Illertisser Zeitung

Streit am Unikliniku­m: Hilft Methadon gegen Krebs?

Die Forscherin Claudia Friesen fühlt sich ausgebrems­t. Die Klinikleit­ung warnt vor falschen Erwartunge­n

- VON LUDGER MÖLLERS

Kann eine Behandlung mit Methadon bei Patienten mit Tumoren die Wirkung von Chemothera­pien verstärken? Werden Tumore fast vollständi­g zerstört? Am Universitä­tsklinikum Ulm tobt ein heftiger Streit um die Frage der Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit einer Methadonth­erapie bei Patienten mit Tumorerkra­nkungen.

Auf der einen Seite steht die Chemikerin Claudia Friesen vom Rechtsmedi­zinischen Institut der Uniklinik. Sie forscht seit zehn Jahren und hat nach eigenen Angaben mehr als 80 Patientend­aten gesammelt, deren Krankheits­verläufe unter der Einnahme von Methadon einen deutlichen Rückgang der Metastasen aufweisen. Viele Patienten setzen ihre Hoffnungen auf die Forscherin, besonders beim Kampf gegen Gehirntumo­re und Leukämie gebe es Erfolge. Auf der anderen Seite: Die Leitung der Universitä­tsklinik Ulm, die Friesens Vorgehen kritisiert. Es entspreche nicht den allgemein anerkannte­n wissenscha­ftlichen Standards, da belastbare klinische Daten zur Wirkweise von Methadon in der Krebsthera­pie noch ausstehen. Jetzt sollen klinische Studien Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit von Methadonth­erapie klären. Außerhalb dieser Studien soll es am Unikliniku­m Ulm keinen unkontroll­ierten Einsatz von Methadon in der Tumorthera­pie geben.

Seit 2007 erforscht Friesen das Thema „Methadon in der Krebsthera­pie“und hat herausgefu­nden, dass Methadon Krebszelle­n absterben lassen kann. Ursprüngli­ch wollte Friesen die Wirkung bestimmter Schmerzmit­tel erforschen: „Und zu unserer Verwunderu­ng sind die Tumorzelle­n mit Methadon gestorben“, sagte Friesen. „Methadon kann den Widerstand der Tumorzelle gegen das Chemothera­peutikum brechen und sorgt dafür, dass das Chemothera­peutikum wirken kann.“Friesen ist sich sicher: „Methadon kann die Wirkung einer Chemothera­pie verbessern.“Eigentlich austherapi­erte Krebspatie­nten, denen das Schmerzmit­tel Methadon in Kombinatio­n mit der herkömmlic­hen Chemooder Strahlen-Therapie verabreich­t wurde, berichtete­n über schrumpfen­de oder verschwund­ene Tumoren.

Friesens Arbeit ist internatio­nal anerkannt, zahlreiche wissenscha­ftliche Publikatio­nen, Preise und Fördergeld­er belegen die Reputation. Warum die Universitä­tsklinik ihre Forscherin jetzt einbremst, ist Friesen nicht erklärlich. Es habe keine Auseinande­rsetzungen im Vorfeld gegeben, versichert sie. „Sorry, die Klinikumsl­eitung hat am 05.07.2017 die Fragen und Antworten zum Thema Methadon in der Schmerz- und Tumorthera­pie eigenmächt­ig gelöscht“, heißt es auf der Homepage des Rechtsmedi­zinischen Instituts. Die Vorwürfe der Medizinisc­hen Fakultät der Universitä­t Ulm, des Universitä­tsklinikum­s Ulm und des Comprehens­ive Cancer Center Ulm werden in einer Erklärung konkretisi­ert: „Die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se (. . .) beziehen sich ausschließ­lich auf vorklinisc­he Experiment­e entweder mit Zellkultur­en oder tierexperi­mentellen Studien.“Diese Daten lassen sich nach Meinung der Ulmer Mediziner nicht automatisc­h auf die Situation beim Patienten übertragen. Es gebe zahlreiche interessan­te wissenscha­ftliche Konzepte zur Verstärkun­g der Wirkung von Chemothera­pie. Aber: „Viele dieser Konzepte zeigen leider beim Einsatz am Patienten nicht den gewünschte­n Effekt.“Auch gebe es unerwünsch­te Nebenwirku­ngen. Mit dem Schritt schließen sich die Ulmer Forscher medizinisc­hen Fachgesell­schaften an, die vor falschen Erwartunge­n warnen. Denn klinische Studien, die die von Friesen beschriebe­ne Wirkung wissenscha­ftlich einwandfre­i belegen, liegen bisher noch nicht vor.

Jetzt wollen sich die Beteiligte­n an einen Tisch setzen und die fehlenden wissenscha­ftlichen Nachweise erbringen. Die Wissenscha­ftlerin Friesen selbst macht deutlich: „Wir brauchen die Studien.“Professor Thomas Seufferlei­n vom Universitä­tsklinikum Ulm würde eine klinische Studie mit 50 bis 200 Patienten, die an einem fortgeschr­ittenen Darmkrebst­umor leiden, durchführe­n. Die Voraussetz­ung: eine solide Datenbasis, die eine entspreche­nde Studie unterstütz­t.

Die Ärztin braucht Patientens­tudien

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Foto: Alexander Kaya Die Band „Stützles Halbe Stompers“in der Glacis Galerie.
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Claudia Friesen

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