Joachim Herzers nostalgisch bunte Welt
Der Galerist aus Zaiertshofen mag es gerne alt und modern – das zeigt sich bei einem Rundgang durch die einmalige Wohnung des Künstlers. Zu jedem Raum und jedem Stück kann er eine Geschichte erzählen
Dieses Badezimmer ist einmalig: Die nostalgische Wanne wird von vier Adlerkrallen getragen, die jeweils kleine Weltkugeln festhalten. Die Dusche befindet sich in einer beleuchteten Tropfsteinhöhle. Dort sind sämtliche Leitungen und Anschlüsse in neuester Technik installiert. Die Kombination aus alt und modern zieht sich wie ein roter Faden durch Joachim Herzers Haus. Nicht nur seine in der ehemaligen Zaiertshofer Molkerei untergebrachte Galerie „KunstUnkunst“, sondern auch seine Privatwohnung offenbart in allen Ecken und Winkeln den Künstler.
Beim Gang durch die einzelnen Räume hat Herzer zu jedem individuell gestalteten Zimmer und den darin aufbewahrten nostalgischen Kostbarkeiten eine Geschichte zu erzählen: „In einer Zeit, in der ich noch nicht wusste, was Dadaismus ist, habe ich bereits vieles in diesem Stil, der gegen künstlerische Ideale und für die Freiheit der Kunst eintrat, gestaltet.“In diesem Sinne hat Herzer etwa einen „selbstbefruchtenden Apfel“aus Holz geschnitzt – aus Sorge, dass es irgendwann keine Bienen mehr gibt.
Seinen Flur hat der Künstler mit einem alten Beichtstuhl, einem pneumatischen Harmonium, einem Schrank mit Bibeln unterschiedlicher Glaubensrichtungen sowie vielen weiteren Raritäten zum „sakralen Raum“eingerichtet. Während an der Decke Wolken aus Styropor hängen, ist der Fußboden mit lackiertem Herbstlaub belegt. Darstellungen der vier Evangelisten machen auch den Kachelofen zu etwas Besonderem. Seinen Leitgedanken, „Altes erhalten und mit neuester Technik modernisieren“, hat der Galerist auch in der Küche verwirklicht. Dort hat er einen einst mit Kohle befeuerten, rustikalen Herd mit verdeckten Induktionsplatten aufgerüstet. Das dafür notwendige elektrische Fachwissen hat sich der Autodidakt wie vieles andere selbst angeeignet.
Der Bastler und Tüftler hat auch die bis unters Dach reichende Galerie im Wohnzimmer eigenhändig gebaut. Den nostalgischen Tisch hat Herzer vergrößert, sowie die alten Jugendstil-Stühle mit Leder bezogen. „Im Jahr 2000 habe ich angefangen, mit Holz zu arbeiten“, sagt er. Als sein erstes Werkstück zeigt er eine kunstvoll aus einem Stück Fichtenholz geschnitzte Kette. Besonders stolz ist er auf ein hölzernes Fahrrad. „Ich habe es mit drei verschiedenen Antriebsmöglichkeiten ausprobiert.“Jetzt hängt das Vehi- kel als einer von vielen Blickfängen von der Decke. Direkt darunter hat der Künstler auf dem selbst gezimmerten Fußboden Sonne, Mond und Sterne sowie sein Sternzeichen Fisch verewigt.
Neben dem mit Urlaubserinnerungen aus Indonesien, Bali und Sumatra im Stil von 1001 Nacht gestalteten „orientalischen Raum“hat Herzer eine weitere wichtige Einrichtung in seinem Haus auf originelle Art umgestaltet: das sogenannte stille Örtchen. Im Stil der einst auf dem Land üblichen Plumpsklos wurde die Toilette mit Holz verkleidet. Öffnet man den knallroten Deckel, kommt allerdings eine ganz normale, kunstvoll mit blauen Rosen bemalte Porzellanschüssel zum Vorschein. „Die Spülung funktioniert einwandfrei“, sagt Herzer mit einem schelmischen Augenzwinkern. An einem Nagel an der Wand hängt neben dem Toilettenpapier auch fein säuberlich zugeschnittenes, altes Zeitungspapier. Der Wasserhahn wird durch einen Gartenschlauch ersetzt und als Waschbecken hat der Künstler ein altes Eichenfass an die Wand montiert. „In diesem Behältnis habe ich einst Oliven auf dem Markt verkauft“, gibt er einen kleinen Einblick in seine vielfältigen beruflichen Tätigkeiten.
1949 in Ravensburg geboren und aufgewachsen, hat Joachim Herzer nach der Schule zunächst eine Lehre zum Drogisten absolviert. Einige Jahre leitete er in Ulm ein Farbengeschäft, ehe er mit einem Freund für kurze Zeit einen Bauernhof pachtete und später in Schießen bei Roggenburg auch eine eigene Kneipe führte. Krankheitsbedingt habe er immer wieder einige Wochen in Kliniken verbringen müssen, sagt Herzer. 1983 ist er zu einer Freundin gezogen, die in der damals noch betriebenen Molkerei in Zaiertshofen wohnte. 1990 kaufte er das historische Gebäude. Während seiner Krankheit hat der Autodidakt seine Liebe zum Werkstoff Holz entdeckt und dabei viel Kreativität und Geschicklichkeit entwickelt. Mit Eröffnung der Galerie „KunstUnkunst“verwirklichte Herzer 2010 einen lang gehegten Traum.
In dreimonatigem Rhythmus bietet die von Kunstexperten als „Kleinod auf dem Land“bezeichnete Galerie Künstlern aus der näheren und weiteren Umgebung die Möglichkeit, ihre Werke bei Ausstellungen zu präsentieren. Parallel dazu stellt Herzer seine aus heimischen Hölzern gefertigten, abstrakten Holzskulpturen aus, die immer vielfältiger und formenreicher werden. Angefangen hat er mit dem Herstellen eigentümlicher Stühle und Tische aus Holz und Metall in Kombination. Inzwischen hat sich der Galerist immer mehr im Sägen von Spiralen aus ganzen Stammstücken geübt. Alle Skulpturen sind aus einem gewachsenen Stück Holz, nichts ist angeleimt oder angedübelt. Für die Zukunft wünscht sich der Zaiertshofer eine Partnerin, die seine große Liebe zur Kunst mit ihm teilt und lebt.