Gelb, schön – und extrem giftig
Das Jakobskreuzkraut wuchert auf vielen Wiesen im Landkreis Neu-Ulm wie noch nie. Vor allem für Tiere birgt die unscheinbare Pflanze große Gefahren
Eigentlich kommt die kleine gelbe Pflanze recht unscheinbar daher. Auf einer blühenden Wiese fügt sie sich neben Klee und Margeriten wunderbar in die saftige Landschaft ein – und ist hochgiftig. Das Jakobskreuzkraut wuchert derzeit auf den Feldern im Landkreis nur so vor sich hin und stellt eine echte Gefahr für Mensch und Tier dar. Vor allem Pferde seien dem kleinen Giftpaket oft schutzlos ausgesetzt.
Dieses fühlt sich vor allem an Feldrändern, Ackerbrachen und Wiesen wohl und gilt als recht genügsame Pflanze. Das spüren auch die Landwirte derzeit: Matthias Büchele aus Reutti kämpft seit drei Wochen gegen das Jakobskreuzkraut an und klingt verzweifelt: „Das Zeug wächst hier überall und kein Mittel hilft dagegen, außer die Pflanze mitsamt der Wurzel aus dem Boden zu ziehen.“Genau das macht der Landwirt derzeit auch: „Vier Hektar habe ich schon hinter mir“, sagt Büchele und ist sich sicher, die Akte Kreuzkraut noch an diesem Wochenende abzuschließen. Die Unterart der Korbblütler ist vor allem wegen der enthaltenen leberschädigenden und krebserregenden Pyrrolizidinalkaloide giftig.
Bernd Kurus-Nägele, Geschäftsführer des Bundes Naturschutz im Landkreis, weiß um die Hartnäckigkeit des Krauts, dem nicht anders zu Leibe gerückt werden kann, als auf die manuelle Art: „Da hilft kein Mähen und kein Spritzen.“Der Experte glaubt, dass der Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung des Bodens ein Grund sind, warum es so sprießt. „Die Bedingungen sind derzeit einfach sehr gut.“
Neu und außergewöhnlich sei das Kreuzkraut hierzulande keinesfalls: „Die Pflanze ist hier heimisch und wächst schon seit jeher an Wegrändern“, sagt Kurus-Nägele, der auf Anhieb 20 weitere hochgiftige Pflanzen aufzählen könne. „Die Verbreitungsquote ist aber außergewöhnlich. In den letzten drei bis vier Jahren hat sich das Greiskraut rasant entwickelt. Übrigens nicht nur bei uns, sondern auch in NordrheinWestfalen oder in Niedersachsen.“
Vor allem für Pferde sei die Pflanze gefährlich, da deren Verdauungstrakt die Giftstoffe anders aufnehme als beispielsweise der der Rinder. Vor allem Heu in den Ställen sei dann das Problem: „Darin schmecken die Tiere die Bitterstoffe der Pflanze nicht“, sagt Kurus-Nägele. Auf der Weide mache ein Rind beispielsweise einen Bogen um das Kraut, sobald es einmal davon gegessen hat – zu bitter die giftig-gelbe Pracht. Auch Schafe seien sehr wählerisch und würden vom Kraut, wenn überhaupt, nur einmal kosten.
Und wie sieht’s mit den Bienen Dass diese das Kraut überhaupt erst anfliegen, sei das eigentliche Alarmsignal an alle Bürger, findet der Vorsitzende des Imkereivereins Weißenhorn, Walter Burger. Denn wie Rind und Schaf würden die Honiglieferanten eigentlich einen Bogen um das Kraut fliegen. „Doch in der Not bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das bisschen Nektar aus dem Jakobskreuzkraut zu nehmen.“Und die herrsche derzeit: „Bienen finden fast keine Nahrung mehr“, sagt Gruber und wendet sich mahnend an jeden Bürger: „Jede Blumenwiese wird abgemäht oder Mais steht drauf – daher finden Bienen nichts mehr.“Ein Problem dabei sind seiner Meinung nach auch Mähroboter, die das Gras im Garten klein halten und verhindern, dass beispielsweise Weiß-Klee, „die absolute Bienennahrung“, verschwindet. „Das ist fatal für alle Insekten.“
Bei all dem Appell gibt Burger Entwarnung für Honigliebhaber: Denn in der Ernte schlügen sich die giftigen Pyrrolizidinalkaloide nicht durch. „Kreuzkraut hat erst dann Blüte, wenn die Honigerzeugung längst abgeschlossen ist.“Jedoch verbreiteten Bienen mit jedem kurzen Halt an einer der Blüten die Samen der Korbblütler.
Diese fliegen laut Naturschützer Kurus-Nägele auch ganz von allein über die Wiesen – ähnlich dem Löwenzahn – und landeten auf diese Weise auch auf dem Feld von Landwirt Büchele. Noch 300 Quadratmeter hat er im Kampf gegen das Kraut vor sich. Doch das gelbe Unheil sehe er schon wieder anfliegen: Auf der Nachbarwiese habe er die Pflanze auch entdeckt, „die kann da unbemerkt vor sich hinwachsen“. Büchele hofft, dass viele seiner Berufskollegen ebenfalls auf das Problem Jakobskreuzkraut aufmerksam werden und schnell handeln.
Handeln könne laut Kurus-Nägeaus? le auch jeder Spaziergänger, der am Wegesrand die giftige Pflanze entdeckt: „Es lohnt sich, 15 Minuten anzuhalten und das Kraut herauszuziehen, allein das kann eine starke Ausbreitung an der Stelle eindämmen.“
Weil nicht auszuschließen sei, dass schon der Hautkontakt mit dem Stängel giftig ist, rät der Experte dazu, Handschuhe zu tragen, „oder einfach spontan einen Hemdzipfel herzunehmen“. Bauer Büchele hat noch einen weiteren Tipp: „Mit einem flachen Schraubenzieher lässt sich die Pflanze samt Wurzel herausheben.“
Auch Imker Burger appelliert daher an alle Bürger – in Bienen-Mission: „Auf jedem Grundstück sollte ein Stück des Rasens – da reichen zwei, drei Quadratmeter – in Ruhe gelassen werden, dass eine kleine Blumenwiese wachsen kann. So kann allen Insekten schon sehr gut geholfen werden.“Und auch das gelbe Giftpaket verbreitet sich ein wenig langsamer.
Jeder Spaziergänger kann Naturschutz leisten