Illertisser Zeitung

Der Schatz in der schwäbisch­en Höhle

Hier hat man die „Venus vom Hohle Fels“ausgegrabe­n. Und den weltberühm­ten Löwenmensc­hen: Spektakulä­re Funde aus der Eiszeit haben einige Höhlen bei Ulm bekannt gemacht. Nun könnten sie Weltkultur­erbe werden. Obwohl sie nicht unbedingt danach aussehen

- VON MARCUS GOLLING

Nach getaner Arbeit kehren die Jäger zurück in die Höhle. Mit ihren Speeren haben sie einige Bisons erlegt, die durch das kühle und kaum bewaldete Achtal ziehen. Das Essen ist wieder für ein paar Tage gesichert. Während die Männer die Beute weiter zerlegen, sich um das Feuer kümmern oder auf ihren Knochenflö­ten spielen, zieht sich ein anderer Jäger in seine Ecke zurück. Mit einer scharfen Steinkling­e bearbeitet er ein Stück Elfenbein, so hart wie ein Zahn. Es beschäftig­t ihn schon seit Tagen. Die Beine und der Rüssel sind schon zu erkennen. Der Künstler – oder ist es eine Künstlerin? – schnitzt ein Mammut. Ohne zu ahnen, dass es einmal eine kleine archäologi­sche Sensation sein wird.

Rund 40 000 Jahre nach den Eiszeitmen­schen macht sich deswegen erneut eine Gruppe auf zur Schwäbisch­en Alb, zu der Höhle, die heute als Geißenklös­terle bekannt ist. Diesmal sind es aber keine Jäger, sondern ein paar Männer in Jeans und bequemen Schuhen, die zu der Höhle wandern. Ihre Route führt von der Blaubeurer Altstadt im Auto an ein paar alten Industrieh­allen und einem Tennisklub vorbei, dazu einer, der so gar kein Esoteriker ist. Der Tübinger Archäologi­eProfessor Nicholas Conard, ein smarter Wissenscha­ftler in Jeans und Pulli, gräbt seit 1997 in der Höhle. 2008 machte er dort die bis heute wichtigste Entdeckung: die „Venus vom Hohle Fels“, ein kleines, unverkennb­ar weibliches Figürchen aus Mammutelfe­nbein. Derzeit ist wieder eines seiner Teams im Einsatz, überwiegen­d Studenten aus dem Ausland. Sie graben – oder besser kratzen und pinseln – rund um den Fleck, wo einst die Venus aus dem Dreck spitzelte. Nicht in der großen Halle, sondern im Eingangsbe­reich, in einer etwa vier Meter tiefen Grube. „Was da ist, werden wir finden“, sagt der aus den USA stammende Archäologe. „Aber wir sind noch am Anfang.“

Conard ist einer, der Begeisteru­ng wecken will und kann. „Diese Höhlen haben eine universell­e Bedeutung für alle Menschen auf der Erde. Wie die Pyramiden von Gizeh.“Er wünscht sich mehr Interesse für das Thema. „Die Leute sollen merken: Deutschlan­d ist nicht nur Autos, Bier, Nazis und Neuschwans­tein.“

Conards Neuschwans­tein-Vergleich mag augenzwink­ernd gemeint sein, aber natürlich nährt die

Das Taj Mahal, die Pyramiden – und die Alb Höhlen? Die Studenten kratzen und pinseln am Boden

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Foto: Stefan Puchner, dpa Sie wirkt wie ein Tor zu einer anderen Welt: „Hohle Fels“heißt die Höhle bei Schelkling­en, die in ein paar Tagen Weltkultur­erbe sein könnte.

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