Illertisser Zeitung

„Erdogans langer Arm hat in Deutschlan­d nichts verloren“

Grünen-Chef Cem Özdemir wollte mit dem Ulmer Imam diskutiere­n – doch der kam einfach nicht

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Über Wochen wurde eine Diskussion­srunde in Ulm plakatiert, die es in sich hatte – beziehungs­weise haben sollte: Der Grünen-Chef und Erdogan-Gegner Cem Özdemir hätte am Dienstagab­end auf Israfil Polat, den Ulmer Iman der „TürkischIs­lamischen Union der Anstalt für Religion“(Ditib), treffen sollen.

Doch Ditib, deutscher Ableger der staatliche­n türkischen Religionsb­ehörde, kniff. „Wer sich dem Dialog verweigert, der hat ein Problem“, kommentier­te der im schwäbisch­en Bad Urach aufgewachs­ene Özdemir. Denn nur der Dialog sei das Mittel der Wahl in einer Demokratie. Özdemir sprach davon, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versuche, alle von Ditib finanziert­en Moscheen in Deutschlan­d „gleichzusc­halten“. Das gehe recht einfach. Denn sämtliche Ditib-Imame werden vom türkischen Staat bezahlt. Kein Staat dürfe zulassen, dass eine ausländisc­he Regierung für sich in Anspruch nimmt, für eine ganze Religionsg­emeinschaf­t zu sprechen. Özdemir: „In Deutschlan­d hat der lange Arm von Erdogan aber nichts verloren.“

Nach Özdemirs Worten gebe es eine Anweisung der Ditib-Zentrale in Köln, dass keine Gemeinde an politische­n Veranstalt­ungen teilnehmen dürfe. Eine E-Mail-Anfrage unserer Zeitung an Polat zu den Hintergrün­den der Absage blieb unbeantwor­tet. Erst vor wenigen Wochen verweigert­e Ulms größter Migrantenv­erein die Unterschri­ft der „Ulmer Erklärung für ein Zusammenle­ben in Frieden und Respekt der türkeistäm­migen Ulmerinnen und Ulmer“. An der Formulieru­ng hatte der Ulmer Ableger der türkischen Religionsb­ehörde noch mitgearbei­tet. Aber dann ist er wohl aus Ankara zurückgepf­iffen worden. Wer in der Ditib nicht spure, müsse gehen, ist Özdemir sicher. Dies sei am Beispiel einer einst offenen moslemisch­en Gemeinde in Berlin zu erkennen, bei der der Vorstand ausgetausc­ht worden sei. „Aber das werden wir nicht zulassen“, sagte der Grüne. Deutsche Moslems, die nicht einer Meinung mit der Erdogan-Regierung sind, würden in Ditib-Moscheen denunziert. Özdemirs Wunsch ist es, dass sich Ditib vom türkischen Staat löse und zu einem unabhängig­en Organ werde. Dazu müsse auch das Thema Bezahlung der Imame auf die Tagesordnu­ng. Denn derzeit überweist Ankara die Gehälter. Özdemir sprach sich für einen „Neustart“der deutschen Islamkonfe­renz aus. Nach zehn Jahren sei eine Sackgasse erreicht.

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Foto: Andreas Brücken Cem Özdemir im Ulmer Haus der Begeg nung.

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