Illertisser Zeitung

„Kurzfristi­g geht es nur über Nachrüstun­gen“

In Stuttgart drohen Fahrverbot­e für Diesel. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n versucht sie abzuwenden und hofft auf Nachrüstun­gen. Entscheide­nd wird nun der Diesel-Gipfel sein

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Die Bundesregi­erung hat für diesen Mittwoch zum DieselGipf­el eingeladen. Dabei wird es um Nachrüstun­gen für dreckige Dieselfahr­zeuge gehen. In Stuttgart drohen Diesel-Fahrverbot­e zur Luftreinha­ltung. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) erklärt im Gespräch, was er von dem Treffen in Berlin erwartet.

Mit großer Erwartung schauen viele jetzt in der Debatte um den Diesel auf den Autogipfel am 2. August. Sind Sie dabei?

Niemand geht ja einfach so auf einen Gipfel und guckt mal, was da läuft. Es wird ja vorverhand­elt. Man muss sehen, ob dabei etwas herauskomm­t. Wenn nicht die Aussicht besteht, dass etwas Substanzie­lles entschiede­n wird, überlege ich mir, ob ich überhaupt hingehe. Und wenn ich hingehe und es wird nichts entschiede­n, dann werde ich meinem Unmut freien Lauf lassen.

Was wäre ein optimales Ergebnis des Gipfels?

Ich gehe davon aus, dass es beim Diesel-Gipfel diese Woche die Zusage für wirksame und nachprüfba­re Schadstoff­senkungen zügig für die gesamte Euro-5- und Euro-6-Flotte gibt – und dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstun­g trägt.

Es bleibt aber der Zeitdruck, den Luftreinha­lteplan für Stuttgart fristgerec­ht umzusetzen. Hat die Politik das Pro- blem der Luftversch­mutzung in den Städten zu lange ignoriert?

Vielleicht hat das die Politik nicht stringent genug gemacht. Wenn man die Schadstoff­entwicklun­g anschaut, erkennt man, dass sie insgesamt sinkt – nur nicht schnell genug. Das liegt daran, dass die bisherigen Maßnahmen nicht so tief greifend sind, dass die Schad- stoffbelas­tung auch unter die Grenzwerte kommt. Leider können wir nicht zaubern und von heute auf morgen mal fünf zusätzlich­e Straßenbah­noder S-Bahn-Strecken in Stuttgart bauen. Das kostet Riesensumm­en, und das muss geplant werden. Das dauert Jahrzehnte. Die Umgestaltu­ng der Mobilität wird Zeit in Anspruch nehmen, und da müssen wir schneller werden. Kurzfristi­g geht es nur über Nachrüstun­gen.

Wenn es nicht klappt mit der Nachrüstun­g, dann kommen aber die Fahrverbot­e …

…dann werden wir wahrschein­lich darum nicht herumkomme­n. Denn es geht um die Gesundheit der Bevölkerun­g in den Städten. Wir nehmen diese Verantwort­ung sehr ernst. Und wir leben in einem Rechtsstaa­t. Da müssen wir Gesetze einhalten. In Stuttgart werden die Vorgaben der EU seit Jahren gerissen. Wir haben viele Maßnahmen ergriffen gegen den Feinstaub. Aber Stickstoff­dioxid kommt aus dem Auspuff. Das betrifft die ganze Fahrzeugfl­otte. Zugelassen haben wir das nicht. Die Verantwort­ung liegt bei der Bundesregi­erung. Für die Zukunft aber ist das geregelt, denn es gibt den sauberen Diesel. Das bestätigt sogar die Deutsche Umwelthilf­e.

Als Sie von den Kartellvor­würfen gegen die Automobilk­onzerne hörten, was ging da in Ihnen vor?

Ich war entsetzt. Bisher ist es ein Verdacht – wie ich höre, gibt es Selbstanze­igen. Es ist an den Kartellbeh­örden, das mit aller Konsequenz zu prüfen.

Wie stark ist die Glaubwürdi­gkeit der Autobranch­e beschädigt?

Die ist schon erheblich beschädigt durch die Unregelmäß­igkeiten einiger Autokonzer­ne und durch Trickserei­en. Die Automobili­ndustrie ist in einer Vertrauens­krise.

Interview: Ulf Mauder, Bettina Grachtrup, dpa

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) pocht im Interview auf substanzie­lle Ergebnisse beim Diesel Gipfel der Bundes regierung am Mittwoch.
Foto: Marijan Murat, dpa Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) pocht im Interview auf substanzie­lle Ergebnisse beim Diesel Gipfel der Bundes regierung am Mittwoch.

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