Was mit dem Elektroschrott passiert
Verbraucher dürfen ausgediente Geräte beim Fachhändler abgeben. Dafür müssen sie allerdings einige Voraussetzungen beachten. Es geht um die Quadratmeter-Zahl des Geschäfts und die Kantenlänge des Produkts
Seit einem knappen Jahr sind viele Händler verpflichtet, Elektroschrott zurückzunehmen. Doch Verbraucherschützer, Deutsche Umwelthilfe und Branchenverbände ziehen eine durchwachsene Zwischenbilanz. Nachfrage gering, Aufwand hoch, lautet die Kritik von Handelsvertretern. Händler informierten zu wenig, dass Verbraucher bei ihnen Altgeräte loswerden können, monieren Verbraucher- wie Umweltschützer.
„Konsumenten nehmen nur das in Anspruch, von dem sie wissen“, sagte Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Händler würden oft nicht oder nur versteckt auf die Möglichkeit zur Rücknahme hinweisen. Diese müssten offensiver informieren, forderte Philip Heldt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Verbraucher dürfen seit Ende Juli 2016 ihre ausgedienten Elektrogeräte beim Händler abgeben – vorausgesetzt, das Geschäft hat 400 Quadratmeter Verkaufsfläche für Elektrogeräte. Bei Onlinehändlern wird deren Versand- und Lagerfläche berechnet. Nach dem Gesetz müssen Geräte mit einer Kantenlänge bis 25 Zentimeter ohne Kassenbeleg und ohne Kauf eines neuen Geräts zurückgenommen werden. Größere Geräte dürfen Kunden dagegen nur beim Kauf eines neuen kostenlos abgeben. Ziel des Gesetzes ist es, die Sammelquote für Elektroschrott zu erhöhen – also: mehr Wiederverwertung, weniger in die Schwarze Tonne.
„Anfangs hat faktisch nichts funktioniert“, sagte Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. Inzwischen sei es etwas besser geworden. Unter anderem würden Verbraucher nicht mehr ganz so häufig aus Geschäften weggeschickt. Probleme gebe es aber weiter – von Verbraucherfreundlichkeit könne keine Rede sein. Aktuell seien Tester im Auftrag der DUH in Deutschland unterwegs, die Baumärkte, Möbelhäuser und Elektrofachmärkte besuchen. Die Ergebnisse will die Umwelthilfe in einigen Wochen vorstellen. Nach einem Test im vergangenen Sommer hatte sie schwere Vorwürfe gegen Händler erhoben.
Bei den Verbraucherzentralen gab es allerdings nur Beschwerden über einzelne Händler. Einen Grund Experte Heldt darin, dass Verbraucher einfach nicht wissen, dass Elektrohändler alte Geräte zurücknehmen müssen. Vorwiegend sei es um Online-Anbieter gegangen. Einmal wollte etwa eine Spedition, die einen neuen Kühlschrank lieferte, den alten nicht mitnehmen.
Branchenverbände geben sich pflichtbewusst: Beim Bundesverband Onlinehandel (BVOH) gehe man „fest davon aus“, dass der betroffene Handel sich an die Gesetze und Regeln hält. Konkrete Zahlen zu Beschwerden liegen der Organisation nicht vor. „Wenn uns aber etwas verbesserungswürdig erscheint, machen wir Händler auch schon einmal darauf aufmerksam“, teilte der Verband auf Anfrage mit.
Seit 1. Juni dieses Jahres droht Händlern ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro, wenn sie Elektrogeräte nicht zurücknehmen. Den Bran- chenverbänden sind bislang aber keine Fälle von Bußgeldern bekannt. Onlinehandels-Präsident Oliver Prothmann sieht nach einem knappen Jahr Rücknahme-Pflicht die Annahme seines Verbands bestätigt, dass viel logistischer Aufwand für nichts betrieben werde. Online-Händler hätten monatliche Mehrkosten von mehreren hundert Euro, weil sie technische Möglichkeiten zur Rücknahme von Geräten zur Verfügung stellen müssten.
Ähnlich äußerten sich Vertreter des Bundesverbandes Technik des Einzelhandels: „Kleine Elektrogeräte werden weiterhin nur wenige im Handel abgegeben.“Auch Händler, die extra auffällige Rücknahmetheken für diese Geräte eingerichtet haben, würden bis heute kaum Rückläufe registrieren. Ausrangierte Elektro-Großgeräte wie Kühlschränke nehme der Fachhansieht del seit jeher freiwillig zurück. „Die Nachfrage ist gering bis nicht existent“, berichtete Prothmann. So bringen viele Verbraucher ihre alten Elektrogeräte zu Recyclinghöfen oder lassen sie beim Kauf eines großen neuen Gerätes – wie eines Kühlschranks – oft auch gegen Bezahlung – vom Lieferdienst abholen. DHUUmweltschützer Fischer hält dagegen: „Der Handel muss hier mehr tun.“An der geringen Nutzung der neuen Rücknahmeregelung sei der Handel schuld – nicht die Verbraucher. Die Denkweise der Händler sei zu oft: „Wir sind kein Mülllager, sondern wollen Sachen verkaufen.“
Ein Problem sieht Fischer in einer „Gesetzeslücke“: So müssten Discounter nichts zurücknehmen. Diese zählen mit ihren Wochenangeboten aber zu den größten Verkäufern kleiner Elektrogeräte – wie Föhne, Rasierer oder Radiowecker.
Zum Glück lassen sich Bürger durch regelungswütige Staaten schwer dressieren. Verbraucher entziehen sich der Bevormundung der Gesetze produzierenden Klasse. Menschen beharren auf ihrer Freiheit, auch weil Regelungen zu kompliziert sind und sich ihr Sinn nur schwer erschließt. Manchmal wohnt ihnen auch gar kein Sinn inne, wie zwei Beispiele überdeutlich zeigen.
So lockt die Bundesregierung als Beitrag zur Klimapolitik mit einer Kaufprämie von 4000 Euro für Elektroautos. Doch ein Jahr nach Einführung des Öko-Bonus ist klar: Die Große Koalition hat hier den dritten Schritt vor dem ersten getan. Denn am Anfang der Mobilitätswende muss ein europaweites Netz von Ladestationen für Strom-Autos stehen. Doch davon sind wir weit entfernt. Zudem sollte die Industrie – anders als heute – überzeugende Elektro-Modelle zu akzeptablen Preisen anbieten. Dann könnte eine Kaufprämie dem E-Wagen zum Durchbruch verhelfen. Doch noch gilt: Der Staat denkt, aber der Bürger lenkt eben weiter Diesel- und Benzinautos.
Wenn neue Einfälle des Gesetzgebers für Verbraucher schwer zu durchschauen sind, boykottieren sie die Regelungen. So scheiterte die Regierung bisher daran, Bürger dahingehend umzuerziehen, dass sie alte Elektrogeräte beim Händler abgeben. Dafür wurde die Richtlinie auf Lobbyisten-Druck mit zu vielen Ausnahmen versehen. Die absurdeste ist sicher, dass nur Geräte mit einer Kantenlänge von maximal 25 Zentimetern kostenlos zurückgenommen werden müssen, es sei denn, der Kunde kauft ein neues ähnliches Produkt. Der Verbraucher braucht also ein Maßband. ExFDP-Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt hatte schon recht, als er beklagte, Bürokratie liege wie Mehltau über dem Land.