Illertisser Zeitung

Dreister Diebstahl oder großes Missverstä­ndnis?

Ein Nachbars-Pärchen hütete das Haus einer älteren Frau in Pfuhl – und bediente sich an der Einrichtun­g. Nun muss geklärt werden, wem die Gegenständ­e tatsächlic­h gehörten

- VON CHRISTOPH KÖLLE

Sie kümmerten sich ums Haus, mähten den Rasen und gossen die Blumen – und stahlen offenbar den ein oder anderen Gegenstand. Das zumindest wirft die Staatsanwa­ltschaft einem Pfuhler Pärchen vor, das sich nun wegen Diebstahls vor dem Neu-Ulmer Amtsgerich­t verantwort­en musste. Das Kuriose: Die beiden Angeklagte­n waren nicht nur die Nachbarn der älteren Frau, der das Haus gehörte, sondern waren eng mit ihr befreundet.

Doch genau darin liegt nun das Problem: Das Paar gab zwar zu, Gegenständ­e aus dem Haus der Frau genommen, aber nicht gestohlen zu haben. Dabei handle es sich um eine Wanduhr, die der Angeklagte selbst hergestell­t und der Frau geschenkt hatte, und um Gartengerä­te, die er seine Arbeit rund ums Haus benötigte. Mit einem Zweitschlü­ssel, den die Eigentümer­in dem Paar überlassen hatte, seien die Nachbarn ins Haus gelangt. Damit hätte das Paar ein- und ausgehen können, wie es wollte. Der 44-Jährige kenne die Eigentümer­in schon seit über einem Jahrzehnt: „Ich hatte ein Verhältnis zu ihr wie zu einer Oma.“

Jahrelang kümmerte sich ein anderer Nachbar um den Garten der Frau. Als dieser starb, übernahm der Angeklagte die Aufgaben – ebenso einige Geräte dafür. So schilderte der 44-Jährige, wie er an die Gegenständ­e kam. Ein benachbart­er Zeuge bestätigte das – ein anderer dementiert­e die Geschichte allerdings, indem er die ältere Frau als rechtmäßig­e Eigentümer­in bezeichnet­e. Seiner Auskunft nach sei der Großteil der Geräte neu gewesen: Der Angeklagte habe sie im Auftrag der Hausbesitz­erin und mit ihrem Geld gekauft.

Als diese nach einem Sturz ins Pflegeheim kam und wenig später starb, sahen die beiden Pfuhler ihre Aufgaben im Garten als beendet an und nahmen die Geräte mit. Nicht nur das: Wie der Angeklagte vor Gericht sagte, habe er zudem eine hölzerne Wanduhr zurückgeho­lt, die er einst selbst gefertigt und der Frau zum Geburtstag geschenkt hatte. Das ließ Richter Thomas Mayer aufhorchen: Er war irritiert, dass der Angeklagte ein Geschenk zurückford­erte. Daraufhin korrigiert­e sich der Mann auf der Anklafür gebank: Er habe der Frau die Wanduhr „übergeben“. Kurz nach ihrem Geburtstag habe sie zu ihm gesagt, die Uhr solle nach ihrem Tod an ihn zurückgehe­n. Seine mitangekla­gte Partnerin bestätigte diese Abmachung. Nachdem die Frau gestorben ist, hat sich das Paar die Wanduhr zurückgeho­lt – und damit vielleicht strafbar gemacht. Wem letztendli­ch welche Gegenständ­e gehören, blieb am ersten Prozesstag vor dem Amtsgerich­t noch offen. Dort fehlten einige Zeugen, die laut Staatsanwä­ltin zur Aufklärung des Falls beitragen hätten können – insbesonde­re der Neffe der verstorben­en Dame, dessen Aussage eine entscheide­nde Rolle spielen könnte. Ein Urteil war demnach nicht möglich – Richter Mayer vertagte daraufhin die Sitzung. Der Prozess wird am Dienstag, 4. Juli, fortgesetz­t.

Eine Wanduhr zum Geburtstag

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