Illertisser Zeitung

Freies Netz soll weiter wachsen

Über den sogenannte­n Freifunk gibt es in Kellmünz seit 2015 offenes Internet für Bürger und Touristen. Wie sich diese Technik in der Gemeinde bewährt hat

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Vor Kurzem hat die Europäisch­e Union beschlosse­n, mehr freie Internetzu­gänge für die Bürger zu schaffen. Doch das Thema ist nicht neu. Es beschäftig­t die Kommunen in der Region schon länger. Gemeinden, die ein kabelloses Netz für ihre Bürger einrichten wollen, haben inzwischen einige Alternativ­en. Es gibt zum Beispiel das vom Freistaat geförderte Bayern-W-Lan oder Angebote kommerziel­ler Anbieter.

In Kellmünz entschied sich der Gemeindera­t 2015 für den sogenannte­n Freifunk. Über einen Internetzu­gang im Rathaus, der wiederum mit dem Freifunkse­rver in Ulm verbunden ist, wird das Signal über mehrere Router im Ort geschickt. Um diese Geräte herum können sich Passanten in das Netz einwählen. Nach knapp zwei Jahren ist Bürgermeis­ter Michael Obst überzeugt, dass dies die richtige Entscheidu­ng war. Zum Test wurde am Anfang nur eine Grundverso­rgung eingericht­et. „Wir wollten zum Beispiel ausprobier­en, wie die Bürger das annehmen, ob die Geräte stabil laufen oder welche Kosten anfallen“, sagt Obst. Inzwischen wurde das Netz schrittwei­se vergrößert. Derzeit

Das Netz deckt inzwischen etwa den halben Ort ab

deckt es laut Obst rund 50 Prozent der Ortsfläche und einen Großteil der öffentlich­en Plätze ab, zum Beispiel Schützenhe­im, Feuerwehrh­aus, Dorfladen und Kindergart­en. Dabei soll nicht das ganze Gemeindege­biet mit Internet versorgt werden, sondern nur die Orte, an denen es Sinn macht, erklärt Obst. Also dort, wo sich viele Menschen aus unterschie­dlichen Gründen aufhalten. Der Bürgermeis­ter plant, als Nächstes die Bereiche um den Baggersee und den Bahnhof an den Freifunk anzuschlie­ßen. Wie einfach das ist, zeigt Obst mit einer Autobatter­ie und einem FreifunkRo­uter. Innerhalb weniger Minuten baut er damit auch um die Kellmünzer Grundschul­e ein W-Lan-Netz auf.

Auch in finanziell­er Hinsicht ist der Freifunk für Obst die beste Lösung. Die Gemeinde habe sich damals ein Angebot von einem kommerziel­len Anbieter machen lassen. Das lag allein für die Einrichtun­g bei rund 8000 Euro und sei für den Gemeindera­t nie in Frage gekommen. Beim Freifunk zahlt die Gemeinde lediglich für die Anschaffun­g der Router und für einen extra Internetzu­gang, aus dem sich das freie W-Lan-Netz speist sowie für den Strom, den die Router verbrauche­n. Die Geräte kosten zwischen 20 und 90 Euro, je nachdem ob sie drinnen oder draußen aufgebaut werden.

Eingericht­et hatte das Kellmünzer Netz damals Wilhelm Gasser von der Freifunkgr­uppe Ulm und der Piratenpar­tei Ulm. Auch er hält das für eine gute Lösung für Kommunen: Ausschlagg­ebend ist für ihn der vergleichs­weise günstige Preis. Eine Hauptanwen­dung dieser Lösung ist derzeit laut Gasser die Versorgung von Flüchtling­sheimen mit Internet. Auch in Kellmünz war das einer der Gründe, warum diese kostenlose­n Internetzu­gänge eingericht­et wurden. Andere Kommunen im Landkreis konnte die Gruppe allerdings noch nicht von den Vorzügen des Freifunks überzeugen.

Freifunk soll kein Ersatz für das eigene Heimnetz sein, erklärt Gasser. Er ist dafür gedacht, unterwegs etwa Mails abzurufen oder Nachrichte­n zu verschicke­n. Voraussetz­ung, dass das System funktionie­rt, ist allerdings die ehrenamtli­che Arbeit der Freifunkgr­uppe Ulm, die letztendli­ch für die Verbindung ins Internet sorgt. Und auch wenn Gasser selbst Mitglied der Piratenpar­tei ist, die Freifunkgr­uppe selbst sei politisch unabhängig und neutral, betont er. Das übergeordn­ete Ziel der Gruppe ist, ein freies und unabhängig­es Netzwerk zu schaffen, bei dem jeder mitmachen und anonym surfen kann.

Um das Kellmünzer Netz kümmert sich Gasser inzwischen nicht mehr. Das habe bald nach der Einrichtun­g der stellvertr­etende Kommandant der örtlichen Feuerwehr übernommen. Jakob Kiechle betreut die Technik ehrenamtli­ch. Viel Aufwand sei das nicht, sagt er. „Das läuft weitgehend von allein.“Sein größter Einsatz bisher: Nach einem Software-Update habe er auf den Kirchturm steigen müssen, um den Anschluss vor Ort zu reparieren. Vom Kirchturm wird das Funksignal an die Router im Ort verteilt. Neue Geräte muss Kiechle auch mit einer speziellen, aber kostenfrei­en, FreifunkSo­ftware ausstatten. Er sagt, Freifunk sei nicht nur eine gute Lösung für Gemeinden. Die Technik eigne sich zum Beispiel auch gut für Restaurant­s, die zu groß sind, um den ganzen Bereich mit einem Router abzudecken.

 ?? Foto: Franziska Wolfinger ?? Vorteil Freifunk: Das Netz lässt sich beliebig erweitern. Strom von einer Autobatter­ie, ein Router und Verbindung­skabel reichen, damit Bürgermeis­ter Michael Obst auch an der Kellmünzer Grundschul­e im Internet surfen kann.
Foto: Franziska Wolfinger Vorteil Freifunk: Das Netz lässt sich beliebig erweitern. Strom von einer Autobatter­ie, ein Router und Verbindung­skabel reichen, damit Bürgermeis­ter Michael Obst auch an der Kellmünzer Grundschul­e im Internet surfen kann.

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