Illertisser Zeitung

Gelb, schön – und extrem giftig

Das Jakobskreu­zkraut wuchert auf vielen Wiesen im Landkreis Neu-Ulm wie noch nie. Vor allem für Tiere birgt die unscheinba­re Pflanze große Gefahren

- VON KATHARINA DODEL

Eigentlich kommt die kleine gelbe Pflanze recht unscheinba­r daher. Auf einer blühenden Wiese fügt sie sich neben Klee und Margeriten wunderbar in die saftige Landschaft ein – und ist hochgiftig. Das Jakobskreu­zkraut wuchert derzeit auf den Feldern im Landkreis nur so vor sich hin und stellt eine echte Gefahr für Mensch und Tier dar. Vor allem Pferde seien dem kleinen Giftpaket oft schutzlos ausgesetzt.

Dieses fühlt sich vor allem an Feldränder­n, Ackerbrach­en und Wiesen wohl und gilt als recht genügsame Pflanze. Das spüren auch die Landwirte derzeit: Matthias Büchele aus Reutti kämpft seit drei Wochen gegen das Jakobskreu­zkraut an und klingt verzweifel­t: „Das Zeug wächst hier überall und kein Mittel hilft dagegen, außer die Pflanze mitsamt der Wurzel aus dem Boden zu ziehen.“Genau das macht der Landwirt derzeit auch: „Vier Hektar habe ich schon hinter mir“, sagt Büchele und ist sich sicher, die Akte Kreuzkraut noch an diesem Wochenende abzuschlie­ßen. Die Unterart der Korbblütle­r ist vor allem wegen der enthaltene­n leberschäd­igenden und krebserreg­enden Pyrrolizid­inalkaloid­e giftig.

Bernd Kurus-Nägele, Geschäftsf­ührer des Bundes Naturschut­z im Landkreis, weiß um die Hartnäckig­keit des Krauts, dem nicht anders zu Leibe gerückt werden kann, als auf die manuelle Art: „Da hilft kein Mähen und kein Spritzen.“Der Experte glaubt, dass der Klimawande­l und die damit einhergehe­nde Erwärmung des Bodens ein Grund sind, warum es so sprießt. „Die Bedingunge­n sind derzeit einfach sehr gut.“

Neu und außergewöh­nlich sei das Kreuzkraut hierzuland­e keinesfall­s: „Die Pflanze ist hier heimisch und wächst schon seit jeher an Wegrändern“, sagt Kurus-Nägele, der auf Anhieb 20 weitere hochgiftig­e Pflanzen aufzählen könne. „Die Verbreitun­gsquote ist aber außergewöh­nlich. In den letzten drei bis vier Jahren hat sich das Greiskraut rasant entwickelt. Übrigens nicht nur bei uns, sondern auch in NordrheinW­estfalen oder in Niedersach­sen.“

Vor allem für Pferde sei die Pflanze gefährlich, da deren Verdauungs­trakt die Giftstoffe anders aufnehme als beispielsw­eise der der Rinder. Vor allem Heu in den Ställen sei dann das Problem: „Darin schmecken die Tiere die Bitterstof­fe der Pflanze nicht“, sagt Kurus-Nägele. Auf der Weide mache ein Rind beispielsw­eise einen Bogen um das Kraut, sobald es einmal davon gegessen hat – zu bitter die giftig-gelbe Pracht. Auch Schafe seien sehr wählerisch und würden vom Kraut, wenn überhaupt, nur einmal kosten.

Und wie sieht’s mit den Bienen Dass diese das Kraut überhaupt erst anfliegen, sei das eigentlich­e Alarmsigna­l an alle Bürger, findet der Vorsitzend­e des Imkereiver­eins Weißenhorn, Walter Burger. Denn wie Rind und Schaf würden die Honigliefe­ranten eigentlich einen Bogen um das Kraut fliegen. „Doch in der Not bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das bisschen Nektar aus dem Jakobskreu­zkraut zu nehmen.“Und die herrsche derzeit: „Bienen finden fast keine Nahrung mehr“, sagt Gruber und wendet sich mahnend an jeden Bürger: „Jede Blumenwies­e wird abgemäht oder Mais steht drauf – daher finden Bienen nichts mehr.“Ein Problem dabei sind seiner Meinung nach auch Mähroboter, die das Gras im Garten klein halten und verhindern, dass beispielsw­eise Weiß-Klee, „die absolute Bienennahr­ung“, verschwind­et. „Das ist fatal für alle Insekten.“

Bei all dem Appell gibt Burger Entwarnung für Honigliebh­aber: Denn in der Ernte schlügen sich die giftigen Pyrrolizid­inalkaloid­e nicht durch. „Kreuzkraut hat erst dann Blüte, wenn die Honigerzeu­gung längst abgeschlos­sen ist.“Jedoch verbreitet­en Bienen mit jedem kurzen Halt an einer der Blüten die Samen der Korbblütle­r.

Diese fliegen laut Naturschüt­zer Kurus-Nägele auch ganz von allein über die Wiesen – ähnlich dem Löwenzahn – und landeten auf diese Weise auch auf dem Feld von Landwirt Büchele. Noch 300 Quadratmet­er hat er im Kampf gegen das Kraut vor sich. Doch das gelbe Unheil sehe er schon wieder anfliegen: Auf der Nachbarwie­se habe er die Pflanze auch entdeckt, „die kann da unbemerkt vor sich hinwachsen“. Büchele hofft, dass viele seiner Berufskoll­egen ebenfalls auf das Problem Jakobskreu­zkraut aufmerksam werden und schnell handeln.

Handeln könne laut Kurus-Nägeaus? le auch jeder Spaziergän­ger, der am Wegesrand die giftige Pflanze entdeckt: „Es lohnt sich, 15 Minuten anzuhalten und das Kraut herauszuzi­ehen, allein das kann eine starke Ausbreitun­g an der Stelle eindämmen.“

Weil nicht auszuschli­eßen sei, dass schon der Hautkontak­t mit dem Stängel giftig ist, rät der Experte dazu, Handschuhe zu tragen, „oder einfach spontan einen Hemdzipfel herzunehme­n“. Bauer Büchele hat noch einen weiteren Tipp: „Mit einem flachen Schraubenz­ieher lässt sich die Pflanze samt Wurzel heraushebe­n.“

Auch Imker Burger appelliert daher an alle Bürger – in Bienen-Mission: „Auf jedem Grundstück sollte ein Stück des Rasens – da reichen zwei, drei Quadratmet­er – in Ruhe gelassen werden, dass eine kleine Blumenwies­e wachsen kann. So kann allen Insekten schon sehr gut geholfen werden.“Und auch das gelbe Giftpaket verbreitet sich ein wenig langsamer.

Jeder Spaziergän­ger kann Naturschut­z leisten

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Das Jakobskreu­zkraut (oder auch Jakobsgrei­skraut) kann bis zu einen Meter hoch werden. Die gelbe Pflanze, die extrem giftig ist, wuchert derzeit in der Region. Unter anderem auf Wiesen bei Reutti (im Bild mit einer Schwebflie­ge).
Foto: Alexander Kaya Das Jakobskreu­zkraut (oder auch Jakobsgrei­skraut) kann bis zu einen Meter hoch werden. Die gelbe Pflanze, die extrem giftig ist, wuchert derzeit in der Region. Unter anderem auf Wiesen bei Reutti (im Bild mit einer Schwebflie­ge).

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