Vorerst keine Rüstungsprojekte mit Erdogan
Auch das gehört zur neuen deutschen Türkei-Politik. Der Präsident gibt sich unbeeindruckt
Die Bundesregierung hat geplante und bereits bestehende Rüstungsprojekte mit der Türkei vorläufig auf Eis gelegt. „Es kommen derzeit alle Anträge für Rüstungsexporte auf den Prüfstand“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Nähere Angaben machte sie nicht. Bisher galt die Lieferung von Rüstungsgütern im Rahmen der Nato-Mitgliedschaft der Türkei als weitgehend unproblematisch.
Rüstungsprojekte mit der Regierung von Recep Tayyip Erdogan werden den Angaben zufolge bereits seit dem Putschversuch vor einem Jahr genauer geprüft. Die Ankündigung von Außenminister Sigmar Gabriel, die deutsche Türkei-Politik neu auszurichten, umfasse auch den Rüstungsexport, hieß es weiter. Seit Januar 2016 hat die Bundesregierung nach Angaben des Wirtschaftsministeriums elf Anträge abgelehnt. Im vergangenen Jahr seien Genehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 83,9 Millionen Euro erteilt worden. Heuer seien bis Ende April Rüstungsexporte im Umfang von 22 Millionen Euro genehmigt worden.
Erdogan wies Berichte zurück, wonach gegen deutsche Unternehmen in der Türkei wegen Terrorunterstützung ermittelt werde. Solche „böse Propaganda“solle nur dazu dienen, Druck auf deutsche Firmen auszuüben und international für Verunsicherung zu sorgen, rief er bei einer Ansprache in Istanbul. Deutschen Investoren sagte er Die Bundesregierung zeigt nach langer Zurückhaltung Zähne gegenüber der Türkei. Nach Nazi Vorwürfen, Besuchs verboten und Verhaftungen könnte sie allerdings noch härter durchgreifen, würde man meinen. Neun Gründe, warum sie es womöglich nicht tut: ● Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim beteiligt sich Deutschland an den EU Sanktio nen gegen Moskau. Gegen die Tür kei sind solche Strafmaßnah men noch nicht geplant, weil die Verhaftung von Menschenrechtlern und Journalisten weni ger hoch gehängt wird. ● Drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben Schutz zu: „Deren Garantie sind wir. Deren Sicherheit sind wir.“
Im Zusammenhang mit Forderungen der Bundesregierung nach einer Freilassung deutscher Gefangener wie Deniz Yücel, Mesale Tolu Corlu oder Peter Steudtner aus der Untersuchungshaft sagte Erdogan: „Sie müssen wissen, dass unsere Justiz unabhängiger ist als ihre.“ hierzulande, nicht wenige davon sind Anhänger Erdogans. Die seien wichtig für Deutschland, sagt Außenminister Sigmar Gabriel. ● Die Türkei ist eines der beliebtesten Reiseziele der Deut schen. Das Auswärtige Amt mahnt Tou risten nur zu erhöhter Vorsicht. ● Mehr Härte gegenüber der Regierung in Ankara könnte den Zugang zu inhaftier ten Deutschen aufs Spiel setzen. ● Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der Nato, also Partner Deutschlands. ● Auch nach dem Abzug der Bundeswehr aus Incirlik sind noch deutsche Soldaten auf dem Nato Stützpunkt in Konya stationiert. ● Die Türkei ist seit 1999 Kandidat für einen EU Beitritt, seit Zugleich warf der Präsident Deutschland erneut vor, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. „Die Regierung, die Terroristen aus der Türkei in Deutschland versteckt, muss erst Rechenschaft darüber ablegen.“Die verschärften Reisehinweise des Auswärtigen Amtes für die Türkei nannte Erdogan „unangebracht“.
Neun Gründe, warum die Bundesregierung nicht härter durchgreift
2005 wurde darüber konkret verhan delt. Seit November 2016 stocken die Gespräche. Ziel war es, durch Bei trittsverhandlungen das Land enger an den Westen und Europa zu binden. ● Durch den EU Türkei Flüchtlingspakt hat das Land zusätzliches politisches Gewicht erhalten. Ankara droht immer wieder damit, die Kooperation mit der EU auf zukündigen. Kanzlerin Angela Merkel hat aber kein Interesse daran, dass Er dogan wieder massenhaft Migranten gen Deutschland weiterziehen lässt. ● Die Türkei gilt als Schlüsselstaat und Brücke zwischen Europa und Asien. Durch eine härtere Gangart befürchtet die Bun desregierung, die Türkei könnte gen Osten abdriften – vor allem Richtung Russland. (dpa)