Illertisser Zeitung

Warum BMW Manager wütend sind

In München ist Zurückhalt­ung eigentlich höchstes Gebot. Jetzt brechen Dämme

- VON STEFAN STAHL Auto Motor und Sport

Gegenüber Münchnern bestehen mannigfach­e Vorurteile. So wird ihnen eine gewisse Lässigkeit, ja Lust zur Anarchie nachgesagt. Das mag zwar in dem ein oder anderen Fall zutreffen, schließlic­h gilt die Landeshaup­tstadt als nördlichst­er Stützpunkt Italiens. Bei der in München sitzenden BMW AG herrscht aber eine ganz unmünchner­ische, beinahe preußisch-disziplini­erte Unternehme­nskultur.

Wer je ein Werk oder eine Pressekonf­erenz des Konzerns besucht hat, erlebt Menschen, die nichts dem Zufall überlassen und damit verhindern wollen, dass die Marke Kratzer abbekommt. Chefs des Unternehme­ns, ob Harald Krüger oder sein Vorgänger Norbert Reithofer, bewahren in der Öffentlich­keit Zurückhalt­ung. Deftige Sprüche, wie sie echte Münchner lieben, sind unter den BMW-Preußen verpönt.

So sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r unserer Zeitung: „BMW hält sich streng an EthikRegel­n.“Corporate Governance, also die Grundprinz­ipien einer guten und mit allen Gesetzen konformen Unternehme­nsführung, hätten bei dem Autobauer stets Vorfahrt.

Das sehen auch andere Experten ähnlich wie Dudenhöffe­r. Insofern klingt es plausibel, dass Manager des Konzerns stinksauer auf DaimlerKol­legen sein sollen. Ihren Unmut haben sie zumindest hinter den Kulissen derart vernehmlic­h kundgetan, dass dies Journalist­en nicht entgangen ist. Von BMW-Seite soll das Wort „Tsunami“gefallen sein. Die Flutwelle wurde demnach in Stuttgart ausgelöst. Wenn entspreche­nde Berichte zutreffen, haben DaimlerVer­antwortlic­he bei den Wettbewerb­sbehörden eine Selbstanze­ige eingereich­t, um als Mitglied eines deutschen Autokartel­ls straffrei davonzukom­men.

Nach den bekannt gewordenen Spekulatio­nen scheinen die Stuttgarte­r im Verräter-Wettbewerb den Volkswagen-Managern zuvorgekom­men zu sein. Demnach würden die Wolfsburge­r wegen der zu späten Selbstanze­ige von den Kartellbeh­örden mit einer kräftigen Geldbuße abgestraft, während die Daimler-Konkurrent­en als Kronzeuge wohl sogar ohne Strafzahlu­ng davonkomme­n. Was pikant ist: Offensicht­lich hat die BMW AG von einer Selbstanze­ige abgesehen und müsste demnach wie VW kräftig finanziell bluten, wenn sich die Kartellvor­würfe erhärten. In Unternehme­nskreisen heißt es, BMW-Manager seien so erbost über die Daimler-Attacke, dass überlegt werde, die in der Branche üblichen regelmäßig­en Gespräche mit den Wettbewerb­ern aus Stuttgart einzustell­en. Damit würde innerhalb der deutschen Autoindust­rie ein so noch nicht da gewesener Kleinkrieg entstehen.

Auf alle Fälle setzen sich BMWVerantw­ortliche jetzt auch offiziell lautstark zur Wehr, schließlic­h schaden die nicht enden wollenden Vorwürfe dem Unternehme­n substanzie­ll. In den vergangene­n Tagen ist der Börsenkurs des Konzerns von Werten über 84 auf rund 79 Euro zurückgega­ngen.

Um weiteren Schaden zu verhindern, nehmen BMW-Verantwort­liche deutlich zu den Vorwürfen in der Diesel-Affäre Stellung. In einer entspreche­nden Mitteilung vom 23. Juli heißt es: „Grundsätzl­ich gilt: Fahrzeuge der BMW Group werden nicht manipulier­t und entspreche­n den gesetzlich­en Anforderun­gen.“Das gelte selbstvers­tändlich auch für Dieselauto­s.

Dabei beruft sich BMW auf die Ergebnisse nationaler und internatio­naler Untersuchu­ngen durch Behörden. Manager des Konzerns sticheln auch in früher unüblicher Weise gegenüber der Konkurrenz, indem der Konzern seine vermeintli­che Überlegenh­eit in Sachen „Abgasreini­gung“offensiv herausstel­lt: „Die bei BMW eingesetzt­e Technologi­e unterschei­det sich deutlich von anderen im Markt.“Denn die gefährlich­e Stickoxide enthaltend­en Abgase würden mit mehreren Komponente­n gereinigt. Das Unternehme­n hat sich also für eine aufwendige­re und teurere Methode als Konkurrent­en entschiede­n, etwa durch den Einbau eines Stickoxid-Speicher-Katalysato­rs. BMW-Leute erklären selbstbewu­sst: „Deshalb erübrigt sich für die Euro-6-DieselPkw der BMW Group ein Rückruf oder eine Nachrüstun­g.“

Der Konzern würde folglich davon profitiere­n, nicht nur auf die Abgasreini­gung durch Harnstoffe­inspritzun­g (AdBlue) gesetzt zu haben. Auto-Experte Dudenhöffe­r bestätigt das, er fügt jedoch hinzu: „BMW ist zwar sauber, aber nicht rein.“Denn nach Tests der Deutschen Umwelthilf­e, des Kraftfahrt­Bundesamts sowie der Zeitschrif­t

hätten einige BMW-Modelle im Fahrbetrie­b unterhalb bestimmter Außentempe­raturen plötzlich höhere Stickoxidw­erte ausgestoße­n. Für Dudenhöffe­r ist das aber „nicht gesetzeswi­drig“. Die Münchner hätten mit ihrem Sinn für das Einhalten von Verordnung­en wiederum vieles richtig gemacht. Wenn da nicht die üble Stuttgarte­r Selbstanze­ige wäre.

Bei BMW soll von einem Tsunami die Rede sein

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