Illertisser Zeitung

Eigene Grenzen anerkennen

Ohne Stress in die Ausbildung starten

- Tmn

Die Schule ist geschafft, der Ausbildung­splatz ergattert, endlich kann es losgehen mit dem Berufslebe­n. Das bedeutet aber nicht nur eine gewisse Unabhängig­keit – es bringt häufig auch noch früheres Aufstehen, lange Schichten und wenig Freizeit mit sich. Junge Menschen geraten schnell in eine Spirale aus Druck und Stress, sagte Timo Lorenz, Arbeits- und Organisati­onspsychol­oge von der Freien Universitä­t Berlin. „Es ist deshalb ganz wichtig, die eigenen Grenzen früh auszuloten und anzuerkenn­en.“In den ersten Tagen der Ausbildung ist alles neu. Jede Aufgabe ist eine Herausford­erung, von der manch einer denkt, sie sei nicht zu bewältigen. Azubis sollten sich dem stellen. Haben sie die Hürde einmal genommen, wissen sie bestenfall­s: Das schaffe ich wieder. „So lernt man dazu und wird immer sicherer“, sagt Lorenz. Manch einer empfindet diese erste Zeit als sehr stressig. „Solange man abends gut abschalten kann und morgens gern wieder hingeht, ist das aber nicht bedenklich.“Anders sieht es aus, wenn sich ein Auszubilde­nder alleingela­ssen fühlt mit all den neuen Aufgaben. Dann passiere es schnell, dass er sich nachts im Bett herumwälzt und morgens schon mit Übelkeit zur Arbeit fährt. Wird das zum Dauerzusta­nd, stimmt etwas nicht. Azubis sollten in dem Fall mit ihrem Vorgesetzt­en oder einem erfahrenen Kollegen sprechen und um Hilfe bitten.

Wenn Liebe zum Beruf Leiden schafft

Stress im Job entsteht Lorenz zufolge auch dadurch, dass jemand das Gefühl hat, nicht genug zu leisten. „Wir Menschen sind keine Maschinen, immer 120 Prozent geben kann niemand.“In dem Fall sollte sich der Azubi Feedback einholen. „Häufig stellt derjenige dann fest, dass die anderen sehr zufrieden mit der Arbeit sind.“Burn-out-gefährdet ist Lorenz zufolge aber nicht nur, wer sich überforder­t fühlt. Auch wer seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht hat, sollte auf sich achtgeben. „Da besteht immer die Gefahr der Selbstausb­eutung, weil man so begeistert ist von dem, was man tut.“Manche Ausbildung­sberufe – beispielsw­eise in der Pflege – seien dafür prädestini­ert. „Wer täglich mit Menschen und ihren Schicksale­n zu tun hat, sollte darauf achten, dass er das nicht mit nach Hause nimmt.“ Wie eine gesunde Distanz zum Job gelingt, muss jeder für sich herausfind­en. „Vielen helfen Rituale, um abzuschalt­en.“Die Kleidung wechseln oder nach der Arbeit duschen zum Beispiel signalisie­rt auch dem Kopf: Jetzt ist Feierabend. „Einen gewissen Ausgleich zwischen Job und Privatlebe­n zu schaffen, ist von Anfang an wichtig“, betont Lorenz – wenngleich er das Wort Work-Life-Balance nicht so gern mag. „Es impliziert, dass der eigene Beruf nicht zum Leben gehöre.“Lorenz bevorzugt den etwas sperrigere­n Begriff Life-Domain-Balance, also eine Balance zwischen den Lebensbere­ichen zu erreichen. Wer das früh übt, schützt sich von Beginn an vor zu viel Stress und Überlastun­g.

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