Auf der Zille zählt der Wille
Bereits beim Training für die traditionsreiche Großveranstaltung gehen die Kontrahenten nicht gerade zimperlich miteinander um. Auch Oberbürgermeister Gunter Czisch macht diese Erfahrung
Die drei Fahrer stechen gleichmäßig wie ein Uhrwerk in das Wasser, steuern die Zille quer zur Strömung frontal auf das entgegenkommende Boot zu. Die beiden Stecher richten ihre 2,80 Meter langen Speere auf ihren Kontrahenten aus. Dumpf ist der Schlag bis an das Donauufer zu hören, als die ledergepolsterte Spitze auf die Brust des Gegners prallt. Der Getroffene versucht noch mit ausgestreckten Armen, das Gleichgewicht auf dem Heck wieder zu finden. Vergeblich. Er wankt und fällt schließlich in die Donau. Die rund 200 Schaulustigen am Ufer kommentieren die Szene mit hämischem Lachen.
Klatschnass steigt der Geschlagene, Matthias Elsässer mit Namen, gleich darauf aus dem etwa 15 Grad kalten Wasser. Zimperlich dürfe man als Stecher beim Fischerstechen nicht sein, sagt er. Auch wenn es sich nur um das Training für das eigentliche Fischerstechen am 16. und 23. Juli handelt, würden sich die Kontrahenten nichts schenken: „Blessuren, blaue Flecken und Brüche der Rippen sind keine Seltenheit“, sagt der 34-jährige Berufssoldat,
Gefragt sind Fitness und Geschick
dem der Traditionssport quasi in die Wiege gelegt wurde: Bereits sein Großvater und Vater standen mit dem Speer auf der Zille.
Nur den Nachfahren, oder angeheirateten Mitgliedern der Ulmer Fischerfamilien Heilbronner, Scheuffele, Käßbohrer und Molfenter, den „Räsen“, ist es erlaubt, beim Fischerstechen teilzunehmen. Dem Gerücht, dass nur zahlungskräftige Mitglieder am Turnier teilnehmen dürfen, setzt die Schiffervereinsvorsitzende Susanne Grimmeiß ein lautes Lachen entgegen und sagt: „Die Männer auf der Zille müssen vor allem fit und geschickt sein, um gegen die Tücken der Donauströmung anzukommen.“
Obmann Michael Schwendner, der selbst als Stecher und Fahrer aus jahrelanger Erfahrung sprechen kann, weiß, wie schwierig es ist, die Meter lange Zille zum Angriff richtig in Position zu bringen: „Wichtig ist, dass die Ruder gleichmäßig eingetaucht werden, damit der Stecher achtern einen sicheren Stand hat.“Schwankt, oder wie die Fischer sagen, „gautscht“die Zille, habe der Stecher kaum eine Chance, standhaft zu bleiben.
Diese Erfahrung darf auch Oberbürgermeister Gunter Czisch machen. Der Rathauschef hatte sich vor einigen Monaten von der Vorsitzenden Grimmeiß zur Teilnahme Training hinreißen lassen. Es sei wohl ein unvorsichtiger Moment gewesen, als er zugesagt habe, erinnert sich Czisch. Als er die schwankende Zille besteigt und den Speer anhebt, hat er sichtlich Probleme, nicht schon vor dem Duell ins Wasser zu fallen. Gegen die geübten Stecher hat der Bürgermeister keine Chance. Dreimal müssen ihn seine Teamkollegen wieder aus der Donau zurück an Bord hieven. Der Applaus der Zuschauer ist ihm dennoch sicher. Vor der Leistung der Mänzehn ner auf der Zille hätte er jetzt „höchsten Respekt“, wie er sagt. Sein Fazit fällt zweideutig aus: „Beim Fischerstechen ist es wie in der Kommunalpolitik: Man steht auf wackeligem Untergrund und wer nicht aufpasst, geht baden.“
Im vierjährigen Turnus treffen auf der Donau mit 16 Stecherpaaren Figuren aus der Ulmer Geschichte aufeinander. So kämpfen unter anderem der Ulmer Spatz, der Schneider von Ulm, Bauer und Bäuerin sowie die Weißfischer, das Narrenam paar, der Türkenlouis und der Großwesir. Mit dabei ist in diesem Jahr auch wieder der Titelträger von 2013, Holger Beranek, der als „König von Württemberg“bereits zum fünften Mal seinen Siegertitel verteidigen will. Das wäre schließlich ein Erfolgsrekord in der Nachkriegsgeschichte des Fischerstechens, sagt Obmann Schwendner. Danach müsse Beranek den Speer an einen Jüngeren abgeben – aus Altersgründen. Mit 50 Jahren sei Schluss für die Kämpfer.