Illertisser Zeitung

Joachim Herzers nostalgisc­h bunte Welt

Der Galerist aus Zaiertshof­en mag es gerne alt und modern – das zeigt sich bei einem Rundgang durch die einmalige Wohnung des Künstlers. Zu jedem Raum und jedem Stück kann er eine Geschichte erzählen

- VON CLAUDIA BADER

Dieses Badezimmer ist einmalig: Die nostalgisc­he Wanne wird von vier Adlerkrall­en getragen, die jeweils kleine Weltkugeln festhalten. Die Dusche befindet sich in einer beleuchtet­en Tropfstein­höhle. Dort sind sämtliche Leitungen und Anschlüsse in neuester Technik installier­t. Die Kombinatio­n aus alt und modern zieht sich wie ein roter Faden durch Joachim Herzers Haus. Nicht nur seine in der ehemaligen Zaiertshof­er Molkerei untergebra­chte Galerie „KunstUnkun­st“, sondern auch seine Privatwohn­ung offenbart in allen Ecken und Winkeln den Künstler.

Beim Gang durch die einzelnen Räume hat Herzer zu jedem individuel­l gestaltete­n Zimmer und den darin aufbewahrt­en nostalgisc­hen Kostbarkei­ten eine Geschichte zu erzählen: „In einer Zeit, in der ich noch nicht wusste, was Dadaismus ist, habe ich bereits vieles in diesem Stil, der gegen künstleris­che Ideale und für die Freiheit der Kunst eintrat, gestaltet.“In diesem Sinne hat Herzer etwa einen „selbstbefr­uchtenden Apfel“aus Holz geschnitzt – aus Sorge, dass es irgendwann keine Bienen mehr gibt.

Seinen Flur hat der Künstler mit einem alten Beichtstuh­l, einem pneumatisc­hen Harmonium, einem Schrank mit Bibeln unterschie­dlicher Glaubensri­chtungen sowie vielen weiteren Raritäten zum „sakralen Raum“eingericht­et. Während an der Decke Wolken aus Styropor hängen, ist der Fußboden mit lackiertem Herbstlaub belegt. Darstellun­gen der vier Evangelist­en machen auch den Kachelofen zu etwas Besonderem. Seinen Leitgedank­en, „Altes erhalten und mit neuester Technik modernisie­ren“, hat der Galerist auch in der Küche verwirklic­ht. Dort hat er einen einst mit Kohle befeuerten, rustikalen Herd mit verdeckten Induktions­platten aufgerüste­t. Das dafür notwendige elektrisch­e Fachwissen hat sich der Autodidakt wie vieles andere selbst angeeignet.

Der Bastler und Tüftler hat auch die bis unters Dach reichende Galerie im Wohnzimmer eigenhändi­g gebaut. Den nostalgisc­hen Tisch hat Herzer vergrößert, sowie die alten Jugendstil-Stühle mit Leder bezogen. „Im Jahr 2000 habe ich angefangen, mit Holz zu arbeiten“, sagt er. Als sein erstes Werkstück zeigt er eine kunstvoll aus einem Stück Fichtenhol­z geschnitzt­e Kette. Besonders stolz ist er auf ein hölzernes Fahrrad. „Ich habe es mit drei verschiede­nen Antriebsmö­glichkeite­n ausprobier­t.“Jetzt hängt das Vehi- kel als einer von vielen Blickfänge­n von der Decke. Direkt darunter hat der Künstler auf dem selbst gezimmerte­n Fußboden Sonne, Mond und Sterne sowie sein Sternzeich­en Fisch verewigt.

Neben dem mit Urlaubseri­nnerungen aus Indonesien, Bali und Sumatra im Stil von 1001 Nacht gestaltete­n „orientalis­chen Raum“hat Herzer eine weitere wichtige Einrichtun­g in seinem Haus auf originelle Art umgestalte­t: das sogenannte stille Örtchen. Im Stil der einst auf dem Land üblichen Plumpsklos wurde die Toilette mit Holz verkleidet. Öffnet man den knallroten Deckel, kommt allerdings eine ganz normale, kunstvoll mit blauen Rosen bemalte Porzellans­chüssel zum Vorschein. „Die Spülung funktionie­rt einwandfre­i“, sagt Herzer mit einem schelmisch­en Augenzwink­ern. An einem Nagel an der Wand hängt neben dem Toilettenp­apier auch fein säuberlich zugeschnit­tenes, altes Zeitungspa­pier. Der Wasserhahn wird durch einen Gartenschl­auch ersetzt und als Waschbecke­n hat der Künstler ein altes Eichenfass an die Wand montiert. „In diesem Behältnis habe ich einst Oliven auf dem Markt verkauft“, gibt er einen kleinen Einblick in seine vielfältig­en berufliche­n Tätigkeite­n.

1949 in Ravensburg geboren und aufgewachs­en, hat Joachim Herzer nach der Schule zunächst eine Lehre zum Drogisten absolviert. Einige Jahre leitete er in Ulm ein Farbengesc­häft, ehe er mit einem Freund für kurze Zeit einen Bauernhof pachtete und später in Schießen bei Roggenburg auch eine eigene Kneipe führte. Krankheits­bedingt habe er immer wieder einige Wochen in Kliniken verbringen müssen, sagt Herzer. 1983 ist er zu einer Freundin gezogen, die in der damals noch betriebene­n Molkerei in Zaiertshof­en wohnte. 1990 kaufte er das historisch­e Gebäude. Während seiner Krankheit hat der Autodidakt seine Liebe zum Werkstoff Holz entdeckt und dabei viel Kreativitä­t und Geschickli­chkeit entwickelt. Mit Eröffnung der Galerie „KunstUnkun­st“verwirklic­hte Herzer 2010 einen lang gehegten Traum.

In dreimonati­gem Rhythmus bietet die von Kunstexper­ten als „Kleinod auf dem Land“bezeichnet­e Galerie Künstlern aus der näheren und weiteren Umgebung die Möglichkei­t, ihre Werke bei Ausstellun­gen zu präsentier­en. Parallel dazu stellt Herzer seine aus heimischen Hölzern gefertigte­n, abstrakten Holzskulpt­uren aus, die immer vielfältig­er und formenreic­her werden. Angefangen hat er mit dem Herstellen eigentümli­cher Stühle und Tische aus Holz und Metall in Kombinatio­n. Inzwischen hat sich der Galerist immer mehr im Sägen von Spiralen aus ganzen Stammstück­en geübt. Alle Skulpturen sind aus einem gewachsene­n Stück Holz, nichts ist angeleimt oder angedübelt. Für die Zukunft wünscht sich der Zaiertshof­er eine Partnerin, die seine große Liebe zur Kunst mit ihm teilt und lebt.

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Fotos: Claudia Bader In der Küche hat Joachim Herzer einen einst mit Kohle befeuerten, rustikalen „Stadtherd“mit verdeckten Induktions­platten auf gerüstet. Jedes Stück in seiner Wohnung spiegelt die Kreativitä­t des Galeristen wider.
 ??  ?? Im Stil von 1001 Nacht hat Galerist Herzer einen orientalis­chen Raum in seiner Woh nung eingericht­et.
Im Stil von 1001 Nacht hat Galerist Herzer einen orientalis­chen Raum in seiner Woh nung eingericht­et.
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Marke Eigenbau ist auch das hölzerne Fahrrad, das von der Decke baumelt.

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