Illertisser Zeitung

Klage abgewiesen: Darf das Kraftwerk gebaut werden?

Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat den Einspruch der Umweltschü­tzer gegen die Bauerlaubn­is abgelehnt. Das Hauptverfa­hren ist davon unberührt. Wie es nun weitergeht

- VON JENS CARSTEN

Bei den Klagen gegen den geplanten Einbau eines Wasserkraf­twerks in ein Wehr in Iller bei Dietenheim haben die Naturschüt­zer eine Schlappe hinnehmen müssen. Zumindest in einer Hinsicht: Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat den Einspruch gegen die Genehmigun­g (des sofortigen Baus) im Eilverfahr­en durch das Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises in Ulm kürzlich abgewiesen. Die Argumentat­ion der Beschwerde­führer sei nicht schlüssig, hieß es in der Begründung, wie Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsf­ührer des Bund Naturschut­zes im Landkreis NeuUlm erklärt. Das Gericht habe die positive Einschätzu­ng der Mitarbeite­r des Landratsam­ts zu dem Vorhaben bestätigt. „Wir müssen das so hinnehmen“, sagt Kurus-Nägele, der die Entscheidu­ng als „linientreu“bezeichnet. Aufgeben sei für die Naturschüt­zer allerdings keine Option: Sie haben Widerspruc­h gegen die Ablehnung eingelegt.

Nun wird die sofortige Baugenehmi­gung für das Werk wohl eine höhere Gerichtsin­stanz beschäftig­en: den Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim. Man werde für die Iller kämpfen, sagt Kurus-Nägele. Zu wichtig sei das Anliegen, den Fluss in dem fraglichen Gebiet zu sanieren – was durch die Kraftwerks­pläne gefährdet werde. Die Kläger nähmen deshalb in Kauf, dass der Rechtsstre­it durch die Instanzen geht – und viel Zeit und Geld kostet: „Irgendwann werden wir jemanden erreichen, der die geltenden Gesetze achtet“, sagt Kurus-Nägele.

Unberührt von der (nun abgewiesen­en) Klage gegen den sofortigen Baubeginn sei das Hauptverfa­hren um das Projekt der Münchner Firma Fontin, die mehrere kleinere Werke bauen will, das erste bei Dietenheim. Auch dagegen haben Bund Naturschut­z und Fischereiv­erbände geklagt. Eine Entscheidu­ng in dieser Sache ist noch nicht gefallen. Auch einen Gerichtste­rmin gebe es noch nicht, so Kurus-Nägele.

Aus Sicht der Umweltschü­tzer lohnt sich ihr Einsatz vor den Gerichten: Sollte das Kraftwerk bei Dietenheim gebaut werden, sei die dringend nötige Illerrenat­urierung in dem Bereich in Gefahr. Der Hintergrun­d: Um eine naturnahe Situa- tion zu erreichen, müsse sich Material auf dem Grund des Flusses frei bewegen können (GeschiebeT­ransport). Das Wehr ist dabei im Weg: Mitgespült­e Steine im Flussbett, ein wichtiger Lebensraum für Fische und viele andere Tiere, würden durch das Bauwerk aufgehalte­n, so die Beschwerde­führer. Sie berufen sich in zweierlei Hinsicht auf europäisch­es Recht: So sei erstens in der europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie ein Verschlech­terungsver­bot und ein Verbesseru­ngsgebot festgelegt, was für die Iller und ihre Auen gelte. Und zweitens seien die Unteren Illerauen (vom Norden Vöhringens bis Ulm) als „FaunaFlora-Habitat“registrier­t. Das verbiete, dass sich der Zustand einer Landschaft verschlech­tert. Genau das passiere allerdings, sagt KurusNägel­e, der das Öko-System rund um den Fluss bedroht sieht. Die Iller vertiefe sich zusehends, wodurch Tümpel austrockne­ten: Seltene Tierarten wie Molche und Unken verlören ihre Lebensräum­e. Das soll durch die Illerrenat­urierung gestoppt werden. Das Problem: Wird das Werk in das Wehr eingebaut, sei die jetzige Situation wohl auf Jahrzehnte zementiert. Kurus-Nägele: „Wenn das Kraftwerk dahin kommt, können für die Sanierung der Iller vergessen.“

Wie es weiter geht, ist unklar: Aus Sicht von Kurus-Nägele darf Fontin auch nach der Abweisung der Klage gegen den Sofortvoll­zug zunächst nicht bauen – wegen des Widerspruc­hs sei das Verfahren weiter in der Schwebe. Geht es nach dem Umweltschü­tzer, ist in der Sache ein langer Weg durch die rechtliche­n Instanzen denkbar, vielleicht sogar bis auf die europäisch­e Ebene. Zunächst gelte es abzuwarten, was die hiesigen Gerichte machten: „Das wird sehr interessan­t“, so KurusNägel­e.

Bei der Münchner Firma Fontin bedauerte man den Widerspruc­h gestern: Die Ablehnung der Klage gegen den Baubeginn sei vom Gericht „umfassend und sehr gut begründet“, sagte Geschäftsf­ührer Mathias Fontin. Den Einwänden der Kläger sei in wesentlich­en Punkten widersproc­hen worden, etwa dass sich der Zustand der Iller durch das Kraftwerk verschlech­tern werde. Viel mehr bringe das Projekt umfassende ökologisch­e Vorteile mit sich, so Fontin. Es werde nicht nur Energie aus Wasserkraf­t gewonnen – auch Fische und Steine könnten das Wehr nach dem Umbau passieren. Einer Revitalisi­erung der Iller stehe das Werk nicht entgegen. Näher wollte sich Fontin nicht äußern: Der jetzige Gerichtsen­tschluss sei lediglich „ein kleiner Schritt“, im Hauptverfa­hren stehe eine Entscheidu­ng noch aus.

Auf der einen Seite steht eine möglichst naturbelas­sene Flusslands­chaft, auf der anderen stehen wirtschaft­liche Absichten: Dass in Sachen Wasserkraf­t die Interessen gehörig aufeinande­rprallen können, zeigt der geplante Einbau eines Kraftwerks in das Wehr in der Iller bei Dietenheim. Seit Jahresbegi­nn wird um das Projekt einer Münchner Firma ein Rechtsstre­it ausgetrage­n: Naturschüt­zer und Fischer wollen den Bau mit Klagen verhindern. Die Verantwort­lichen am Gericht sehen sich mit einer schwierige­n Frage konfrontie­rt: Wer hat die schlüssige­ren Argumente – Gegner oder Befürworte­r des Kraftwerks­baus?

Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht, sie liegt im Auge des Betrachter­s. In gewisser Weise stehen beide Seiten für Umweltschu­tz ein. Was darunter zu verstehen ist, wird höchst unterschie­dlich bewertet: Die Unternehme­r bewerben die Produktion von Energie aus Wasserkraf­t als Beitrag zum Klimaschut­z. Der Umbau sei zudem sogar ökologisch wertvoll. Die Naturschüt­zer sehen durch das Projekt hingegen die Rückkehr zu einer ursprüngli­chen Flusslands­chaft in Gefahr. Welcher Blickwinke­l am Ende rechtlich gesehen das stärkere Gewicht zugesproch­en bekommt – darauf müssen die Beteiligte­n noch warten. Nach der Ablehnung der ersten von zwei Klagen und dem Widerspruc­h dagegen geht die Sache zur nächsten Rechtsinst­anz. Das kann dauern. Und auch im Hauptverfa­hren (gegen das Projekt allgemein) ist noch keine Entscheidu­ng absehbar. Der Kampf zwischen den beiden Seiten des Umweltschu­tzes bleibt spannend.

Langer Weg durch die rechtliche­n Instanzen

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Umstritten­es Projekt: Gegen die Wasserkraf­twerk Pläne des Unternehme­ns Fontin haben Umweltschü­tzer bereits im Januar geklagt.
Archivfoto: Alexander Kaya Umstritten­es Projekt: Gegen die Wasserkraf­twerk Pläne des Unternehme­ns Fontin haben Umweltschü­tzer bereits im Januar geklagt.

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