Freies Netz soll weiter wachsen
Über den sogenannten Freifunk gibt es in Kellmünz seit 2015 offenes Internet für Bürger und Touristen. Wie sich diese Technik in der Gemeinde bewährt hat
Vor Kurzem hat die Europäische Union beschlossen, mehr freie Internetzugänge für die Bürger zu schaffen. Doch das Thema ist nicht neu. Es beschäftigt die Kommunen in der Region schon länger. Gemeinden, die ein kabelloses Netz für ihre Bürger einrichten wollen, haben inzwischen einige Alternativen. Es gibt zum Beispiel das vom Freistaat geförderte Bayern-W-Lan oder Angebote kommerzieller Anbieter.
In Kellmünz entschied sich der Gemeinderat 2015 für den sogenannten Freifunk. Über einen Internetzugang im Rathaus, der wiederum mit dem Freifunkserver in Ulm verbunden ist, wird das Signal über mehrere Router im Ort geschickt. Um diese Geräte herum können sich Passanten in das Netz einwählen. Nach knapp zwei Jahren ist Bürgermeister Michael Obst überzeugt, dass dies die richtige Entscheidung war. Zum Test wurde am Anfang nur eine Grundversorgung eingerichtet. „Wir wollten zum Beispiel ausprobieren, wie die Bürger das annehmen, ob die Geräte stabil laufen oder welche Kosten anfallen“, sagt Obst. Inzwischen wurde das Netz schrittweise vergrößert. Derzeit
Das Netz deckt inzwischen etwa den halben Ort ab
deckt es laut Obst rund 50 Prozent der Ortsfläche und einen Großteil der öffentlichen Plätze ab, zum Beispiel Schützenheim, Feuerwehrhaus, Dorfladen und Kindergarten. Dabei soll nicht das ganze Gemeindegebiet mit Internet versorgt werden, sondern nur die Orte, an denen es Sinn macht, erklärt Obst. Also dort, wo sich viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen aufhalten. Der Bürgermeister plant, als Nächstes die Bereiche um den Baggersee und den Bahnhof an den Freifunk anzuschließen. Wie einfach das ist, zeigt Obst mit einer Autobatterie und einem FreifunkRouter. Innerhalb weniger Minuten baut er damit auch um die Kellmünzer Grundschule ein W-Lan-Netz auf.
Auch in finanzieller Hinsicht ist der Freifunk für Obst die beste Lösung. Die Gemeinde habe sich damals ein Angebot von einem kommerziellen Anbieter machen lassen. Das lag allein für die Einrichtung bei rund 8000 Euro und sei für den Gemeinderat nie in Frage gekommen. Beim Freifunk zahlt die Gemeinde lediglich für die Anschaffung der Router und für einen extra Internetzugang, aus dem sich das freie W-Lan-Netz speist sowie für den Strom, den die Router verbrauchen. Die Geräte kosten zwischen 20 und 90 Euro, je nachdem ob sie drinnen oder draußen aufgebaut werden.
Eingerichtet hatte das Kellmünzer Netz damals Wilhelm Gasser von der Freifunkgruppe Ulm und der Piratenpartei Ulm. Auch er hält das für eine gute Lösung für Kommunen: Ausschlaggebend ist für ihn der vergleichsweise günstige Preis. Eine Hauptanwendung dieser Lösung ist derzeit laut Gasser die Versorgung von Flüchtlingsheimen mit Internet. Auch in Kellmünz war das einer der Gründe, warum diese kostenlosen Internetzugänge eingerichtet wurden. Andere Kommunen im Landkreis konnte die Gruppe allerdings noch nicht von den Vorzügen des Freifunks überzeugen.
Freifunk soll kein Ersatz für das eigene Heimnetz sein, erklärt Gasser. Er ist dafür gedacht, unterwegs etwa Mails abzurufen oder Nachrichten zu verschicken. Voraussetzung, dass das System funktioniert, ist allerdings die ehrenamtliche Arbeit der Freifunkgruppe Ulm, die letztendlich für die Verbindung ins Internet sorgt. Und auch wenn Gasser selbst Mitglied der Piratenpartei ist, die Freifunkgruppe selbst sei politisch unabhängig und neutral, betont er. Das übergeordnete Ziel der Gruppe ist, ein freies und unabhängiges Netzwerk zu schaffen, bei dem jeder mitmachen und anonym surfen kann.
Um das Kellmünzer Netz kümmert sich Gasser inzwischen nicht mehr. Das habe bald nach der Einrichtung der stellvertretende Kommandant der örtlichen Feuerwehr übernommen. Jakob Kiechle betreut die Technik ehrenamtlich. Viel Aufwand sei das nicht, sagt er. „Das läuft weitgehend von allein.“Sein größter Einsatz bisher: Nach einem Software-Update habe er auf den Kirchturm steigen müssen, um den Anschluss vor Ort zu reparieren. Vom Kirchturm wird das Funksignal an die Router im Ort verteilt. Neue Geräte muss Kiechle auch mit einer speziellen, aber kostenfreien, FreifunkSoftware ausstatten. Er sagt, Freifunk sei nicht nur eine gute Lösung für Gemeinden. Die Technik eigne sich zum Beispiel auch gut für Restaurants, die zu groß sind, um den ganzen Bereich mit einem Router abzudecken.