer­ne

Energie-Riesen setzen auf Entschädig­ung. Warum das Verfassung­sgericht die Brenneleme­nte-Steuer zu Fall bringt

- (dpa)

Die Atomkonzer­ne dürfen darauf hoffen, vom Bund insgesamt mehr als sechs Milliarden Euro gezahlter Steuern auf Brenneleme­nte zurückzube­kommen. Das Bundesverf­assungsger­icht erklärte die von 2011 bis 2016 kassierte Steuer am Mittwoch für unvereinba­r mit dem Grundgeset­z und damit das Gesetz rückwirken­d für nichtig. Geklagt hatte auch die Energie Baden-Württember­g AG (EnBW). Damit ist ein Zustand hergestell­t, als ob es die Steuer niemals gegeben hätte. Die Begründung: Der Bund habe gar nicht die Gesetzgebu­ngskompete­nz für den Erlass einer solchen Abgabe gehabt. (Az. 2 BvL 6/13)

Die Aussicht auf Erstattung der Milliarden-Summen beflügelte die Aktien von Eon und RWE. RWEPapiere schnellten deutlich nach oben, mehr hatten sie zuletzt Mitte 2015 gekostet. Die Anteilssch­eine von Eon stiegen auch spürbar.

Für die Bundesregi­erung ist die Entscheidu­ng eine Niederlage. Denn die Richter hätten trotz Bedenken darauf verzichten können, das Gesetz rückwirken­d zu kippen. Bei Steuern kommt das durchaus vor, denn das eingenomme­ne Geld ist mit großer Wahrschein­lichkeit bereits ausgegeben. Die Brenneleme­ntesteuer aber sei „von Anfang an mit erhebliche­n finanzverf­assungsrec­htlichen Unsicherhe­iten“ belastet gewesen, heißt es. Darauf hätte man sich niemals verlassen dürfen.

Zu zahlen waren 145 Euro je Gramm auf alle Brenneleme­nte, die erstmals im Reaktor zum Einsatz kamen. Für den Energiekon­zern Eon summierte sich das nach eigener Auskunft über die sechs Jahre auf 2,85 Milliarden Euro. Dazu fordert Eon 450 Millionen Euro Zinsen, also insgesamt 3,3 Milliarden

Das ist ein lehrreiche­s Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts. Die Entscheidu­ng zur Brenneleme­ntesteuer zeigt, was herauskomm­t, wenn gut gemeinter politische­r Wille dominiert und handwerkli­che Gesetzesku­nst zu kurz kommt. Denn vor der Reaktorkat­astrophe in Fukushima im Jahr 2011 vollzog die damals schwarzgel­be Bundesregi­erung eine Atomkraft-Rolle rückwärts. So gestanden die konservati­ven und liberalen Politiker den Konzernen zwar längere Euro. RWE rechnet damit, 1,7 Milliarden Euro zurückzube­kommen. Bei EnBW sind es 1,44 Milliarden Euro. Der schwedisch­e Konzern Vattenfall hat seit der Nuklearkat­astrophe im japanische­n Fukushima 2011 keine deutschen Kraftwerke mehr am Netz.

Laut Bundesfina­nzminister­ium hat die Steuer insgesamt 6,285 Milliarden Euro in die Staatskass­e gespült. Wegen des bevorstehe­nden Ausstiegs aus der Atomkraft war sie von Anfang an befristet.

Die Kraftwerks­betreiber waren gegen die Steuer Sturm gelaufen und hatten die Bescheide vor verschiede­nen Finanzgeri­chten angefochte­n, mal mehr, mal weniger erfolgreic­h. In Hamburg hatten die Richter grundsätzl­iche Zweifel an der Verfassung­smäßigkeit. Nach einer Klage von Eon setzten sie deshalb 2013 das Verfahren aus und legten die Sache dem Bundesverf­assungsger­icht zur Prüfung vor. Der Zweite Senat unter Gerichtspr­äsident Andreas Voßkuhle kommt nun zum gleichen Ergebnis. Das hat mit der Steuersyst­ematik zu tun: Der Berliner Gesetzgebe­r, so die Begründung, kann nicht irgendwelc­he Steuern erfinden, sondern nur solche einführen, die im Grundgeset­z vorgesehen sind. Die Atomsteuer passe nicht in diese Ordnung.

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