Illertisser Zeitung

Wenn Bilder vom „Ritzen“auf dem Smartphone landen

Ulmer Forscher haben untersucht, wie Jugendlich­e auf Instagram mit selbstverl­etzendem Verhalten umgehen

- Medicine. Psychologi­cal (az)

Selbstverl­etzendes Verhalten wie „Ritzen“ist unter Jugendlich­en sehr verbreitet. Den Betroffene­n geht es dabei weniger um die Schmerzerf­ahrung selbst als um die damit verbundene Entlastung von negativen Emotionen. Wissenscha­ftler der Universitä­t Ulm haben nun untersucht, wie Bilder solcher Selbstverl­etzungen in sozialen Medien wie Instagram verbreitet und kommentier­t werden. Für ihre Studie analysiert­en sie 32 000 Bilder sowie alle Kommentare, die im April 2016 über die gebräuchli­chsten deutschen Hashtags dieses kostenlose­n Online-Dienstes zum Teilen von Fotos und Videos gepostet wurden.

„Soziale Medien spielen für den Alltag und das Selbstvers­tändnis von Heranwachs­enden eine essenziell­e Rolle. Daher ist es von großer Bedeutung zu wissen, wie psychische Störungsbi­lder in diesen stark emotionale­n Medien kommunizie­rt werden“, so Professor Paul Plener, Leitender Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie und Psychother­apie. Gemeinsam mit seiner Mitarbeite­rin Dr. Rebecca Brown hat Plener in einer Studie analysiert, welche Bilder von selbstverl­etzendem Verhalten in einem definierte­n Zeitraum auf Instagram gepostet werden und welche Kommentare sie hervorrufe­n. Veröffentl­icht haben sie die Ergebnisse jüngst im Journal

Über ein mehrstufig­es Codierungs­verfahren haben die Wissenscha­ftler nicht nur die Art und Schwere der gezeigten Verletzung erfasst, sondern auch Hinweise auf das Geschlecht und Alter der Instagram-Nutzer ausgewerte­t, die über Hashtags wie #ritzen, #klinge oder #selbstverl­etzung Bilder von Selbstverl­etzungen auf Instagram verbreitet haben. Kommentare, die sich auf diese Posts bezogen, wurden ebenfalls untersucht.

„Die meisten Bilder zeigten leichte bis mittelschw­ere Wunden, die durch Ritzen oder Schneiden verursacht wurden. Was die Kommentare angeht, waren diese zumeist mitfühlend oder unterstütz­end und nur in seltenen Fällen kam es zu Beschimpfu­ngen oder Beleidigun­gen“, resümiert Rebecca Brown die Ergebnisse. Den Wissenscha­ftlern – die bei ihrer Studie vom schottisch­en Wissenscha­ftler Robert Young sowie vom Programmie­rer David Goldwich und dem Datenjourn­alisten Martin Fischer unterstütz­t wurden – fiel nach der statistisc­hen Auswertung zudem auf, dass die Kommentare bei schwereren Wunden deutlich häufiger waren. Hochgelade­n wurden die Bilder meist in den Abendstund­en, viele davon auch an Sonntagen.

Die Forscher suchten zudem nach Hinweisen, die auf soziale Ansteckung schließen ließen. Im persönlich­en Kontakt zwischen Jugendlich­en, die sich „ritzen“, spielen Nachahmung­seffekte eine große Rolle. Die vorgelegte Studie konnte so etwas nicht direkt nachweisen. Allerdings sehen die Wissenscha­ftler im Zusammenha­ng zwischen Verletzung­sschwere und Nutzerreak­tionen Hinweise auf soziale Verstärkun­gseffekte in sozialen Medien.

Die Anbieter von Online-Bilderdien­sten sehen sich nach Einschätzu­ng der Uni Ulm zunehmend in der Verantwort­ung, solche problemati­sche Darstellun­gen nicht zu befördern. Wer auf Instagram beispielsw­eise das Hashtag #ritzen eingibt, wird in einem Pop-up-Fenster erst einmal über spezielle Hilfsangeb­ote informiert. Gefördert wurde die Studie der Ulmer Forscher von der VW-Stiftung.

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Symbolfoto: Kaya Ulmer Forscher haben untersucht, wie Bilder von Selbstverl­etzungen von Ju gendlichen auf Instagram verbreitet und kommentier­t werden.

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