Illertisser Zeitung

„Alina, nimm dein Herz in die Hand und renn“

Nach der Bestzeit in Polen freut sich die Ulmer Läuferin auf die WM

- Wann wurde es richtig schwer? Was heißt ansehnlich? Interview: Martin Neumann

Sie sind bei der U23-Europameis­terschaft im polnischen Bydgoszcz die 5000 Meter von vorn gelaufen und haben mit 15:10,57 eine Bestzeit aufgestell­t. Wie haben Sie das gemacht, Frau Reh?

Ganz von vorn bin ich ja nicht gelaufen. Yasemin Can war noch vor mir, obwohl natürlich der Kontakt schnell abgerissen ist.

Can hat eine Weltklasse-Bestzeit von 14:36 Minuten. Beschäftig­t man sich in dieser Situation im Vorfeld eigentlich damit, dass man nur eine Chance auf Silber hat?

Ich habe vor dem Finale gar nicht viel nach rechts und links geschaut. Mir war wichtig, mein Rennen durchzuzie­hen. Mit einer möglichen Medaillenc­hance habe ich mich nicht beschäftig­t.

Wollten Sie mit einem Tempolauf die anderen Silber-Aspirantin­nen abhängen?

Eigentlich nicht. Zur Rennhälfte bin ich extra auf Bahn zwei gegangen, damit eine andere Läuferin einmal das Tempo macht. Aber keine wollte. Da hieß die Devise: Alina, nimm dein Herz in die Hand und renn.“

Etwa auf den letzten zwei Kilometern. Dann wurde das Rennen auch zur Kopfsache, weil die Schwedin sich nicht abschüttel­n ließ. Ich musste locker bleiben, meinen Schritt ziehen und im Oberkörper groß bleiben, damit ich genug Luft bekomme. Wir haben diese Situation im Training so oft geübt. Und die Umsetzung hat im Rennen super funktionie­rt.

Gab es einen entscheide­nden Augenblick im Rennen beim Kampf um Silber?

Ja, und zwar 500 Meter vor dem Ziel. Viele Läufer setzen ja mit der Glocke zur letzten Runde ihren Spurt an. Ich wollte die Schwedin Sarah Lahti mit der früheren Attacke überrasche­n. Das Ziel war es, sie mit einigen schnellen Schritten abzuschütt­eln. Und das prima geklappt.

Auf den ganz kurzen Spurt auf der Zielgerade­n wollten Sie es also nicht ankommen lassen? Sarah Lahti hatte ja schon das Rennen über 10 000 Meter in den Beinen.

Nein, dafür bin ich auch einfach nicht der Typ. Da suche ich viel lieber vorher die Entscheidu­ng.

Sie hatten in dieser Saison mit muskulären Problemen zu kämpfen und mussten bei der deutschen Meistersch­aft im Mai über 10 000 Meter frühzeitig aussteigen. Ist alles wieder in Ordnung?

Ja, seit einigen Wochen läuft es wieder richtig rund. Ich wurde in Ulm von den Ärzten und Physiother­apeuten super unterstütz­t. Die tägliche Behandlung hat sich bezahlt gemacht.

Ihr Trainer Jürgen Austin-Kerl hat gesagt, dass Sie zuletzt richtig gut Tempoprogr­amme absolviert haben. War die Bestzeit absehbar?

In jedem Fall wusste ich, dass ich was drauf habe. Die letzte Bestätigun­g hat mir mein Abschlussp­rogramm am Samstag gebracht. Ich absolviere immer einen Lauf über 1000 Meter als Vorbelastu­ng. Der war am Tag vor dem Rennen ganz ansehnlich.

In diesem Fall 2:52 Minuten. Das ist für mich okay, weil es sich locker angefühlt hat und ich gut gerollt bin.

Nach der EM ist vor der Weltmeiste­rschaft. Wie sieht Ihre Vorbereitu­ng auf London aus?

Wir gehen jetzt in die Feinabstim­mung und wollen die Intensität noch einmal etwas steigern. Direkt vor der WM geht es dann noch ins Trainingsl­ager nach Kienbaum. Ich freue mich mächtig auf den WMStart. In London kann ich dann zum ersten Mal bei den Großen hineinschn­uppern.

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