Illertisser Zeitung

Den Bibern auf der Spur

Der 84-jährige Karl Thoma ist Biberberat­er. Das heißt, er versucht die Schäden, die die Tiere hinterlass­en, einzudämme­n. Das ist gar nicht so einfach, denn sie vermehren sich rasant

- VON DOROTHEA BRUMBACH UND FELICITAS MACKETANZ

Es ist noch früh am Morgen, der Wind fegt über das Bucher Ried und ein paar Regentropf­en fallen, als der 84-jährige Karl Thoma aus Buch im Bereich „Graben am Hötlesteil“sein Auto anhält. Im Kofferraum liegt sein 13-jähriger Jagdhund Alex, ein Deutsch-Drahthaar, auf der Decke und möchte anscheinen­d gerne weiterschl­afen. Thoma zieht währenddes­sen schon einmal seine blaue, wasserfest­e Schürze an und nimmt die zwei Meter lange Stange mit den Greifhaken am Ende aus dem Kofferraum. Der Biberbeauf­tragte weiß genau, was ihn erwarten kann.

Seit sieben Jahren begibt sich Thoma täglich bei Wind und Wetter auf seinen Biberkontr­ollgang. Nur wenige Meter von einer viel befahrenen Straße entfernt kämpft er sich durch eine oftmals unzugängli­che Niedermoor­landschaft. Eine geringe Aufwandsen­tschädigun­g deckt die Benzinkost­en. Er hat in diesen sieben Jahren den Biber und seine Eigenarten genau studiert – hat der einmal Oberwasser, versäuft das ganze Gebiet, so Thoma. Er könne Bücher darüber schreiben. Exemplare, die mehr als 30 Kilogramm und eine Schwanzlän­ge von über einen Meter haben, hat er auf seiner Pirsch schon beobachtet. In ihren weit aufgerisse­nen Mäulern und mithilfe ihrer Vorderbein­e transporti­eren sie Schlamm und Geröll zu ihren Biberdämme­n. Die Folgen der Bauten und der dadurch entstanden­en Schäden sind vor allem für Landwirte erheblich.

So wie im Jahr 2010, dem Jahr, in dem Thoma Biberbeauf­tragter wurde. Biber hatten im Bucher Ried schlimme Zerstörung­en angerichte­t, diese konnten letztlich auch nicht mit Geldern aus dem Biberfonds komplett reguliert werden. Michael Angerer von der Unteren Naturschut­zbehörde des Landratsam­tes in Neu-Ulm machte sich bei einem Ortstermin im Ried mit einigen Mitglieder­n der Jagdgenoss­enschaft ein Bild davon, welche Schäden die Tiere auf den landwirtsc­haftlichen Flächen aber auch bei anderen Tierarten, die unter Artenschut­z stehen, angerichte­t hatten. Noch heute sind die abgestorbe­nen Birken an der Staatsstra­ße 2018 in Richtung Illertisse­n zu sehen. „Die Landschaft sah verheerend aus,“erinnert sich Thoma. Damals schwammen die Enten im Maisfeld in Kolbenhöhe. Auch das Straßenbau­amt zeigte sich über die Situation besorgt, denn die Staatsstra­ße hätte Schaden nehmen In dieser Zeit absolviert­e Thoma einen Lehrgang und wurde anschließe­nd für den Bucher Bereich als Biberberat­er von Landratsam­t Neu-Ulm eingesetzt.

Laut Angerer hat das Landratsam­t vor etwa 20 Jahren mit gerade einmal zwei solcher Berater begonnen, doch aufgrund der Vermehrung der Tiere musste auf die derzeit zehn Experten aufgestock­t werden. „Vor 30 Jahren hatten wir keine Biber in unserer Region“, erklärt Angerer. Inzwischen seien es 500 Exemplare. 1990 gab es laut Angerer den ersten Biber im Landkreis Neu-Ulm. „Jetzt ging es ohne die Ehrenamtli­chen gar nicht mehr“, sagt der Fachmann.

Als Thoma begonnen hat, waren es 13 Biber, die einen 100 Meter langen Hauptdamm gebaut und viele Hektar landwirtsc­haftlicher Flächen unter Wasser gesetzt hatten. Ein Kettenbagg­er war notwendig, um diese Anlage, die zum Teil aus vier Meter langen Bäumen, Grasgeflec­ht und Schlamm bestand, zu entsor- gen. Knochenarb­eit für den Biberberat­er – so wie heute auch. Doch das gehört zu seinen Aufgaben: Laut Angerer muss der Berater nämlich nicht nur die von Schäden betroffene­n Bürger informiere­n und über die Tiere aufklären, sondern auch selbst Hand anlegen. Wenn eine Prävention­smaßnahme keine Wirkung zeigt, wird vom Biberberat­er verlangt, das Tier mit einer Falle zu fangen oder gar zu töten. „Das sind aber Einzelfäll­e“, sagt Angerer, der die Berater von Neu-Ulm aus koordinier­t und die Anrufe der von Bibern geplagten Menschen entgegenni­mmt. Ein Draht um einen Baumstamm soll Biber daran hindern, den Stamm zu durchnagen. Auch ein Stück alte Hundedecke am Baum erfüllt ihren Zweck und macht das Tier nervös, weiß Thoma.

Inzwischen ist er an einem Abwassergr­aben angekommen. Dort, wo vor Kurzem noch Wasser floss, hat der Biber über Nacht – über seine selbst angelegte Wasserstra­ße – Bauholz herangesch­afft. Das Kornfeld auf der anderen Seite versucht er auch schon in Besitz zu nehmen. Nun ist Thoma gefragt. Mit seiner langen Gabel räumt der 84-Jährige nach und nach das schon feste Funkönnen. dament weg. Große Äste landen neben dem Graben, wo sich bereits andere Holzhaufen bis zu drei Meter hoch auftürmen. Währenddes­sen erzählt der Biberberat­er aus seinem Leben. Schon immer sei er mit der Natur verbunden gewesen und, wie er sagt, „halbwild“in Ritzisried aufgewachs­en. „Mein Lehrer, Alois Bauer

(Anmerkung der Redaktion: Begründer der ehemaligen Waldschule),

der selber ein passionier­ter Jäger war, hat durch seinen Unterricht mit dazu beigetrage­n.“Nach seiner Ausbildung bei der Schreinere­i Vogt in Illertisse­n machte er sich als Meister in Buch selbststän­dig. 45 Jahre lang betrieb Thoma außerdem die Bucher Jagd. All die Jahre unterstütz­te ihn dabei seine Frau Frieda.

Jetzt beginnt für Thoma ein neues Kapitel: Der 84-Jährige möchte dieses Jahr sein Ehrenamt als Biberberat­er aus Altersgrün­den abgeben. Wer sein Nachfolger wird, ist unklar. Thoma weiß jedoch, wenn der Kontrollga­ng ausbleibt, werden die Tiere Hektar um Hektar im Ried zurückgewi­nnen. Und auch Michael Angerer gibt an, dass er im Landkreis weiterhin mit zehn Biberberat­ern arbeiten möchte. „Wir sind ein schöner Kreis“, sagt er.

Inzwischen gibt es 500 Biber im Landkreis Neu Ulm

 ?? Foto: Dorothea Brumbach ?? In nur einer Nacht hat der Biber den Abwasserka­nal wieder dicht gemacht. Karl Thoma muss deshalb den Damm beseitigen. Rechts: Der Kanal, den der Biber eigens zum Transporti­eren seines Holzes angelegt hat.
Foto: Dorothea Brumbach In nur einer Nacht hat der Biber den Abwasserka­nal wieder dicht gemacht. Karl Thoma muss deshalb den Damm beseitigen. Rechts: Der Kanal, den der Biber eigens zum Transporti­eren seines Holzes angelegt hat.

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