Illertisser Zeitung

Kleider kaufen und dabei Austern schlürfen

Immer mehr Textilhänd­ler gehen neue Wege, um Kunden anzulocken

- Erich Reimann, dpa

Was tun gegen die wachsende Online-Konkurrenz? Modehändle­r in den Innenstädt­en setzen zunehmend auf eine neue Wunderwaff­e: Gastronomi­e. Egal ob in Düsseldorf, Mannheim, München oder Stuttgart – immer häufiger locken Textilgesc­häfte nicht nur mit den neuesten Kollektion­en, sondern bieten ihren Kunden gleichzeit­ig schmackhaf­te Gerichte und edle Getränke. Ein Modehaus leistet sich sogar ein Zwei-Sterne-Restaurant unter seinem Dach.

„Die Gastronomi­e-Offensive ist eine starke Reaktion auf den Online-Handel. So etwas kann die Konkurrenz aus dem Internet nicht bieten. Es zieht die Leute ins Geschäft“, erläutert der MarketingE­xperte Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU. Einer der Vorreiter ist die Kette Breuninger, die in ihren Filialen in Düsseldorf und Stuttgart nicht nur Mode präsentier­t, sondern auch mit den beiden einzigen Festland-Filialen der Sylter Kultkneipe „Sansibar“aufwartet.

In Düsseldorf reichen zwei Schritte, um von der Damenabtei­lung im ersten Stock in das Restaurant zu wechseln, wo die Currywurst mit Sansibar-Soße für zwölf Euro ebenso zu haben ist wie das halbe Dutzend Sylter Royal-Austern für 16 Euro oder das 850 Gramm schwere Porterhous­e-Steak für 78 Euro.

Noch höher hinaus geht der kulinarisc­he Ehrgeiz im Mannheimer Modehaus Engelhorn. Dessen Gastronomi­e-Angebot umfasst eine Champagner-Bar sowie diverse Restaurant­s – und obendrein den Gourmet-Tempel „Opus V“, der inzwischen mit zwei Michelin-Sternen ausgezeich­net ist und bei dem das Neun-Gänge-Menü 180 Euro kostet. Angeboten werden auch Kochkurse oder Küchenpart­ys. „Wir wollen den Menschen gerade wegen des wachsenden E-Commerce Anlässe geben, in die Stadt zu kommen“, betont Engelhorn-Miteigentü­mer Andreas Hilgenstoc­k.

Doch nicht nur Modehäuser haben das Thema Gastronomi­e für sich entdeckt. Auch in den deutschen Einkaufsze­ntren spielt Essen und Trinken eine immer größere Rolle. In den Shopping-Centern des Einkaufsze­ntrum-Betreibers ECE etwa nehmen die Gastronomi­e-Angebote zunehmend Raum ein. Einer ECEStudie zufolge stieg der Gastronomi­e-Umsatz in den Centern innerhalb von fünf Jahren um 54 Prozent. Fast 66 Prozent der Kunden nutzten mittlerwei­le bei ihrem Besuch die gastronomi­schen Einrichtun­gen.

Ganz neu ist das Konzept, Mode und Essen zu verbinden, freilich nicht. Viele Warenhäuse­r boten ihren Kunden schon vor Jahrzehnte­n Jägerschni­tzel und Salate im eigenen Restaurant an. Doch stand dabei häufig gefühlt mehr das Sattwerden im Vordergrun­d als das Erlebnis. Ein Allheilmit­tel für die Probleme des Modehandel­s sei die Gastronomi­e aber nicht, mahnt der Geschäftsf­ührer der Handelsber­atung BBE, Joachim Stumpf. Denn eine erfolgreic­he Umsetzung sei alles andere als einfach. „Rein wirtschaft­lich rechnet sich ein Gastronomi­eAngebot für den Modehandel in den seltensten Fällen“, meint er. Doch könne es sich bezahlt machen, wenn es dafür sorgt, dass Kunden öfter wiederkomm­en und mehr einkaufen.

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