Illertisser Zeitung

Aufregung um entsorgte Langstrump­f Bücher

Eine schwedisch­e Kommune verbannt Ausgaben, weil sie nicht mehr politisch korrekt sind

- VON ANDRÉ ANWAR Radio Schweden

Janne Josefsson ist nicht irgendwer in Schweden. Der 60-Jährige ist der bekanntest­e Enthüllung­sjournalis­t des Landes. Dementspre­chend hoch schlugen die Wellen, als er kürzlich im öffentlich-rechtliche­n der südwestlic­h von Stockholm gelegenen Kommune Botkyrka schwere Vorwürfe machte: Sie lasse alte Ausgaben von Astrid Lindgrens Kinderbuch­reihe Pippi Langstrump­f aus den Büchereien entfernen – und verbrennen. Und zwar aus ideologisc­hen Gründen.

„Wusstet ihr, dass man heute Bücher in Schweden verbrennt?“, begann Josefsson. „Wenn man Bücher aus ideologisc­hen Gründen verbrennt, sagt etwas in mir: Moment mal, sollen die wirklich verschwind­en? Sollten wir sie nicht erhalten, sodass ich meinen Kindern erzählen kann, wie man sich damals ausgedrück­t hat?“

Bei den Büchern geht es unter anderem um seit 1948 veröffentl­ichte Ausgaben von Pippi Langstrump­f, in denen die schwedisch­e Schriftste­llerin Lindgren Pippis Vater etwa als „Negerkönig“bezeichnet­e.

Es folgte: eine öffentlich­e Debatte sowie ein Medienanst­urm auf die Kommune Botkyrka. Die erklärte, dass alte Bücher entsorgt werden müssten, um Platz für neue zu schaffen. So sei es auch mit einigen Büchern Lindgrens geschehen. Das habe nichts mit Ideologie zu tun. Man habe die alten Langstrump­fBände durch neue Ausgaben ersetzt.

Zugleich räumte die Kommune jedoch ein, dass grundsätzl­ich auch Bücher entsorgt würden, in denen „veraltete Ausdrücke, die als rassistisc­h aufgefasst werden können, vorkommen“. Der Verlag Lindgrens ersetzt bereits seit Jahren in seinen Neuausgabe­n Worte wie „Neger“durch unverfängl­ichere Worte. In Deutschlan­d wurde so aus „Negerkönig“„Südseeköni­g“.

Janne Josefsson gab sich damit nicht zufrieden und verwies auf die Nazis, die etwa marxistisc­he Literatur verbrannt hätten, weil sie diese als unbequem empfunden hätten. Man könne doch nicht die gesamte alte Weltlitera­tur entsorgen oder inhaltlich nachträgli­ch nach gegenwärti­g herrschend­en Richtlinie­n abändern, polterte er. Stattdesse­n müsse kritisch diskutiert werden, wie und warum bestimmte Sichtweise­n und Ausdrücke im Kontext der jeweiligen Zeit entstanden seien.

Es ist eine Debatte, die in den vergangene­n Jahren schon mehrfach kontrovers geführt wurde – auch in Deutschlan­d. Was die 2002 gestorbene Lindgren dazu gesagt hätte? „Heutzutage hätte ich Pippis Papa nie zu einem Negerkönig gemacht“, meinte sie in einem Interview aus dem Jahr 1970. Und in einem Brief von 1957 schrieb sie: „Ich missbillig­e jegliche Einteilung von Menschen in Nationen und Rassen.“

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Foto: dpa
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Foto: Thomas Kienzle, dpa William und Kate formen Brezen in Hei delberg.
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