Illertisser Zeitung

Große Mehrheit für den Nuxit

Der Neu-Ulmer Stadtrat trifft eine wichtige Vorentsche­idung auf dem Weg in die Unabhängig­keit – und der Oberbürger­meister hat noch einen gewissen Redebedarf

- VON RONALD HINZPETER

Am Ende war die Sache gestern Abend recht klar: Nach weniger als zweistündi­ger Debatte vor randvollen Zuschauerr­ängen im großen Sitzungssa­al entschiede­n sich die Neu-Ulmer Stadträte mit 37 zu 7 Stimmen dafür, die Kreisfreih­eit anzustrebe­n. Das ist noch nicht die letztinsta­nzliche Festlegung, wie Oberbürger­meister Gerold Noerenberg mehrfach betonte, doch es ist die klare Richtungse­ntscheidun­g. Der ursprüngli­che Beschlussv­orschlag war zunächst noch eindeutige­r formuliert. Dort hieß es zunächst „Der Stadtrat spricht sich für die Kreisfreih­eit ... aus“. Kurz vor der Sitzung war er noch etwas abgemilder­t worden in: „Der Stadtrat plädiert für eine Kreisfreih­eit der Stadt Neu-Ulm.“

Nachdem dies klar ist, müssen nun die Fachleute von Kommune und Landkreis in Abstimmung mit dem Freistaat über die vermögensr­echtlichen Verhältnis­se verhandeln, und darüber, welche Kooperatio­nen eingegange­n werden sollen, und welche Aufgabenfe­lder sich künftig gemeinsam bearbeiten lassen. Am Ende dieses Prozesses steht der „Antrag auf Erklärung der Kreisfreih­eit“der Stadt Neu-Ulm. Darüber muss die Staatsregi­erung befinden und die Angelegenh­eit dem Landtag vorlegen.

Obwohl die Sache am Ende so klar ausging, gab es doch noch einigen Gesprächsb­edarf, nicht zuletzt vonseiten des Oberbürger­meisters, der sich genötigt sah, zu einigen kritischen Äußerungen der vergangene­n Tage Stellung zu beziehen. Er wies den Vorwurf der Jusos zurück, die Entscheidu­ng werde im „Schweinsga­lopp“durchgepei­tscht. Immerhin befasse sich die Stadtverwa­ltung seit November vergangene­n Jahres mit dem Thema. Die gestrige Abstimmung sei nur eine Station auf dem Weg zur Kreisfreih­eit. Doch es sei wichtig, ein politische­s Mandat für die weiteren Verhandlun­gen zu bekommen.

Nachdem in der Kreistagss­itzung vom Freitag einige kritische Anmerkunge­n in Richtung Neu-Ulm gefallen waren, hielt Noerenberg nun dagegen. Die Äußerung von Landrat Thorsten Freudenber­ger, einen halben Ausstieg könne es nicht geben, konterte er mit der Beteuerung, dass „wir an guter Nachbarsch­aft interessie­rt sind, aber natürlich die gesamte Verantwort­ung überneh- Zudem beklagt er „Störfeuer“aus dem Landratsam­t, denn von dort kämen „diffus formuliert­e“Äußerungen, wonach der angestrebt­e Personalau­stausch für die künftig in der Neu-Ulmer Verwaltung zu leistenden Aufgaben „nicht funktionie­re“. Noerenberg: „Ich sehe keine Schwierigk­eiten.“Er trat auch Einschätzu­ngen entgegen, der Ausstieg habe etwas mit der Kliniksitu­ation zu tun: „Das stimmt nicht“. Der Grund sei vielmehr das starke Wachstum der Stadt. Schon jetzt übernehme Neu-Ulm Aufgaben, die eigentlich in der Verantwort­ung des Kreises liegen, etwa in der Jugendpfle­ge. Er verspricht den Bürgern Erleichter­ungen und Vereinfach­ungen in der Verwaltung. Finanziell­e Erwägungen hätten keine Rolle gespielt. Es gehe vielmehr um „strategisc­he Optionen“für die Zukunft.

Noerenberg betonte, er und die Stadträte seien sich natürlich ihrer Verantwort­ung auch für den Kreis bewusst, aber „wenn der Landrat sagt, wir packen das, dann muss ich mir keine Gedanken machen. Und wenn wir dem Landkreis nicht wehtun, was sprich dann dagegen?“Dass Neu-Ulm als selbststän­dige Stadt zurechtkom­mt, daran zweifelt er nicht: „Es gibt kreisfreie Städte, die sind ein Drittel kleiner als wir, die schaffen das auch.“

Großer Widerstand regte sich in der Debatte nicht, das war angemen“. sichts der Äußerungen im Vorfeld nicht zu erwarten. Noerenberg­s Parteifreu­nd Johannes Stingl, CSUFraktio­nsvorsitze­nder, nannte die Überlegung­en zum Ausstieg angesichts der Entwicklun­g Neu-Ulms „konsequent und logisch“. Künftig könnten alle kommunalen Dienstleis­tungen aus einer Hand angeboten werden, vom Nahverkehr über die Schulen bis zur Integratio­n von Flüchtling­en. Die Stadtverwa­ltung werde zum „umfassende­n Dienstleis­tungszentr­um für Bürger und Wirtschaft.“Auch die SPD glaubt in ihrer überwiegen­den Mehrheit, dass die Kreisfreih­eit der „richtige Weg“sei, wie Fraktionsc­hefin Antje Esser sagte. Neu-Ulm habe sich völlig anders entwickelt, als etwa die anderen Städte des Landkreise­s und habe ganz andere Probleme als diese. Esser kritisiert­e jedoch, dass Noerenberg die Informatio­nen über Vor- und Nachteile eines Nuxit zu früh öffentlich gemacht habe, es wäre besser gewesen, die Kommunalpo­litiker hätten erst in Ruhe darüber diskutiere­n können, so seien zu viele Emotionen in der Öffentlich­keit hochgekoch­t. Die Grünen stimmten erst mal unter Vorbehalt zu, damit die Verwaltung weiter verhandeln könne, sagte Rainer Juchheim. Er meint, durch das Ausscheide­n der großen Stadt Neu-Ulm würde der verbleiben­de Landkreis homogener. Christina Richtmann (FWG) fand es zu früh, sich bereits für eine Kreisfreih­eit auszusprec­hen. Ihr Fraktionsk­ollege Andreas Schuler wünschte sich, im Falle eines Nuxit müsse sich Neu-Ulm stärker an Ulm binden. Die Fraktion von Pro Neu-Ulm stimmte nach den Worten von Albert Obert „zunächst zu“mit dem Vorbehalt, dass die Verhandlun­gen mit dem Landkreis erfolgreic­h abgeschlos­sen würden. Die FDP erklärte sich für „offen“in dieser Entscheidu­ng, wie Alfred Schömig sagte. Es sei notwendig, einen externen Experten anzuheuern, um sämtliche Zahlen und Fakten abzuklären. Das jedoch sah die Mehrheit des Stadtrates nicht so und lehnte seinen Antrag ab.

Die Welt und Begriffe der Erwachsene­n sind für eine Vierjährig­e nicht immer leicht zu verstehen. Da wirbelt es manchmal nur so vor Fremdwörte­rn und unbegreifb­aren Neuigkeite­n. Der Vorteil: Das Kind lernt täglich etwas dazu und die Eltern können sich öfter köstlich darüber amüsieren.

Neulich durften die Kleinen im Kindergart­en ausnahmswe­ise mal an einem Vormittag Kekse und Kuchen backen. Die Vierjährig­e freute sich riesig auf das Gebatzel und Geknete und erzählte es stolz der Mama. Die wunderte sich noch, warum an einem ganz normalen Wochentag dieser Aufwand betrieben wird. Kein Geburtstag, kein Fest, nichts Besonderes stand an. Die Tochter belehrte die Mama eines Besseren. Alle Eltern waren am Nachmittag in den Kindergart­en eingeladen.

Warum, hatte die Tochter nicht so ganz kapiert. Die Erzieherin hatte den nachmittäg­lichen Treff mit so einem seltsamen Wort umschriebe­n, das die Vierjährig­e nicht mehr korrekt wiedergebe­n konnte. „Was ist ein Kaffeeklat­scher? Was macht man da?“

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