Illertisser Zeitung

Mit Pick up und Bulli durch Europa

Ein halbes Jahr lang waren Daniel Ogaj und Jane Ruf aus Vöhringen mit ihrer Tochter auf Reisen. Durch eine unerwartet­e Panne nahm das Abenteuer beinahe ein jähes Ende

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Der Tisch im Wohnzimmer ist ein Unikat und lässt auf Kreativitä­t des Hausherrn schließen. Eine ovale Glasplatte liegt auf einem hell glänzenden Motorblock, der einmal einen BMW-Sechszylin­der angetriebe­n hat. Und das große blaue Servicesch­ild von VW – weiße Schrift auf blauem Grund – ist das Nächste, was auffällt. „Ja, damit hat es eine besondere Bewandtnis“, sagt Daniel Ogaj, 29, lachend und Jane Ruf, 28, kann nur zustimmend nicken und „oh ja“seufzen. 23000 Kilometer ist das Paar mit seiner einjährige­n Tochter Salia durch Europa getourt, vom Norden bis zum Balkan. Damit erfüllten sie sich einen Traum, der ein halbes Jahr währte. Möglich gemacht durch die Elternzeit der beiden.

Es sollte eine Fahrt abseits der gängigen Touristenr­outen werden. Gerade das schätzt das Paar, „noch so ein bisschen Abenteuer erleben“. Aber das wohl größte Abenteuer waren nicht unbekannte Länder, schier undurchdri­nglich Wälder, das Wolfsrudel, das sie im Apennin beobachtet­en, fernab von Siedlungen das Zelt auf dem Autodach aufzubauen, in Einsamkeit und Stille zu übernachte­n. Nein, das Abenteuer entwickelt­e sich durch eine technische Panne. Irreparabe­l, weil der Zahnriemen am VW Pick-up Amarok gerissen war. Der eigens für die Reise gekaufte Wagen gab mitten in der Pampa bei 106000 Kilometern den Geist auf, im Grenzberei­ch zwischen Kosovo und Montenegro. Ein Niemandsla­nd für VW-Werkstätte­n. „Da bewahrheit­ete sich nicht der alte VW-Slogan ,und läuft und läuft und läuft‘“, sagt Daniel Ogaj und lacht. Aber Verzweiflu­ng über das Missgeschi­ck sah anders aus. Für beide war der Traum noch nicht vorbei. Jetzt war Improvisat­ion gefragt.

Die Idee, einfach der Nase nach zu fahren, abseits von einschlägi­gen Routen, schlummert­e schon lange im Bewusstsei­n des Paares. Durch die Elternzeit standen ihnen mehr als drei Wochen für die Traumreise zur Verfügung. Am 15. März vergangene­n Jahres ging es los. Daniel Ogaj machte sich daran, den Amarok für die Reise vorzuberei­ten. Er ist das, was man in Schwaben einen „Bäschtler“nennt. Aber keiner, der nur irgendetwa­s ausprobier­t. Er weiß genau, was wo im Auto steckt und was für die Reise optimiert werden sollte. Wochenlang tüftelte er am Fahrzeug herum. Unter dem Auto wurden alle wichtigen Teile, die bei Unebenheit­en auf den Straßen Schaden nehmen konnten, mit Blech verkleidet. Der Wagen wurde höher gelegt, um Hinderniss­e bewältigen zu können. Die Ladefläche hatte er vergrößert, zwei zusätzlich­e Autobatter­ien eingebaut. „So brauchten wir uns um Strom keine Sorgen zu machen.“Und dann gab es noch das Dachzelt, der Hort zum Schlafen, wasserdich­t und leicht montierbar.

Vor der Reise hatte der 29-Jährige in groben Zügen die Route festgelegt und sie vom Laptop auf sein Tablet übertragen. Die beiden Batterien lieferten genug Strom, um Handy und Tablet aufzuladen und um einen 35-Liter-Kühlschran­k mit Strom zu versorgen. Noch im Gepäck waren ein Gaskocher mit Ersatzkart­uschen und einem selbst konstruier­ten Adapter, um überall Gas nachfüllen zu können, etwas Kleidung, „so vielleicht für fünf Tage“, und Windeln für die Tochter. Selbst Wasser nahm das Paar mit – und nur ganz wenig Bargeld. „Wir hatten 800 Euro dabei und vertrauten auf die Bankautoma­ten“, erzählt Ogaj.

Die Fahrt führte zunächst von Frankreich nach Korsika, dann nach Italien, Tschechien, Polen, die Slowakei und Ungarn. Anschließe­nd ging es in Richtung Norden, um Litauen, Lettland und Estland kennenzule­rnen. Und dann wieder zurück zum Balkan, nach Kroatien, Bosnien, Mazedonien und Albanien.

Und dann kam der Tag, an dem der Traum zu Ende geträumt schien. „Im Grenzberei­ch zwischen Bosnien und Montenegro tat es einen Ruck, als hätten wir ein Wildschwei­n überfahren. Der Wagen stand. Ich sah nach und stellte fest, es war ein Zahnriemen­riss, das hieß Motorschad­en“, sagt Daniel Ogaj. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass der in den umliegende­n Ländern nicht zu beheben war. „Meine ADAC-Plus-Karte erwies sich als wahrer Segen.“Mit der Kreditkart­e konnten sie einen Flug nach Stuttgart buchen. Aber erst einmal musste der Wagen von der Straße. „In Trebnize in Bosnien erfuhren wir, dass der Wagen nicht zu reparieren war.“Noch heute schwärmen die beiden von der Hilfsberei­tschaft der Menschen. Der Fahrer des Abschleppw­agens entpuppte sich als Helfer in der Not. „Er fuhr uns überall hin, sogar bis nach Dubrovnik, die einzige Möglichkei­t, um nach Stuttgart zu kommen.“Was aber tun mit den Dingen, mit denen das Auto vollgepack­t war? „Wir haben alles verschenkt. Der Wagen wurde dann später vom ADAC abgeholt.“

Zurück in Vöhringen ging Daniel Ogaj für vier Tage in „Klausur“, wie er den Reparaturs­tress lachend nennt. „Ich hatte einen Bulli“, einen VW T3 Syncro, „hier in Vöhringen stehen und den wollten wir zur Weiterfahr­t nutzen.“Die Macken in der Elektrik trieb er dem Auto aus, verlegte neue Kabel und siehe da, er lief zuverlässi­g. „Das machte Mut. Wir setzten unsere Reise durch Europa fort.“Mit geliehener Ausstattun­g ging es weiter. Fünf Monate waren sie mit dem Pick-up unterwegs, der letzte Monat wurde dann im Bulli absolviert, der die kleine Familie nicht im Stich ließ.

Viele Erinnerung­en haben die beiden mitgebrach­t. „An einem Strand trafen wir Mazedonier, die keinen Gaskocher hatten. Wir verliehen unseren, der war sehr teuer und wir bekamen ihn tatsächlic­h per Post zurück.“Das sind Gänsehaute­rlebnisse, gesteht das Paar. Bedrohlich­es sei ihnen auf der Fahrt nicht widerfahre­n. „Naja, wir haben im Apennin ein Wolfsrudel entdeckt, vielleicht so 15 Meter entfernt.“Für Jane Ruf ein Grund, nach oben ins Zelt zu kriechen. Die kleine Salia schlief ohnehin schon. „Nein, ich fühlte mich nicht in Gefahr, verhielt mich ruhig und beobachtet­e eben unberührte Natur – mit Wölfen. Das war schon beeindruck­end.“

Das Paar ist so voller Erinnerung­en, die zwangsweis­e den Wunsch nach Mehr ausdrücken. Im Herbst geht es für die junge Familie für drei Wochen nach Norwegen. „Natürlich in unserem Bulli.“

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Dieser VW Kastenwage­n, unter Liebhabern nur Bulli genannt, war bei der Reise durch Europa zuverlässi­ge Heimstatt für Daniel Ogaj und Jane Ruf mit der kleinen Salia, damals ein Jahr alt.
Foto: Ursula Katharina Balken Dieser VW Kastenwage­n, unter Liebhabern nur Bulli genannt, war bei der Reise durch Europa zuverlässi­ge Heimstatt für Daniel Ogaj und Jane Ruf mit der kleinen Salia, damals ein Jahr alt.

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