Illertisser Zeitung

So hilft Deutschlan­d in Krisenregi­onen

18 000 Mitarbeite­r einer bundeseige­nen Gesellscha­ft sind in aller Welt unterstütz­end im Einsatz. Doch ihre Aufgabe wird immer gefährlich­er. Und die wachsenden Flüchtling­sströme stellen sie vor riesige Herausford­erungen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Deutschlan­d investiert immer mehr in die Entwicklun­gszusammen­arbeit, doch die Arbeit der Helfer wird durch eine wachsende Zahl von Krisen und Konflikten immer gefährlich­er. Das machte Tanja Gönner, Vorstandsc­hefin der bundeseige­nen Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ), bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts in Berlin deutlich. Die GIZ werde immer häufiger in Krisenregi­onen tätig. „Mehr als die Hälfte der rund 120 Länder, in denen wir im Auftrag der Bundesregi­erung und anderer Auftraggeb­er arbeiten, sind fragile Staaten“, sagte sie. Neben „schnell wirksamen Maßnahmen, um die erste Not zu lindern“, würden Krisen-Vorbeugung und Stabilisie­rung immer wichtiger. Nur wenn die Menschen einen Zugang zu Trinkwasse­r, Nahrung, Gesundheit, Bildung und Arbeit hätten, könne es in einer Region auf Dauer Stabilität und Frieden geben. Dies zu gewährleis­ten, erfordere einen langen Atem, doch die GIZ habe zwischen 2010 und 2015 viel bewegen können. 4,4 Millionen Flüchtling­e und 3,8 Millionen Bewohner der aufnehmend­en Regionen hätten von GIZProjekt­en profitiert. Gönner weiter: „45 Millionen Menschen haben Zugang zu sauberem Trinkwasse­r erhalten, fast 90000 Menschen sind in Beschäftig­ung gekommen.“

Die Unterstütz­ung von Flüchtling­en und der Länder, die sie aufnehmen, bleibe die vielleicht wichtigste Aufgabe der GIZ. Als einen Schwerpunk­t nannte Gönner die autonome Region Kurdistan im Nordirak. Dort seien zu den 5,6 Millionen Bewohnern rund eine Million Menschen aus den von der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) heimgesuch­ten Gebieten und eine Viertelmil­lion Syrer gekommen. Dort haben laut Gönner mit Unterstütz­ung der GIZ eine Million Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasse­r erhalten, zudem wurden 21 Schulen für mehr als 20 000 Kinder gebaut. Mit 61 000 direkt entlohnten Beschäftig­ungsmaßnah­men wurden für zahlreiche Familien Einkommens­quellen geschaffen. In dem Programm, das auch maßgeblich von der Europäisch­en Union unterstütz­t wird, set- zen Flüchtling­e und Einheimisc­he etwa Schulen instand und bessern Straßen aus. Ein „Erfolgsmod­ell“, so Gönner, das weiter ausgebaut werden solle.

Doch die Herausford­erungen bleiben immens. Friedrich Kitschelt, Staatssekr­etär im Entwicklun­gsminister­ium, rechnet nicht damit, dass die weltweiten Flüchtling­szahlen zurückgehe­n. Konkrete Vorhersage­n seien aufgrund der schwierige­n Situation in Afghanista­n oder Syrien zwar nicht möglich. Doch die Zahl von aktuell 66 Millionen Menschen, die sich nach UNAngaben weltweit auf der Flucht befinden, könnte sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnte­n noch vervielfac­hen. Werde die Erderwärmu­ng nicht aufgehalte­n, drohten etwa in Afrika zwei Drittel der landwirtsc­haftlichen Anbaufläch­en verloren gehen. So gebe es zu Krisenpräv­ention, Klimaschut­z und Entwicklun­gszusammen­arbeit keine Alternativ­e, so Kitschelt.

Im vergangene­n Jahr ist das Geschäftsv­olumen der GIZ um zwölf Prozent auf 2,4 Milliarden Euro ge- wachsen. Größter Auftraggeb­er ist das Entwicklun­gsminister­ium, von dem 1,9 Milliarden stammen. Weitere Aufträge kommen aus anderen Ressorts wie dem Umwelt- oder dem Außenminis­terium, von der EU oder – über einen eigenen Geschäftsb­ereich – von anderen Regierunge­n oder Organisati­onen. Die Zahl der Beschäftig­ten stieg auf gut 18000, fast 1000 mehr als im Vorjahr. Rund 70 Prozent der Mitarbeite­r kommen aus den jeweiligen Einsatzlän­dern.

Die GIZ, die 2011 aus der Verschmelz­ung mehrerer deutscher Entwicklun­gshilfeorg­anisatione­n hervorgega­ngen war, will die Zahl ihrer deutschen Niederlass­ungen laut ihrer Vorstandss­precherin Tanja Gönner in den kommenden Jahren massiv reduzieren. Bislang in fast allen Bundesländ­ern vertreten, solle es künftig neben den Hauptsitze­n in Bonn und Eschborn bei Frankfurt nur noch vier Regionalbü­ros geben: in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und München. Die bisherige Struktur habe sich nicht als effizient erwiesen, sagte Gönner.

Wenn über die Flüchtling­skrise diskutiert wird, geht es meist ausschließ­lich um die Menschen, die nach Deutschlan­d und Europa kommen. Vergessen wird dabei oft die Tatsache, dass die allermeist­en Geflüchtet­en weltweit entweder in anderen Regionen des eigenen Landes oder in Ländern in der Nähe ihrer Heimat aufgenomme­n werden – in der Regel also in Weltgegend­en, die ebenfalls von Armut, Perspektiv­losigkeit und Krisen geprägt sind. 84 Prozent der fast 66 Millionen Flüchtling­e weltweit haben Zuflucht in Entwicklun­gsländern gesucht. Viele Syrer etwa leben in Nachbarlän­dern wie dem Libanon, wo auf sechs Millionen Einwohner eine Million Flüchtling­e

 ?? Foto: Kay Niefeld, dpa ?? Die Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit setzt sich weltweit auch für bessere Arbeitsbed­ingungen sowie Sicherheit­s , Sozial und Umweltstan­dards ein. Unser Bild zeigt Arbeiterin­nen in einer äthiopisch­en Textilfabr­ik, die auch für den deutschen...
Foto: Kay Niefeld, dpa Die Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit setzt sich weltweit auch für bessere Arbeitsbed­ingungen sowie Sicherheit­s , Sozial und Umweltstan­dards ein. Unser Bild zeigt Arbeiterin­nen in einer äthiopisch­en Textilfabr­ik, die auch für den deutschen...

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