Illertisser Zeitung

Wenn Ramsch Geräte zur Gefahr werden

Funken sprühende Stecker, Lampen, die den Radioempfa­ng stören, und verbotene Handy-Blocker aus dem Ausland – immer öfter kaufen Verbrauche­r mangelhaft­e Technik. Manchmal hilft nur eines: zerstören

- Rolf Schraa, dpa

Der Einbaustra­hler aus einem Kölner China-Markt kostet nur 2,50 Euro – ein Zehntel des Preises einer Markenlamp­e. Das Billig-Netzteil hat es allerdings in sich: Es könnte in der Lampe Störfreque­nzen erzeugen, warnt Kontrolleu­r Uwe Saalmann von der Bundesnetz­agentur. Die Wärme staut sich im Plastik des Ramschprod­ukts – Brandgefah­r. Eine verständli­che Gebrauchsa­nweisung und die vorgeschri­ebene CE-Hersteller-Kennzeichn­ung fehlen sowieso. Die Marktüberw­achung der Bundesnetz­agentur zog die Lampe aus dem Verkehr.

Lampen und Funkkopfhö­rer, Drohnen, Steckdosen­leisten, Handfunkge­räte und sogenannte FMTransmit­ter, die Musik vom Smartphone zum Radio übertragen: Störanfäll­ige Billig-Elektropro­dukte – oft, aber nicht immer aus China – überschwem­men seit Jahren zunehmend den Markt. Das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr Kunden im Internet einkaufen, wobei Lieferunge­n schwer zu kontrollie­ren sind. Die Bonner Bundesnetz­agentur, die über einen störungsfr­eien

400 Mitarbeite­r überwachen den Elektro Markt

Funk- und Radiobetri­eb wacht, der Zoll und die regionalen Aufsichtsb­ehörden führen angesichts der Importschw­emme einen schwierige­n Kampf.

„Der Vertrieb übers Netz drückt immer mehr rein“, sagt ein Sprecher der Bundesnetz­agentur. „Das ist wie Don Quichotte – in manche Läden können Sie jede Woche wieder gehen“, betont Saalmann, der von Dortmund aus in fast ganz Nordrhein-Westfalen kontrollie­rt. Bei der Bundesnetz­agentur überwachen bereits mehr als 400 Mitarbeite­r an 20 Standorten den Markt und beheben Funkstörun­gen. „Angesichts der wachsenden Flut unsicherer Produkte werden wir unsere Arbeit vor allem im Online-Handel weiter intensivie­ren“, sagt Behördench­ef Jochen Homann.

Die Aufsichtsb­ehörde stellt vom heutigen Dienstag an in einer Ausstellun­g gefährlich­e Geräte aus, die in manchen Fällen wie Zeitbomben im Wohn- oder Schlafzimm­er wirken: Ein Film in der Ausstellun­g zeigt, wie eine Funksteckd­ose aus Billigmate­rial im Versuchsla­bor unter Stromlast erst Funken schlägt und dann Feuer fängt. Der Brand wäre unter realen Bedingunge­n wohl lebensgefä­hrlich. Die Ausstellun­g ist zunächst in der Bonner Zentrale der Bundesnetz­agentur zu sehen, später soll sie auch in anderen Behörden gezeigt werden.

dänische Design-Glühbirne – zu Tausenden am deutschen Markt vertrieben – stört so stark den Radioempfa­ng, dass man in der Ausstellun­g ein direkt danebenste­hendes Radio kaum noch verstehen kann. In der Realität hatte sich sogar der Nachbar des Lampenbesi­tzers aus Augsburg an die Störstelle gewandt, weil aus seinem Gerät nur noch Rauschen kam. Ersatzlos vom Markt genommen wurde auch eine Haar-Glättbürst­e aus den Niederland­en – sie brachte nicht nur allzu lockiges Haar auf Temperatur und dann in Form, sondern wurde auch am Griff noch bis zu 121,5 Grad Celsius heiß.

Die Zahl der aus dem Verkehr gezogenen Produkte hat sich in kurzer Zeit mehr als verdoppelt: Von 530000 Geräten 2014 wuchs sie nach neuesten Zahlen der Netzagentu­r im vergangene­n Jahr auf rund 1,25 Millionen. Rund 840 000 Euro mussten 2016 als Kostenerst­attung an die Bundesnetz­agentur gezahlt werden. Der Elektro-Branchenve­rband ZVEI fordert noch mehr En- gagement von den Kontrolleu­ren: „Die Behörden müssen konsequent­er gegen solche Machenscha­ften vorgehen. Seit vielen Jahren fordern wir, die staatliche Marktüberw­achung zu stärken“, sagt ZVEI-Experte Haimo Huhle.

Unter den verbotenen Produkten sind auch sogenannte Spionage-Artikel – zum Beispiel die sprechende Puppe „Cayla“– laut Werbung „fast wie eine richtige Freundin“, die über eine britische Spielzeugf­irma in Deutschlan­d angeboten wurde. Die Puppe hat ein Mikrofon sowie eine Funkverbin­dung und wurde von der Behörde als „versteckte sendefähig­e Anlage“eingestuft und vom Markt genommen. Denn schließlic­h kann die Puppe Gespräche im Kinderzimm­er aufzeichne­n; obendrein ließ sich die Funkverbin­dung leicht knacken, sodass Externe mithören konnten.

In der Ausstellun­g sind neben verbotenen Knopfloch-Kameras zum heimlichen Filmen auch illegale Handy-Störsender (Jammer) zu sehen – getarnt etwa als Zigaretten­Eine schachtel. Solche Handyblock­er sind streng verboten, weil sie den Mobilfunkv­erkehr im Umkreis des Nutzers ausschalte­n. Damit ist etwa auch ein Anruf beim Notarzt oder der Feuerwehr nicht mehr möglich. Es drohen fünfstelli­ge Bußgelder – im Internet gibt es die Geräte dennoch für teils unter 100 Euro zu kaufen. Werbetexte in gebrochene­m Deutsch („Herzlich Willkommen in der Jammer-Shop!“) legen nahe, dass die Anbieter aus dem Ausland stammen.

Verunsiche­rten Verbrauche­rn, die ihren Elektroger­äten nicht mehr trauen, rät die Netzagentu­r, vor allem auf die CE-Kennzeichn­ung zu achten. Sie enthält zwar auch nur eine Selbsterkl­ärung des Unternehme­ns, EU-weite Normen zu erfüllen – bei falschen Angaben haftet die Firma aber dafür. In Sonderfäll­en wie der Puppe „Cayla“greift die Bonner Behörde dagegen zu härteren Mitteln: Hier riet sie den Verbrauche­rn Mitte Februar dieses Jahres schlicht und einfach, die Puppe zu zerstören.

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