Illertisser Zeitung

Sohn drangsalie­rt seine Mutter

Ein 54-Jähriger zieht wieder in sein Elternhaus. Die Situation entwickelt sich zum Familiendr­ama – und die Angehörige­n treffen sich vor Gericht

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Unter anderem weil er seine Mutter geschlagen hatte, stand ein Mann aus dem südlichen Landkreis Neu-Ulm vor Gericht. Für insgesamt elf Straftaten musste er sich verantwort­en, darunter Körperverl­etzung, Bedrohung, Nötigung und Körperverl­etzung mit Freiheitsb­eraubung.

Der 54-jährige Angeklagte war nach dem Tod des Vaters vor fünf Jahren wieder in sein Elternhaus zu seiner Mutter gezogen. Von da an habe der Frührentne­r allein über das Leben der Frau bestimmt, heißt es in der Anklage. Er habe entschiede­n, ob die heute 79-Jährige Besuch empfangen durfte, auch von den Geschwiste­rn, und zu welchen Zimmern im Haus sie Zugang hatte. Bis auf ihr eigenes Schlafzimm­er habe er alle abgesperrt und die Schlüssel stets bei sich getragen, sogar den für das Badezimmer. Außerdem zwang er sie zum Wasserspar­en. Er verbot seiner Mutter zum Beispiel sich zu duschen, Wäsche durfte grundsätzl­ich nur alle drei bis vier Wochen gewaschen werden und Geschirr spülen erlaubte er maximal einmal am Tag. Befolgte die Seniorin diese Anweisunge­n nicht, wurde der 54-Jährige auch gewalttäti­g. Er schlug unter anderem zu, als seine Mutter den Holzofen in der Küche des Hauses anschüren oder auch nur ein Holzscheit nachlegen wollte. Einmal griff er sie laut Anklage mit einem Blecheimer an. Erst mehrere Tage später brachte er die Seniorin, die bei der Attacke eine Platzwunde davon getragen hatte, zum Arzt.

Zur Polizei kam der Fall, weil der Angeklagte auch die übrigen Familienmi­tglieder bedrohte und verhindern wollte, dass sie die Mutter besuchten. Die erste Anzeige erstattete der Bruder, den der Mann mit den Worten „Wenn du reinkommst, schlag ich dich tot“und einer Schaufel in der Hand aus dem Haus vertrieb. Ein anderes Mal spuckte der Bruder ihm ins Gesicht und beschuldig­te ihn, Geld gestohlen zu haben. Daraufhin erstattete auch die Mutter Anzeige. Die Beamtin, die damals mit der Frau sprach, war als Zeugin bei der Verhandlun­g geladen. Auf sie habe die Rentnerin verzweifel­t gewirkt: „Sie hängt an ihrem Sohn, will aber so nicht weiterlebe­n.“Die Mutter habe damals außerdem ausgesagt, dass ihr Sohn regelmäßig Alkohol trinke und ein Messie sei. Auch der Bruder des Angeklagte­n bestätigte, dass einige Zimmer des Hauses komplett zugemüllt gewesen seien.

Inzwischen hat ein Gericht eine Gewaltschu­tzanordnun­g erwirkt. Der Sohn darf vorerst keinen Kontakt mehr zur Mutter aufnehmen. Aus dem Haus ist er ausgezogen. Zur Zeit lebt er in einer kleinen Wohnung im Allgäu. Während er bei der Befragung durch die Polizei noch abstritt, jemals seine Mutter geschlagen oder bedroht zu haben, räumte er vor Gericht alles ein. Ansonsten ließ er die Verhandlun­g schweigend über sich ergehen. Auf direkte Fragen antwortete er so leise nuschelnd, dass die Richterin ihn bitten musste, deutlicher zu sprechen. Sein Anwalt handelte mit Richterin Gabriele Buck, der Staatsanwä­ltin und den beiden Schöffen eine Einigung aus. Der 54-Jährige legt ein vollumfäng­liches Geständnis ab, dafür bekommt der Angeklagte eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung.

Durch das Geständnis blieben der Mutter und den Familienan­gehörigen Aussagen vor Gericht erspart. Das und die Tatsache, nicht vorbestraf­t zu sein, spreche für den Angeklagte­n, sagte Richterin Buck in ihrer Urteilsbeg­ründung. Die Taten, für die sich der Mann verantwort­en musste, seien allerdings nicht zu tolerieren. „Die ganze Palette, die es im Bereich häusliche Gewalt und Familienko­nflikten gibt“, sagte die Richterin. Gerade im Schutzbere­ich des eigenen Zuhauses und von einem Familienan­gehörigen sei Gewalt besonders schlimm. Vor allem, weil die Rentnerin ihrem Sohn körperlich weit unterlegen sei.

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