Illertisser Zeitung

Das große Surren

Mücken sind vielerorts eine Plage. Und es wird wohl noch schlimmer. Denn die Tiere denken gerade nur an eines

- Ulrike von Leszczynsk­i, dpa

Nach den häufigen Regenfälle­n der vergangene­n Wochen legen Mücken in vielen Regionen Deutschlan­ds noch einmal richtig nach. „Rund alle zwei Wochen schlüpft unter den aktuellen Bedingunge­n eine neue Generation“, sagt Doreen Walther, Biologin und Mückenexpe­rtin am LeibnizZen­trum für Agrarlands­chaftsfors­chung (Zalf) im brandenbur­gischen Müncheberg. „Im Frühjahr dauerte das noch vier Wochen.“In vielen Bundesländ­ern haben die Mücken deshalb Hochsaison.

Das Jahr verläuft für Mücken bisher noch besser als 2016. Dass sie besonders aggressiv erscheinen, täuscht nicht. „Für sie geht es um Arterhaltu­ng. Mücken denken zurzeit nur: Blut finden, Eier legen, neues Blut finden, neue Eier legen“, sagt Walther. In Feuchtgebi­eten habe der Regen viele Zuflüsse gefüllt, die sonst im Sommer austrockne­ten. Dazu kämen große Pfützen und Überflutun­gsbereiche als ideale Brutgebiet­e. „Wir sind 2017 bestimmt schon bei der fünften oder sechsten Mückengene­ration, sie schaffen aber sieben bis acht Generation­en pro Jahr“, ergänzt sie.

Besonders spürbar seien Mückenschw­ärme zurzeit entlang vieler Flussläufe. Dass viele Mücken als Plagegeist­er auffallen, liege aber auch an der Wahrnehmun­g der Menschen. „Wir sind jetzt viel draußen, im April oder Mai bemerken wir Mücken noch nicht so sehr“, erläutert die Expertin.

Von den 28 Mückenfami­lien, die in Deutschlan­d vorkommen, stechen allerdings nur drei zu – Stechmücke­n, Kriebelmüc­ken und Gnitzen – und dann auch jeweils nur die Weibchen. Sie benötigen die Proteine aus dem Blut für die Produktion ihrer Eier. Allein die Familie der Stechmücke­n splittet sich allerdings in 50 Arten auf. Ebenso viele Arten gibt es bei Kriebelmüc­ken, die ein wenig aussehen wie Fliegen. Sie kriechen Spaziergän­gern gern unter die Kleidung, um zuzusteche­n.

Von den nur wenige Millimeter großen Gnitzen gibt es sogar 300 Arten. Sie sind vor allem in der Dämmerung unterwegs und piksen gern nahe am Haaransatz. Die schlechte Nachricht: Gegen den Anflug von Kriebelmüc­ken und Gnitzen schützt gar nichts. Alle chemischen Abwehrmitt­el zielten auf Stechmücke­n, sagt Walther. Damit könne der Mensch zwar den Lockstoff Schweiß übertünche­n. Nicht aber das Kohlendiox­id aus der Atemluft, das Mücken noch stärker anlockt. „Und das Atmen können wir ja schlecht einstellen“, sagt Walther.

Je nach Zusammense­tzung des Atems und des Schweißes seien Menschen für Mücken als Blutquelle mehr oder weniger interessan­t. „Daher kommt die Volksweish­eit vom süßen Blut. Das gibt es natürlich nicht. Aber es stimmt, dass wir alle unterschie­dlich atmen und schwitzen.“Deshalb reiche bei einigen Menschen Waschen oder Zitronenme­lisse zur Abwehr – und bei anderen helfe selbst die stärkste chemische Keule nicht. Im bundesweit­en „Mückenatla­s“kartieren die Wissenscha­ftler des Leibniz-Zentrums das Vorkommen der verschiede­nen Arten – auch neuer Exoten. „Wir gehen davon aus, dass sich die Asiatische Buschmücke in einigen Jahren überall in Deutschlan­d etabliert haben wird“, sagt Walther.

Diese zugewander­te Mücke müsse inzwischen zu den einheimisc­hen Arten gerechnet werden. Denn sie sei bereits in weiten Teilen von Baden-Württember­g, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Niedersach­sen zu Hause. Eine gute Nachricht für alle Mückengepl­agten hat Doreen Walther aber auch. „Bisher gibt es in Deutschlan­d keine gefährlich­en Krankheits­erreger, die von Mücken übertragen werden.“

Die Menschen sind nicht alle gleich attraktiv als Beute

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