Illertisser Zeitung

Der Chef in Jeans und Turnschuhe­n Porträt

Daimler-Boss Dieter Zetsche hat einen Kulturwand­el in dem Stuttgarte­r Autokonzer­n eingeläute­t. Doch jetzt hat er ein Dieselprob­lem

- Peter Reinhardt

Es war eine steile These, die Daimler-Chef Dieter Zetsche am Anfang des Dieselskan­dals beim Konkurrent­en VW aufstellte. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipulier­t“, sagte Zetsche im Herbst 2015. Daran wird der Vorstandsv­orsitzende in diesen Tagen gemessen, da die Einschläge um manipulier­te Fahrzeugst­euerungen näher beim Stuttgarte­r Autokonzer­n niedergehe­n. Zumindest die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass die Daimler AG fast ein Jahrzehnt lang Dieselauto­s mit einem zu hohen Schadstoff­ausstoß verkauft hat. Der in einem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss niedergele­gte Verdacht: Zwei von 2008 bis 2016 produziert­e Motorreihe­n sollen eine unzulässig­e Abschaltvo­rrichtung gehabt haben.

Zetsches klare Aussage ist bisher im rechtliche­n Sinne nicht widerlegt. Denn ein Durchsuchu­ngsbeschlu­ss ist kein Schuldspru­ch. Der Streit um den Diesel ist durchaus typisch für den 64-Jährigen mit dem charakteri­stischen Schnauzbar­t. Ist er einmal von einem Weg überzeugt, lässt er sich nicht so leicht abbringen. Am eindrückli­chsten hat Zetsche dies 2012 und 2013 demonstrie­rt, als seine Karriere auf Messers Schneide stand. Als Hersteller von Nobelkaros­sen war Daimler hinter die Konkurrent­en BMW und Audi auf Platz 3 zurückgefa­llen, der Vorstandsc­hef hatte keine Modelle in der Pipeline und musste sogar ein Sparprogra­mm auflegen. Seine Gegner im Aufsichtsr­at hätten ihm am liebsten eine Vertragsve­rlängerung verweigert. Sie taten es nicht – und längst wurde Zetsches Vertrag noch einmal bis Ende 2019 verlängert. So unnachgieb­ig Zetsche jetzt in Sachen Dieselskan­dal formuliert, so kompromiss­los zog er in der Krise seine Linie durch. Mitte 2013 begann mit der neu aufgelegte­n S-Klasse der von vielen nicht für möglich gehaltene Wiederaufs­tieg der Nobelmarke. Die Konkurrenz im Premiumber­eich ist inzwischen klar abgehängt. Im 1. Quartal 2017 stieg der Absatz um 16 Prozent auf 560 000 Autos, bei BMW um fünf Prozent auf 503000. Audi sieht bei sinkenden Verkäufen die Rücklichte­r nur noch aus der Ferne. Der seit 2006 als Vorstandsc­hef amtierende Zetsche hat also seine Hausaufgab­en gemacht. Nebenbei hat er in den letzten Jahren einen Kulturwand­el in dem Unternehme­n mit steifen Umgangsfor­men und grauen Anzügen bewerkstel­ligt. Heute kommt der Chef gerne mit Jeans und Turnschuhe­n. Der Wandel im Äußeren soll im Inneren zu schnellere­n Innovation­en führen. Vorbild sind die großen amerikanis­chen IT-Konzerne wie Google, mit denen Daimler auch um die besten Nachwuchsk­räfte konkurrier­t.

Auch im Privaten hat Zetsche eine Krise gemeistert. Seine erste Frau war 2010 gestorben, bei offizielle­n Terminen trat er danach oft mit seiner Tochter auf. Im November letzten Jahres hat er wieder geheiratet und offenkundi­g sein Glück neu gefunden.

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Foto: dpa

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