„Wir werden den Verrätern den Kopf abreißen“
Präsident Erdogan verschärft den Ton, Juncker will Tür nach Europa aber offenhalten
Ein Jahr nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei haben hunderttausende Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan dessen gnadenloses Vorgehen gegen die Putschisten unterstützt. „Wir werden diesen Verrätern den Kopf abreißen“, rief Erdogan am Samstagabend der jubelnden Menge in Istanbul zu. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will der Türkei dennoch die Tür nach Europa offenhalten.
In Erinnerung an den Umsturzversuch vom 15. Juli hatte die islamisch-konservative Regierung der Türkei eine ganze Serie von Kundgebungen, Gedenkfeiern, Aufmärschen und Reden von Samstag bis Sonntag früh aneinandergereiht. Erdogan sprach nicht nur bei der Großkundgebung in Istanbul, sondern auch bei einer Sondersitzung des Parlaments in Ankara und bei weiteren Gedenkfeiern. Dabei erneuerte der Präsident sein Plädoyer für eine Wiedereinführung der Todesstrafe. Und er sprach sich dafür aus, dass die Putschisten in spezieller Gefangenenkleidung ähnlich der berüchtigten orangefarbenen Overalls der Insassen des US-Lagers Guantanamo den Gerichten vorgeführt werden sollten. Viele Zuhörer skandierten Parolen für die Todesstrafe, manche trugen sogar Schlingen mit sich. „Wir sind Tayyips Soldaten!“, skandierte die Menge.
Die EU hat bereits deutlich gemacht, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe automatisch das Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bedeuten würde. Kommissionspräsident Juncker hob aber hervor, dass trotz aller Meinungsverschiedenheiten „Europas Hand ausgestreckt“bleibe. Doch forderte er in einem Beitrag für die
dass die Türkei ihrerseits „europäische Grundwerte nachdrücklich beherzigt“. Damit sei es beispielsweise nicht vereinbar, „wenn Journalisten wie der
Deniz Yücel monatelang ohne Anklage in Einzelhaft sitzen“. Die türkische Regierung macht den einstigen Weggefährten Erdogans, den islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Der in den USA im Exil lebende Gülen weist jede Verwicklung zurück und wirft Erdogan eine „Hexenjagd“gegen seine Anhänger vor. Seit der Niederschlagung des Putsches wurden mehr als 50000 Menschen in der Türkei inhaftiert sowie mehr als 100000 aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert. Betroffen sind nicht nur angebliche Gülen-Anhänger wie Soldaten, Polizisten, Staatsanwälte oder Richter, sondern auch kurdische und andere Oppositionelle, kritische Journalisten und unabhängige Wissenschaftler.
Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warf der Regierung in der Sondersitzung des Parlaments erneut vor, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und ihre Gegner auszuschalten. Gleichzeitig forderte er die vollständige Aufklärung der Hintergründe des Putsches. Der Vorwurf, die Regierung habe schon vorab von dem Putsch gewusst, ihn kontrolliert und dann gezielt zum Ausschalten von Gegnern genutzt, wies Erdogan bei den Feiern erneut scharf zurück.
Hallo, hier spricht Erdogan