Illertisser Zeitung

Auf dem Weg zur automatisc­hen Gesichtser­kennung

Der Bund will moderne Technik für die Fahndung an Flughäfen und Bahnhöfen. Doch bei anderen Punkten hakt es

- VON SIMON KAMINSKI Deutschlan­dfunk: (mit dpa)

Der erste Versuch war kein Erfolg: Als Anfang 2007 am Mainzer Hauptbahnh­of die Anlagen zur automatisc­hen Gesichtser­kennung abgeschalt­et wurden, war die Bilanz des Pilotproje­kts ernüchtern­d. Das Bundeskrim­inalamt musste einräumen, dass die Erkennungs­rate der Kamerasyst­eme noch nicht einmal 60 Prozent erreicht hatte. Eine Quote, die dazu führte, dass diese Fahndungsm­ethode zunächst nicht weiterverf­olgt wurde.

Doch Bundesinne­nminister Thomas de Maizière sieht die Zeit längst reif, der Technik im Kampf gegen Kriminalit­ät und Terrorismu­s eine neue Chance zu geben. Es gilt als wahrschein­lich, dass der Vorstoß des CDU-Politikers beim Frühjahrst­reffen der Innenminis­ter von Bund und Länder unterstütz­t wird. Das hat nicht nur mit der erhöhten Terrorgefa­hr zu tun, sondern auch mit der Weiterentw­icklung der Technik.

So geht der Biometrie-Experte Alexander Nouak vom Fraunhofer­Institut für Graphische Datenverar­beitung davon aus, dass moderne, lernfähige Systeme in der Lage sind, eine Erkennungs­quote jenseits der 90-Prozent-Marke zu erreichen. Nouaks Fazit im „Ich glaube, dass solche Anlagen gerade an Bahnhöfen oder an Flughäfen durchaus hilfreich sein können.“Allerdings gelte das nur, wenn an diesen Orten konsequent ein Verbot durchgeset­zt wird, das Gesicht komplett oder teilweise zu verdecken. Nachdem die Union einig ist, die Technik einzusetze­n, befürworte­t auf der SPD-Seite nun auch der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz den Vorschlag de Maizières.

Lewentz signalisie­rte auch zu einem weiteren Punkt aus dem Katalog des Bundesinne­nministers zur Terrorbekä­mpfung Zustimmung. Der SPD-Politiker unterstütz­t den Vorschlag, den Sicherheit­sbehörden Zugriff auf Messenger-Dienste wie Whatsapp zu erlauben. Dazu müssten die Behörden die Möglichkei­t erhalten, in begründete­n Einzelfäll­en die Texte noch vor einer Verschlüss­elung zu lesen. „Eine sehr vernünftig­e Forderung“, sagte Lewentz. „Wenn wir den Auftrag haben, innere Sicherheit zu gewährleis­ten, müssen wir das auch da können, wo über Terrorismu­s Kommunikat­ion geführt wird“, sagte der Minister. Als ein Knackpunkt galt bisher die Frage, ob es für ein Mitlesen solcher Nachrichte­n im Internet einer richterlic­hen Anordnung bedarf. Sicherheit­sexperten hatten bezweifelt, dass dies praktikabe­l sei, wenn Gefahr im Verzug ist. Lewentz deutete nun die Möglichkei­t an, dass Richter eine solche Maßnahme in diesem Fall auch nachträgli­ch bestätigen könnten.

Eine Einigung der Innenminis­terkonfere­nz in der Frage, ob in Zukunft auch minderjähr­ige terrorverd­ächtige Kinder und Jugendlich­e unter 14 Jahren durch den Verfassung­sschutz überwacht werden dürfen, erscheint hingegen ausgeschlo­ssen. „Das ist undenkbar“, erklärte Lewentz unmissvers­tändlich. „Das geht nicht, das wollen wir nicht. Man muss Grenzen ziehen.“Der bayerische CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann hatte dies, wie sein sächsische­r CDU-Amtskolleg­e Markus Ulbig auch deshalb gefordert, um Mehrfachid­entitäten bei Flüchtling­en zu verhindern beziehungs­weise aufzudecke­n.

Ob Herrmann sein Ziel erreicht, eine deutschlan­dweite Schleierfa­hndung durchzuset­zen, ist zweifelhaf­t. Bisher nutzen bis auf die beiden Stadtstaat­en Berlin und Bremen und der Flächensta­at Nordrhein-Westfalen alle Länder diese Methode – sprich die Kontrolle abseits der Grenzen zu den Nachbarlän­dern.

Bereits vor dem Regierungs­wechsel in NRW hatte die CDU angekündig­t, dass auch das bevölkerun­gsreichste Bundesland mit Grenzen zu Holland und Belgien die Schleierfa­hndung einführen werde. Doch in den Koalitions­verhandlun­gen mit der FDP wurde nun vereinbart, statt der Schleierfa­hndung eine „strategisc­he Fahndung“zu vereinbare­n. Der grundlegen­de Unterschie­d: Die NRW-Spielart soll zwar verdachtsu­nabhängig, aber nur anlassbezo­gen, etwa bei Fahndungen oder bestimmten Gefahren greifen.

Polizeikon­trollen ohne einen speziellen Anlass sind bislang auf einen 30-Kilometer-Gürtel hinter den Bundesgren­zen beschränkt. Sie sollten nach Herrmanns Überzeugun­g aber auch in der Nähe von Flughäfen, Bahnhöfen und Rastplätze­n möglich sein. Der Innenminis­ter verweist darauf, dass der Freistaat 150 neue Stellen dafür bereitgest­ellt habe. Die Schleierfa­hndung sei eine Erfolgsges­chichte: Inzwischen gebe es jährlich 20 000 Treffer.

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Foto: Zinken, dpa Die Kameras sind auf deutschen Bahnhöfen längst allgegenwä­rtig. Nun könnte es eine Nachrüstun­g mit Systemen zur Gesichtser­kennung geben.
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Foto: dpa Künftig könnten auch Röntgenbil­der Teil der digitalen Vernetzung sein.

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