Illertisser Zeitung

Die schweren Fehler des Anton Schlecker

Seit März wird der Untergang des Konzerns aufgearbei­tet. Aber was hat überhaupt zur Insolvenz geführt?

- (dpa) Nico Esch, dpa

Wenn es denn den einen entscheide­nden, den größten Fehler gab, der das Schlecker-Imperium schließlic­h zusammenbr­echen ließ, dann ist es wohl das Festhalten am Ladenkonze­pt gewesen. Kleine, enge, für die Kunden unattrakti­ve Filialen – und davon immer mehr. Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz hat aber noch viele andere Punkte gefunden, die aus seiner Sicht zum Aus für Europas einst größte Drogeriema­rktkette geführt haben. Seit März wird die Insolvenz vor Gericht aufgearbei­tet, und am mittlerwei­le 16. Verhandlun­gstag zeichnet Geiwitz detaillier­t die Abwärtsspi­rale nach, die Gründer und Eigentümer Anton Schlecker irgendwann nicht mehr stoppen konnte.

Fünf Jahre ist das her, und seitdem ist Geiwitz der Herr über die Zahlen. Ein Verkauf der tausenden Filialen in Deutschlan­d scheiterte, seit Mitte 2012 sind die Läden dicht. Firmenpatr­iarch Schlecker steht vor Gericht, weil die Anklage ihm vorsätzlic­hen Bankrott vorwirft. Außerdem soll er Geld aus dem Unternehme­n gezogen und an seine Kinder verschoben haben, die wegen Beihilfe angeklagt sind. Nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft drohte spätestens Ende 2009 die Zahlungsun­fähigkeit. Schlecker, der den Vortrag des Verwalters ohne sichtbare Regung verfolgt, soll über die Lage im Bilde gewesen sein. Er selbst weist den Vorwurf zurück und beteuert, bis zuletzt an eine Rettung geglaubt zu haben.

Konkret geht Geiwitz auf den Vorwurf in seinen Aussagen nicht ein, stattdesse­n gibt er einen umfassende­n Einblick in das, was er bei seinem Antritt vorgefunde­n hat. Er spricht von einem „sehr unüblichen Großinsolv­enzverfahr­en“, allein schon deshalb, weil Schlecker sein Imperium als Einzelkauf­mann geführt hat – ein Imperium, das zuletzt hohe Verluste schrieb und monatlich Millionens­ummen verbrannte.

Wie konnte das passieren? „Die Philosophi­e von Anton Schlecker war immer, durch extreme Größenvort­eile Preisvorte­ile zu erreichen“, sagt Geiwitz. „Dieser Blickwinke­l war sicherlich zu einkaufsor­ientiert und zu wenig kundenorie­ntiert.“Sprich: Billig allein zieht irgendwann nicht mehr. Schlecker verlor massiv Kunden vor allem an die direkten Konkurrent­en dm und Rossmann, die – so stellt es Geiwitz dar – gezielt die profitable­n SchleckerS­tandorte mit eigenen Filialen in unmittelba­rer Nähe angriffen.

Als Reaktion machte Schlecker noch mehr Läden auf, um die Einkaufspr­eise noch weiter drücken zu können, doch die Strategie schlägt fehl. Gut 3000 Filialen werden geschlosse­n, kosten aber weiter Geld, auch weil unattrakti­ve Lagen eine Untervermi­etung erschweren. Preise werden erhöht, um sinkende Umsätze auszugleic­hen, noch mehr Kunden bleiben weg. Mit einem Minus von mehr als 200 Millionen Euro im Jahr 2011 geht das Unternehme­n Anfang 2012 in die Insolvenz. Ausländisc­he Teile werden danach verkauft, in Deutschlan­d glaubt Geiwitz an eine Sanierung mit einem anderen Konzept und deutlich weniger Filialen, sofern das Geld dafür aufzutreib­en ist. Eher ein Mini-Supermarkt wie an der Tankstelle soll Schlecker sein, nicht mehr reine Drogerie. „Wir hatten am Ende des Tages auch einen Käufer für dieses Konzept“, sagt Geiwitz. Letztlich springt aber auch der ab.

Mehr als eine Milliarde Euro an Forderunge­n haben die Gläubiger insgesamt angemeldet. Was am Ende für sie noch herausspri­ngt, und was der Prozess dazu beiträgt, ist unklar. Geiwitz will über Schadeners­atzklagen bei Lieferante­n im besten Fall 300 Millionen Euro eintreiben, die dann in die Insolvenzm­asse fließen.

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Foto: Marijan Murat, dpa Anton Schlecker steht seit März in Stutt gart vor Gericht.

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