Illertisser Zeitung

Auf der Zille zählt der Wille

Bereits beim Training für die traditions­reiche Großverans­taltung gehen die Kontrahent­en nicht gerade zimperlich miteinande­r um. Auch Oberbürger­meister Gunter Czisch macht diese Erfahrung

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Die drei Fahrer stechen gleichmäßi­g wie ein Uhrwerk in das Wasser, steuern die Zille quer zur Strömung frontal auf das entgegenko­mmende Boot zu. Die beiden Stecher richten ihre 2,80 Meter langen Speere auf ihren Kontrahent­en aus. Dumpf ist der Schlag bis an das Donauufer zu hören, als die ledergepol­sterte Spitze auf die Brust des Gegners prallt. Der Getroffene versucht noch mit ausgestrec­kten Armen, das Gleichgewi­cht auf dem Heck wieder zu finden. Vergeblich. Er wankt und fällt schließlic­h in die Donau. Die rund 200 Schaulusti­gen am Ufer kommentier­en die Szene mit hämischem Lachen.

Klatschnas­s steigt der Geschlagen­e, Matthias Elsässer mit Namen, gleich darauf aus dem etwa 15 Grad kalten Wasser. Zimperlich dürfe man als Stecher beim Fischerste­chen nicht sein, sagt er. Auch wenn es sich nur um das Training für das eigentlich­e Fischerste­chen am 16. und 23. Juli handelt, würden sich die Kontrahent­en nichts schenken: „Blessuren, blaue Flecken und Brüche der Rippen sind keine Seltenheit“, sagt der 34-jährige Berufssold­at,

Gefragt sind Fitness und Geschick

dem der Traditions­sport quasi in die Wiege gelegt wurde: Bereits sein Großvater und Vater standen mit dem Speer auf der Zille.

Nur den Nachfahren, oder angeheirat­eten Mitglieder­n der Ulmer Fischerfam­ilien Heilbronne­r, Scheuffele, Käßbohrer und Molfenter, den „Räsen“, ist es erlaubt, beim Fischerste­chen teilzunehm­en. Dem Gerücht, dass nur zahlungskr­äftige Mitglieder am Turnier teilnehmen dürfen, setzt die Schifferve­reinsvorsi­tzende Susanne Grimmeiß ein lautes Lachen entgegen und sagt: „Die Männer auf der Zille müssen vor allem fit und geschickt sein, um gegen die Tücken der Donauström­ung anzukommen.“

Obmann Michael Schwendner, der selbst als Stecher und Fahrer aus jahrelange­r Erfahrung sprechen kann, weiß, wie schwierig es ist, die Meter lange Zille zum Angriff richtig in Position zu bringen: „Wichtig ist, dass die Ruder gleichmäßi­g eingetauch­t werden, damit der Stecher achtern einen sicheren Stand hat.“Schwankt, oder wie die Fischer sagen, „gautscht“die Zille, habe der Stecher kaum eine Chance, standhaft zu bleiben.

Diese Erfahrung darf auch Oberbürger­meister Gunter Czisch machen. Der Rathausche­f hatte sich vor einigen Monaten von der Vorsitzend­en Grimmeiß zur Teilnahme Training hinreißen lassen. Es sei wohl ein unvorsicht­iger Moment gewesen, als er zugesagt habe, erinnert sich Czisch. Als er die schwankend­e Zille besteigt und den Speer anhebt, hat er sichtlich Probleme, nicht schon vor dem Duell ins Wasser zu fallen. Gegen die geübten Stecher hat der Bürgermeis­ter keine Chance. Dreimal müssen ihn seine Teamkolleg­en wieder aus der Donau zurück an Bord hieven. Der Applaus der Zuschauer ist ihm dennoch sicher. Vor der Leistung der Mänzehn ner auf der Zille hätte er jetzt „höchsten Respekt“, wie er sagt. Sein Fazit fällt zweideutig aus: „Beim Fischerste­chen ist es wie in der Kommunalpo­litik: Man steht auf wackeligem Untergrund und wer nicht aufpasst, geht baden.“

Im vierjährig­en Turnus treffen auf der Donau mit 16 Stecherpaa­ren Figuren aus der Ulmer Geschichte aufeinande­r. So kämpfen unter anderem der Ulmer Spatz, der Schneider von Ulm, Bauer und Bäuerin sowie die Weißfische­r, das Narrenam paar, der Türkenloui­s und der Großwesir. Mit dabei ist in diesem Jahr auch wieder der Titelträge­r von 2013, Holger Beranek, der als „König von Württember­g“bereits zum fünften Mal seinen Siegertite­l verteidige­n will. Das wäre schließlic­h ein Erfolgsrek­ord in der Nachkriegs­geschichte des Fischerste­chens, sagt Obmann Schwendner. Danach müsse Beranek den Speer an einen Jüngeren abgeben – aus Altersgrün­den. Mit 50 Jahren sei Schluss für die Kämpfer.

 ?? Fotos: Andreas Brücken ?? Duell der Fischerste­cher auf der Donau: Sieger ist, wer am Ende der Duelle der standhafte­ste Kämpfer war. Das Spektakel lockt an beiden Festsonnta­gen mehrere Zehntausen­d Besucher an beide Ufer der Donau und auf die Donaubrück­en.
Fotos: Andreas Brücken Duell der Fischerste­cher auf der Donau: Sieger ist, wer am Ende der Duelle der standhafte­ste Kämpfer war. Das Spektakel lockt an beiden Festsonnta­gen mehrere Zehntausen­d Besucher an beide Ufer der Donau und auf die Donaubrück­en.

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